Vollstreckungsaußendienstes

Der Innendienst hatte regelmäßig darauf verzichtet, vor Beauftragung des Vollstreckungsaußendienstes die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Schuldner zu überprüfen, um so zeitnah Kenntnis von geeigneten Vollstreckungsmöglichkeiten zu erlangen. So hatten die Dienstkräfte des Innendienstes in den wenigsten Fällen von den ihnen zur Verfügung stehenden Abfragemöglichkeiten Gebrauch gemacht, um in Erfahrung zu bringen, ob der Schuldner über pfändbares Einkommen (z. B. Arbeitslohn) oder Vermögen (z. B. Bankguthaben, Kraftfahrzeuge) verfügt. Auch sachdienliche Erkenntnisse der Prüfungsdienste wurden in den wenigsten Fällen genutzt. Dadurch bedingte Forderungsausfälle sind nicht auszuschließen, wie ein Beispiel deutlich macht: So hatte der Vollstreckungsaußendienst einen Schuldner steuer- und nicht steuerlicher Geldforderungen von insgesamt 11 500 zunächst zweimal vergeblich aufgesucht und sodann auf eine Türöffnung und die sich daran anschließende Sachpfändung verzichtet. Er hätte wahrscheinlich anders entschieden, wenn er Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Prüfungsdienst in seinem kurz zuvor gefertigten Prüfungsbericht Lage und Ausstattung der Wohnung des Schuldners ausdrücklich als „gehoben" beschrieben hatte.

Zu T 203: Zur Vorbereitung der Vollstreckung kann das Finanzamt gemäß § 249 Abs. 2 Abgabenordnung die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln.

Eine regelmäßige Überprüfung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse durch den Innendienst vor Beauftragung des Vollstreckungsaußendienstes ist im AHE-Verfahren nicht vorgesehen, da erfahrungsgemäß die Mehrheit der AHE-Schuldner im ersuchten Finanzamt nicht steuerlich geführt wird. Wird der AHE-Schuldner nicht steuerlich geführt, so liegen auch keine verwertbaren Erkenntnisse über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse vor.

Die Intensität von Ermittlungen im Vollstreckungsverfahren ist auch von der Rückstandshöhe abhängig. Dies gilt insbesondere für die AHE-Beitreibung, ein Massenverfahren, bei dem überwiegend kleinere Rückstandsbeträge beigetrieben werden.

Wird der Schuldner im Finanzamt geführt und betragen die Rückstände mehr als 150 Euro bzw. handelt es sich um Bußgelder oder Kosten für Ersatzvornahmen und wurde die Erfolglosigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen nicht bereits festgestellt, ist Einsicht in die Akten der festsetzenden Stelle zu nehmen.

Die Beauftragung des Vollstreckungsaußendienstes stellt aus hiesiger Sicht insbesondere dann, wenn keine anderen Erkenntnisse vorliegen, die richtige erste Maßnahme dar und ist anderen zeitaufwendigen Ermittlungstätigkeiten vorzuziehen. Soweit notwendig, können weitere Ermittlungen nach Rückgabe eines nicht vollständig erledigten Vollstreckungsauftrags vom Innendienst vorgenommen werden.

Seit August 1999 sind nicht steuerliche AHE ersuchender Stellen in Berlin zwölf Monate zu Verrechnungszwecken vorzuhalten, wenn der Schuldner in dem Finanzamt steuerlich geführt wird, keine erheblichen Steuerrückstände bestehen und mit einer Steuererstattung zu rechnen ist. Die damalige Oberfinanzdirektion Berlin schätzte, dass ungefähr 20 bis 25 v. H. aller AHE für Verrechnungszwecke vorzuhalten wären. Tatsächlich wurde zum 31. Dezember 2009 - wie auch in den vorangegangenen Jahren - diese Quote in den meisten Berliner Finanzämtern deutlich unterschritten. In zwölf Finanzämtern - so auch in den geprüften Finanzämtern - lag sie zum 31. Dezember 2009 sogar unter 1 v. H. In einigen Fällen haben die beiden geprüften Finanzämter in dem Zeitraum von zwölf Monaten Steuern an Steuerpflichtige erstattet, gegen die das Land Berlin zur gleichen Zeit Forderungen hatte. Es ist für den Rechnungshof nicht nachvollziehbar, warum die Sachgebietsleitungen der betroffenen Finanzämter nicht ihre Fachaufsicht wahrgenommen sowie die zuständigen Dienstkräfte zur Umsetzung der Dienstanweisungen angehalten haben. Gleichermaßen ist es unverständlich, warum die Senatsverwaltung für Finanzen - in Kenntnis des Problems - nicht ihrerseits sichergestellt hat, dass die Finanzämter von der Möglichkeit, AHE für Verrechnungszwecke vorzuhalten, in gebotenem Umfang Gebrauch machen.

Zu T 204: Die Finanzämter sind zu diesem Punkt gesondert angeschrieben und auf die Einhaltung der Anweisungen über das Parken von AHE zu Verrechnungszwecken hingewiesen worden. Die weitere Entwicklung dieser Fälle wird beobachtet und im Rahmen der Auswertung der Zielvereinbarungen für 2011 einer Bewertung unterzogen.

Neben den von den Finanzämtern zu verantwortenden Defiziten hat der Rechnungshof aber auch Versäumnisse und Organisationsmängel bei den ersuchenden Stellen festgestellt. Die ersuchten Finanzämter mussten bei einigen AHE zunächst Ermittlungen durchführen, um den Schuldner eindeutig zu identifizieren. So waren der Name und die Anschrift nicht immer korrekt geschrieben oder es fehlte das Geburtsdatum. Außerdem ließen sich Aufwendungen allein dadurch vermeiden, wenn die ersuchenden Behörden nach einer ersten insgesamt erfolglosen Beitreibung durch das Finanzamt darauf verzichten würden, ihm zeitnah wegen derselben Forderung erneut ein AHE zu übersenden.

Wie in der Vergangenheit war auch im Jahr 2009 Absender etwa der Hälfte aller eingehenden AHE der Polizeipräsident in Berlin (PolPräs). Rund 45 v. H. der Schuldner des PolPräs verursachten dabei durchschnittlich fünf AHE jährlich. Obwohl der PolPräs eigenen Bekundungen nach seit mehreren Jahren einen separaten Arbeitsbereich eingerichtet hat, in dem rechtskräftige und vollstreckbare Forderungen gegen bekannte Mehrfachbetroffene in einem Sammel-AHE manuell zusammengeführt und den Finanzämtern übersandt werden, sind im Jahr 2009 bei den geprüften Finanzämtern insgesamt nur 16 Sammel-AHE eingegangen. In allen anderen Fällen wurde für jeden einzelnen Vorgang je ein AHE versandt. Zwar mag es dem PolPräs auch bei entsprechender IT-Unterstützung aufgrund des Zeitablaufs nicht möglich sein, alle AHE für einen Schuldner zu einem Sammel-AHE zusammenzuführen. Ausgehend von den zwei geprüften Finanzämtern würde jedoch berlinweit für mehr als ein Drittel dieser Fälle die Fertigung eines Sammel-AHE infrage kommen, da insoweit innerhalb von nur drei Monaten mehr als nur ein AHE vorgelegen hat. Hochgerechnet würden auf Grundlage der für 2009 maßgeblichen Fallzahlen jährlich 47 000 Einzel-AHE entfallen, sodass sich allein bei den Finanzämtern ein jährliches Einsparpotenzial von bis zu 2 Mio. ergibt.

Zu T 205: Die Aussagen des Rechnungshofs hinsichtlich der Qualität der übersandten AHE seitens der ersuchenden Stellen werden geteilt.

Wie das im Jahresbericht erwähnte Beispiel des Polizeipräsidenten in Berlin (PolPräs) zeigt, kann eine Optimierung des dem Vollstreckungsverfahren vorgelagerten Mahnverfahrens durch die ersuchenden Stellen offenkundig zu einer erheblichen Reduzierung der Zahl der AHE führen.

Die Einführung von Sammel-AHE in geeigneten Fällen kann zu einer weiteren Reduzierung der AHE beitragen. Die dazu erforderlichen Maßnahmen liegen in der Sphäre der ersuchenden Stellen. Entsprechende Gespräche mit dem PolPräs sind terminiert.

Zum 1. Januar 2008 hat Berlin die steuerlichen IT-Verfahren des EOSS-Verbundes übernommen. Diese enthalten kein Modul zur AHE-Bearbeitung. Die Senatsverwaltung für Finanzen setzt deshalb das bisherige AHE-Programm weiter ein. Allein durch Zeitablauf seit seiner Einführung vor mehr als 15 Jahren ist dieses Verfahren aus heutiger Sicht von erheblichen Unzulänglichkeiten geprägt. So bietet es einige Schlüssigkeitsprüfungen und Suchroutinen nicht an, die heute bei Standard-Datenbankanwendungen selbstverständlich sind. Das Programm ist außerdem nicht imstande, zusätzliche Angaben der ersuchenden Stelle zur Anschrift des Schuldners (zur Etage oder Hausnummer) korrekt zu speichern. Abfragen, beispielsweise zur steuerlichen Führung des Schuldners, sind aus dem Programm heraus nicht ohne Weiteres möglich. Ebenso fehlen IT-unterstützte Hinweise auf die Bearbeitung vorangegangener AHE desselben Schuldners. Eine Aktualisierung der eingesetzten Software ist vor diesem Hintergrund unumgänglich. Im Hinblick auf mögliche Synergieeffekte sollte die Senatsverwaltung für Finanzen dabei prüfen, inwieweit auf die Erfahrungen anderer Bundesländer zurückgegriffen werden kann, in denen den Finanzämtern ebenfalls die Vollstreckung bestimmter öffentlich-rechtlicher, nicht steuerlicher Forderungen obliegt. Gegebenfalls ist sogar eine Integration der AHE-Bearbeitung in die IT-Verfahren des EOSS-Verbundes realisierbar.

Zu T 206: Die Einführung der steuerlichen Verfahren des EOSS-Verbundes zum 01.01.2008 brachte keine Veränderung hinsichtlich der IT-Unterstützung der AHE-Bearbeitung mit sich, da die Bearbeitung von AHE in den anderen Bundesländern aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen und Organisationsformen zumeist nicht in den Händen der Finanzämter liegt. Soweit in einzelnen Ländern eine Zuständigkeit der Finanzämter gegeben ist, sind die dortigen Fallzahlen zumeist verhältnis118

mäßig gering. Eine vergleichbare Automationsunterstützung ist in keinem Bundesland gegeben.

Die Möglichkeiten der Verbesserung des bestehenden Systems wurden deshalb in der Vergangenheit weitgehend fortlaufend genutzt. Mit weiteren Maßnahmen zur kontinuierlichen Programmpflege und -verbesserung ist das Technische Finanzamt Berlin beauftragt.

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat die Feststellungen des Rechnungshofs grundsätzlich anerkannt. Sie hat angekündigt, allen Dienstkräften die bestehenden Regelungen nochmals zu vergegenwärtigen und, soweit notwendig, die bestehenden Weisungen zu ergänzen. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die zeitnahe Erfassung eingehender AHE bereits Gegenstand einer Zielvereinbarung ist, die Entwicklung werde fortlaufend beobachtet. Die Senatsverwaltung hat schließlich eingeräumt, dass eine schuldnerorientierte Bearbeitung im Sinne einer elektronischen Schuldnerakte mit der derzeitigen IT-Unterstützung nicht möglich sei. Eine Anpassung des AHE-Programms bzw. die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern würde geprüft. Nach Einschätzung der Senatsverwaltung sei hierzu jedoch nicht mit einer kurzfristigen Lösung zu rechnen.

Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport befürwortet grundsätzlich die Einführung von Sammel-AHE. Die Einführung eines solchen Verfahrens kann aber ihrer Ansicht nach wegen der schon bestehenden hohen Belastung nur aufwandsarm mittels entsprechender IT-Unterstützung erfolgen. Der PolPräs hat daher das IT-Dienstleistungszentrum Berlin gebeten, für die Schaffung einer IT-Lösung eine Prognose und Kosteneinschätzung abzugeben. Er weist des Weiteren darauf hin, dass er seit dem 1. Januar 2010 ein mehrstufiges Mahnwesen eingeführt habe, wodurch sich die Zahl der den Finanzämtern im Jahr 2010 übersandten AHE im Vergleich zum Vorjahr um 30 v. H. verringert habe.

Der Rechnungshof beanstandet zusammenfassend, dass die Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen durch die Finanzämter auch über zehn Jahre nach seiner letzten Prüfung immer noch erhebliche Verfahrensmängel aufweist, die zu beträchtlichen finanziellen Nachteilen Berlins führen.

Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung für Finanzen

· die für eine Verbesserung der IT-Unterstützung erforderlichen Maßnahmen ergreift und die technischen Voraussetzungen für eine effektive Bearbeitung schafft sowie

· kurzfristig mit dem Polizeipräsidenten in Berlin darauf hinwirkt, den mit der Bearbeitung von Amtshilfeersuchen von Mehrfachschuldnern einhergehenden Aufwand auf ein Mindestmaß zurückzuführen.

Darüber hinaus erwartet der Rechnungshof, dass die Finanzämter

· der zeitnahen Ersterfassung der eingehenden Amtshilfeersuchen Priorität einräumen,

· deren Bearbeitung durch den Innendienst verbessern und

· im Falle einer zunächst erfolglosen Vollstreckung in gebotenem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Amtshilfeersuchen für Verrechnungszwecke vorzuhalten.

3. Unangemessen hohe Zahlungen an eine landeseigene Gesellschaft aufgrund einer vorzeitigen Abrechnung von Garantieansprüchen aus der Risikoabschirmung

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat eine verfrühte Schlussbewertung der Buchwertgarantie verlangt, die zu überhöhten Zahlungen an die BIH Berliner Immobilien Holding GmbH geführt hat.

Dadurch kann dem Land Berlin ein erheblicher finanzieller Nachteil entstehen.

Auf der Grundlage des Gesetzes über die Ermächtigung des Senats zur Übernahme einer Landesgarantie für Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft der Bankgesellschaft Berlin AG und einiger ihrer Tochtergesellschaften (Risikoabschirmungsgesetz) hatte das Land Berlin mit den abzuschirmenden Gesellschaften am 16. April 2002 eine Detailvereinbarung abgeschlossen. In Befolgung einer Auflage der EU-Kommission erwarb das Land Berlin die BIH Berliner Immobilien Holding GmbH (BIH) mit Wirkung zum 1. Juli 2006 von der Bankgesellschaft Berlin AG. In der BIH waren die vom Land zu übernehmenden risikoabgeschirmten Gesellschaften zusammengefasst.

Eine der von der Risikoabschirmung erfassten Garantien ist die sog. Buchwertgarantie. Sie garantiert die Werthaltigkeit bestimmter Bilanzpositionen der abgeschirmten Gesellschaften. Aus der Buchwertgarantie entstandene Ansprüche werden jährlich abgerechnet und in einem Verrechnungskonto geführt.