Lebensweltlich orientierten Räume

Dieser generell politische Auftrag findet mittlerweile seinen konkreten Niederschlag im Verwaltungshandeln. So ist über den bezirksübergreifenden Fachausschuss Spielplätze der Vertreterinnen und Vertreter der bezirklichen Fachbereiche Naturschutz und Grünflächen die Anforderung an die Fachämter der Bezirke herangetragen worden, jährlich eine Aussage zur gendergerechten Nutzung von Spielplätzen zu treffen. Voraussetzung hierfür ist eine gendergerechte Erfassung der Ausgangslage. Dazu wurde ein Datenbogen seitens der Fachämter entwickelt, mit dem einheitlich in allen Bezirken die Erfassung erfolgen soll.

Für die Untersuchung wurden Gelder von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen bereitgestellt.

Ziel der Bestandsaufnahme ist es, Aussagen über die „geschlechtergerechte" Nutzung der Spielplätze treffen zu können, daraus Qualitätskriterien abzuleiten und ggf. perspektivisch Nachbesserungen an den Spielplätzen vorzunehmen, sobald dafür Mittel zur Verfügung stehen.

Die fünf „Lebensweltlich orientierten Räume" (LOR) in Friedrichhain-Kreuzberg:

Die "Lebensweltlich orientierten Räume" (LOR) wurden 2006 gemeinsam zwischen den planenden Fachverwaltungen des Senats, den Bezirken und dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg auf der Grundlage der von der Jugendhilfe bereits definierten Sozialräume einheitlich abgestimmt. Die LOR sind am 01.08.2006 per Senatsbeschluss als neue räumliche Grundlage für Planung, Prognose und Beobachtung demografischer und sozialer Entwicklungen in Berlin festgelegt worden.

Ziel war die Abbildung lebensweltlicher Homogenität bei gleichzeitiger Wahrung einer Vergleichbarkeit der Planungsraumeinheiten. Kriterien für die Abgrenzung der "Lebensweltlich orientierten Räume" waren daher unter anderem einheitliche Baustrukturen bzw. Milieubildung, große Straßen und Verkehrstrassen sowie natürliche Barrieren, aber auch eine Begrenzung der Einwohnerzahl oder die Vorgabe, keine statistischen Blöcke zu schneiden. Die bisher für die kleinräumige Statistik allein verfügbare Raumhierarchie war sehr stark von der Verkehrplanung ("Verkehrszellen") dominiert, die vor allem die Verkehrstrassen als Mittelpunkt und nicht als Grenze von Räumen ansah und damit für sozialräumliche Planung eher ungeeignet war.

Der Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg ist in fünf LOR aufgeteilt, die untereinander große Diskrepanzen aufweisen. Aber auch innerhalb einzelner LOR bestehen große Unterschiede in Bezug auf die Bevölkerungsstruktur, den Anteil der Bewohnerschaft mit Migrationshintergrund und das soziale Ranking.

Der Auswertung ist eine kurze Charakteristik jedes LOR auf der Basis des von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2009 herausgegebenen Entwicklungsindexes zur sozialen Stadtentwicklung vorangestellt. Diese Kurzcharakteristik dient der Hintergrundinformation zur Einordnung der Bewertung in den sozialen Kontext.

Vorgehensweise und Methodik der Erhebung

Die Auswahl der 27 zu untersuchenden Spielplätze aus den über 185 Spielplätzen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde auf der Basis der fünf sogenannten „lebensweltlich orientierte Räume" (LOR) vom Fachbereich Naturschutz und Grünflächen des Bezirks selbst vorgenommen. Pro LOR sind 3 - 7 Spielplätze ausgewählt worden. Es handelt sich dabei um größere Anlagen, die auch eine Funktion als Kieztreffpunkt haben sollen.

Als Erhebungsmethode wurde die teilnehmende Beobachtung gewählt. Durchgeführt wurde die Beobachtung von vier Studenten und Studentinnen der Stadt- und Regionalplanung ­ je zwei weiblich und zwei männlich. Die Studenten erhielten eine Einführung in das Thema „Gender Mainstreaming" durch Mitarbeiterinnen der BSM mbH. Es wurde eine gemeinsame Beobachtung eines Spielplatzes durchgeführt, um gleiche Einschätzungsstandards einzuüben.

Jedem Studenten / jeder Studentin wurden 6 - 7 Spielplätze zugeteilt. Die durchgeführte Beobachtung erfolgt anhand des vom Bezirksamt bereitgestellten Fragebogens des Fachausschusses der Berliner Naturschutz- und Grünflächenämter, der von der BSM mbH geringfügig erweitert wurde. Zudem erhielt jeder Studenten / jeder Studentin einen Lageplan jedes ihm/ihr zugeteilten Spielplatzes für Notizen / Eintragungen außerhalb des Fragebogens.

Jeder Spielplatz musste im Monat August 2010 zweimal aufgesucht werden und zwar einmal noch in der Ferienzeit (33 KW) und einmal in der Schulzeit (34 oder 35 KW), die Uhrzeit der Begehung sollte zwischen 16-19 Uhr liegen, am Wochenende war eine Begehung auch früher möglich, jeder Beobachtungszeitraum sollte nicht kürzer als eine halbe Stunde sein, eine Begehung bei Regenwetter war nicht zulässig.

Der gewählte Beobachtungszeitraum 16 ­ 19 Uhr ist auf die zunehmend längere Verweildauer von Kindern in öffentlichen Einrichtungen zurückzuführen. Sofern öffentliche Kinderspielplätze nicht auch von Kindergruppen, insbesondere von Tagesgroßpflegestellen etc., die über keine eigenen Freiflächen verfügen, aufgesucht werden, wird sich zukünftig der Nutzungszeitraum auf den späten Nachmittag und die Wochenenden konzentrieren.

Nach Abschluss der ersten Begehungsphase ist gemeinsam mit dem Fachbereich Naturschutz und Grünflächen ein erstes Auswertungsgespräch durchgeführt worden. Dabei wurde festgelegt, dass eine erneute Beobachtung aller 27 Spielplätze nicht notwendig erschien, da die beiden bereits vorgenommenen ein ähnliches Bild ergeben hatten.

Ein vertieftes Vorgehen, das heißt eine weitere Begehung, wurde deshalb nur für fünf ausgesuchte Spielplätze beschlossen, die aufgrund ihrer Größe, Ausstattung und Lage eine besondere Bedeutung haben. Dies sind die Anlagen: 07 Viktoriapark, 09 Chamissoplatz, 14 Lohmühlenstraße, 21 Comeniusplatz, 24 Traveplatz.

Im Ergebnis ist zu den Untersuchungszeiten grundsätzlich anzumerken, dass in den Beobachtungen in Bezug auf Ferien- bzw. Schulzeit kaum Unterschiede festgestellt werden konnten. Vielmehr spielen die ungewöhnlich schlechten Wetterverhältnisse des August 2010 eine ausschlaggebende Rolle, die sich z. T. in einer (sehr) geringen Frequentierung der Spielplätze und damit in ungünstigen Voraussetzungen für eine teilnehmende Beobachtung niedergeschlagen haben. Aber auch die Nutzung von Wasserspielmöglichkeiten ist aufgrund der Wetterverhältnisse nur sehr eingeschränkt aussagefähig. Es handelt sich bei dieser Studie folglich um eine nicht repräsentative Momentaufnahme und somit auch keineswegs um eine wissenschaftliche Untersuchung.

Ergebnis der Bestandsaufnahme und der Begehungen im Anhang Jeder Spielplatz ist wie folgt in der Studie berücksichtigt worden:

1. Steckbrief für den Spielplatz hinsichtlich Größe, Lage, Erschließung etc. mit Lageplan

2. Fotodokumentation

3. Bewertungsmatrix für die „Genderbewertung" als Auswertung der Begehungen

4. Verbale Kurzbewertung jedes Spielplatzes

Auf dieser Basis ist ein Fazit gezogen worden, das in Empfehlungen für die weiteren Planung bzw. den Einsatz von Mitteln mündet.

Fazit:

Aufgrund der geringen Anzahl von Beobachtungen je Anlage (i. d. R. 2, bei wenigen 3) muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es sich um Momentaufnahmen handelt, aus denen nur bedingt allgemein gültige Rückschlüsse gezogen werden können. Insbesondere Aussagen zu einzelnen Spielgeräten, zu deren Nutzungsintensität und zu ggf. geschlechterspezifischer Nutzung.

Es konnte festgestellt werden, dass es bei Kleinkindern kaum geschlechtsspezifische Unterschiede im Nutzerverhalten gibt. Kleine Mädchen sind etwa beim Klettern, Rutschen, Schaukeln genauso wagemutig wie kleine Jungen. Mädchen sind besonders häufig auf Schaukeln anzutreffen.

Seilbahnen erfreuten sich allgemein großer Beliebtheit, ebenso werden Trampoline und Schaukeln häufig genutzt. Federwipperäte sind hingegen wenig genutzt. Die Nutzung von Drehscheiben und Reckstangen war bei Beobachtung gering, ebenso bei den Tischtennisplatten.

Auf einigen Spielplätzen gibt es Geräte, die gut von mehreren Kindern gemeinsam aktiv genutzt werden können (z. B. Wackel-Schiff, Nr. 16). Diese Geräte werden in den Nachmittagsstunden mit Ausnahme breiter Rutschen kaum genutzt. Hier müsste in den Vormittagsstunden überprüft werden, ob die Anlagen von Kindergruppen aufgesucht werden, die dann die Geräte nutzen.

Die allgemeine Nutzung von Freiflächen auf den Spielplätzen ist stark abhängig von der Bodenbeschaffenheit und Lage. Stark besonnte Flächen wurden weniger genutzt ebenso wie Flächen in Randlage. Wurden die Flächen ausdifferenziert gestaltet (z.B. unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten, Bäume als Schattenspender, Steine) war eher eine Nutzung zu verzeichnen.

Bolzplätze und Halfpipes sind eine Domäne von Jungen über sechs Jahren und männlichen Jugendlichen und stellen für sie ein wichtiges Bewegungsangebot dar. Tendenziell können sie die Nutzung des Angebotes der Kinderspielplätze dominieren, wenn die Bolzplätze / Halfpipes in unmittelbarer Nachbarschaft zu anderen Spielangeboten liegen und die Anlagen (zu) klein oder schlecht ausgestattet sind.

In der Tendenz ist ablesbar, dass bei schlechterem Wetter eher Jungen auf den Spielplätzen anzutreffen sind.

In der Genderberichterstattung geht der Fachbereich Naturschutz und Grünflächen in seiner Schätzung von einer ausgewogenen Nutzung der Spielanlagen ­ mit Ausnahme der Bolzplätze ­ durch Mädchen und Jungen aus. Bei gut besuchten und vor allem größeren Anlagen kann die Einschätzung voll bestätigt werden. Bei kleineren Anlagen ist eher nur ein Geschlecht vertreten, wobei dann die Jungen mehr Spielplätze dominieren als die Mädchen.

An Wochenenden wurden die aufgesuchten Kinderspielplätze (insgesamt 11) meist weniger frequentiert als an den Wochentagen (Montag ­ Freitag). An Samstagen und Sonntagen waren Männer häufiger als Begleitpersonen anzutreffen.

Einige wenige Anlagen werden von ethnischen Gruppen stärker aufgesucht als von Kindern ohne Migrationshintergrund.