Aus heutiger Sicht kann die Salzproblematik an Werra und Weser nur unter Einbeziehung der Vergangenheit betrachtet werden

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Rückblick

Die Produktion von Kalidüngern wurde zu Beginn des letzten Jahrhunderts stark industrialisiert. Bereits 1911 wurde die zu hohe Salzkonzentration in der Weser von den Bremern bemängelt. Sie gewannen Trinkwasser aus der Weser und konnten dieses wegen des hohen Salzgehaltes nicht genießen. 1913 wurde das erste Mal die Kali-Abwasserkommission einberufen, die länderübergreifend durch Abschluss eines Staatsvertrages die Einleitung von Chlorid beschränkte. Dies geschah in der Folgezeit noch häufiger mit ansteigenden Grenzwerten, immer mit dem Ziel, die 500 Kilometer weit unterhalb liegende Trinkwasserversorgung von Bremen sicher zu stellen. Die Belastung von Werra und Weser hatte ihren Höhepunkt in den 1970er/80er Jahren. In dieser Zeit stiegen die Konzentrationen in der Werra zeitweilig auf über 20.000 Milligramm Chlorid pro Liter, was der Aufgabe der Versenktätigkeit in der ehemaligen DDR geschuldet war (Abb. 2.1.2).

Abb.: 2.1.2 Jahresgänge der Chloridkonzentrationen von 1988,1998 und 2004 in Gerstungen/Werra [mg/l]

Die sehr abwasserintensiven Produktionsverfahren wurden in Hessen bereits in den 1980er Jahren teilweise auf eine trockene Variante (ESTA-Verfahren) umgestellt. Dadurch konnte der Abwasseranfall erheblich reduziert werden. Dennoch fallen pro Jahr ca. 14 Millionen Kubikmeter Salzabwässer an, die zu ca. 50 % abflussabhängig in die Werra geleitet werden und zu ca. 50 % in den tief liegenden Grundwasserleiter im Plattendolomit versenkt werden. Mit der Umstellung auf das ESTA-Verfahren sind Rückstandshalden in Heringen und Philippsthal (Werra-Einzugsgebiet, insgesamt 280 Millionen Tonnen) sowie in Neuhof (Fulda-Einzugsgebiet, 96 Millionen Tonnen) entstanden. Nach der Wiedervereinigung von Deutschland wurden zwei thüringische Standorte aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen und die Produktions- und Entsorgungstechnik des verbleibenden Standortes Unterbreitzbach mit einem Millionen-Förderprogramm von Bund und Ländern modernisiert. Damit konnten die Chloridkonzentrationen in der Werra um ca. 90 % verringert werden. Durch die Errichtung einer abflussabhängigen Salzlaststeuerung in der Werra für alle drei Standorte werden seit Mai 1999 am Pegel Gerstungen für Chlorid 2.500 Milligramm pro Liter und für die Gesamthärte 90° deutscher Härte als Immissionsgrenzwerte eingehalten. Die diffusen Einträge in die Werra oberhalb von Gerstungen sind durch Aufstiege von Gesteinswasser aus dem Plattendolomit mit Anteilen von versenktem Salzabwasser bedingt. Sie treten bereits seit 1928, dem Beginn der Versenktätigkeit auf und sind infolge stark reduzierter Versenkmengen seit den 1980er Jahren erheblich zurückgegangen.

Aus heutiger Sicht kann die Salzproblematik an Werra und Weser nur unter Einbeziehung der Vergangenheit betrachtet werden. Denn im Laufe der Jahrzehnte sind riesige Abraumhalden und diffuse Quellen entstanden, die heute und auch zukünftig zwangsläufig zu einer Belastung führen werden.

Flussgebietseinheit Weser 5

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Einschätzung

Die hohen Konzentrationen der Salzionen (Chlorid, Magnesium und Kalium) sowie deren Einflusslänge machen die Bedeutung dieser Belastung für Werra und Weser aus. Hierdurch wird entlang von Werra und Weser in stromabwärts nachlassender Intensität die Gewässerflora und ­fauna erheblich beeinträchtigt. Die Oberflächenwasserkörper in der mittleren und unteren Werra erreichen aufgrund der Salzbelastung heute nicht den guten Zustand. Die Orientierungswerte für Chlorid werden zeitweise erst 500 Kilometer weiter unterhalb in der Weser bei Bremen erreicht. Daher sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Verbesserung der Qualität der betroffenen Wasserkörper führen.

Zuvor ist die vorhandene Analyse des Systems mit all seinen Einflussfaktoren und Randbedingungen zu vervollständigen. Es besteht eine Grundbelastung, die sich aus den diffusen Einträgen, die durch jahrzehntelange Versenktätigkeit entstanden sind, sowie aus der natürlichen Hintergrundbelastung zusammensetzt. Diese Grundbelastung ist derzeit und voraussichtlich auch zukünftig nicht steuerbar.

Zusätzlich fallen Produktionsrückstände in flüssiger und fester Form an, die über verschiedene Pfade entsorgt werden, sowie Halden- und Betriebsabwasser. Feste Rückstände werden an den hessischen Standorten aufgehaldet, am thüringischen Standort aufgrund der abweichenden Salzzusammensetzung und dem damit anderen Aufbereitungsverfahren in den vorhandenen Hohlräumen unter Tage verbracht. Flüssige Rückstände werden zur Vergleichmäßigung bzw. um zu hohe Konzentrationen in der Werra zu vermeiden über Speicherbecken in die Werra eingeleitet und in den Untergrund versenkt. Eine aufwändige Steuerung der drei Standorte des Werkes Werra besitzt zurzeit das Ziel, den Betriebsablauf so zu steuern, dass ein Grenzwert im Gewässer, an der unterhalb liegenden Messstelle Gerstungen, von 2.500 Milligramm Chlorid pro Liter und 90° immer eingehalten wird.

Nach heutigen Erkenntnissen liegt die Summe der vorhandenen diffusen Einträge im hessischthüringischen Kaligebiet bei ca. 17 Kilogramm Chlorid pro Sekunde. Diese Belastung führt bei der durchschnittlichen Wasserführung der Werra (Mittlerer Abfluss (MQ) ist 30 Kubikmeter pro Sekunde) bei Gerstungen zu mittleren Konzentrationen von etwa 570 Milligramm Chlorid pro Liter.

Wegen der jahreszeitlich schwankenden Abflüsse kommt es in der Werra bei Gerstungen bei mittlerem Hochwasser (MHQ, entspricht 182 Kubikmeter pro Sekunde) bzw. mittlerem Niedrigwasser (MNQ, entspricht 7,7 Kubikmeter pro Sekunde) allein durch die Grundbelastung zu Konzentrationen von 60 bis 2.220 Milligramm Chlorid pro Liter. Hieraus wird deutlich, wie hoch die Belastung bei einem sofortigen Stopp der heutigen Kaliproduktion noch wäre. Im Jahr 2005/06 hat die hessische Wasserwirtschaftsverwaltung ein Pilotprojekt durchgeführt, in dem verschiedene Möglichkeiten für eine weitere Reduzierung der Salzeinleitungen aus dem Kaliwerk Werra untersucht wurden. Inzwischen besteht seit dem Jahre 2007 in dem Werk Neuhof an der Fulda ein Engpass bei der Versenkung von Haldenniederschlagswasser. Die je nach Witterungsverhältnissen unregelmäßig anfallende Wassermenge soll zukünftig aus Grundwasserschutzgründen nicht mehr in den Untergrund versenkt werden. Daher sind alternative Entsorgungspfade zu prüfen. Im Juli 2007 wurde ein Antrag für den Bau einer Pipeline zum Standort Hattorf an der Werra gestellt, um diese Abwassermenge dort teilweise als Betriebswasser einzusetzen und über die Salzlaststeuerung in die Werra einzuleiten.

Zukünftig wird es darum gehen, alle Möglichkeiten zu untersuchen, die eine weitere Senkung der Salzbelastung in Werra und Weser möglich machen könnten und anschließend die Maßnahmen umzusetzen, die nach den Kriterien der Kosteneffizienz und der Verhältnismäßigkeit am wirkungsvollsten erscheinen.

Darüber hinaus sind bereits heute weitere Anstrengungen zur Entlastung kleinerer Nebengewässer im Kalibergbaurevier vorgesehen. So ist geplant durch Verlegung der Einleitungsstelle, bis 2007 die Ulster von Salzabwasser zu entlasten und bis 2012 deren Einleitung dort ganz zu vermeiden.

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Belastung der Gewässer durch anthropogene Nährstoffeinträge

Einführung

Die für den Gewässerschutz relevanten Pflanzennährstoffe sind Phosphor in Form von anorganischen und organischen Phosphorverbindungen sowie Stickstoff in Form von Ammonium und Nitrat.

Durch anthropogene Nährstoffanreicherung (Eutrophierung) kommt es im Gewässer zu einer unnatürlichen Vermehrung des Phytoplanktons. In langsam fließenden Abschnitten und vor Staustufen sowie in Küstengewässern kann es zu Massenentwicklungen von Algen (Abb. 2.2.1) kommen. Zusätzlich können extrem erhöhte Kaliumkonzentrationen wie z. B. in der Werra zu erhöhter Eutrophierung führen. Der augenfälligste Effekt ist eine Eintrübung des Wassers. Weitere negative ökologische Folgen ergeben sich daraus, dass es tagsüber infolge der Photosyntheseaktivität der Algen zu starken Sauerstoffübersättigungen und in der Nacht durch Veratmung zu Sauerstoffdefiziten kommen kann. Nach dem Absterben sinken die Algen auf den Grund und werden in Sauerstoff zehrenden Prozessen abgebaut. Erhöhte Nährstoffeinträge haben weiterhin zur Folge, dass die Sedimente im Flussbett mit Algen überwachsen werden können und somit die Lebensraumqualität für die Wirbellosen (Makrozoobenthos) und den Laich vieler strömungsliebender Flussfische einschränkt.

Abb. 2.2.1: Kieselalgen

Die Nährstoffkonzentrationen in der Nordsee unterliegen einem ausgeprägten jahreszeitlichen Gang.

Die höchsten Konzentrationen treten zum Ende des Winters auf, wenn der Verbrauch durch das Plankton aufgrund Lichtmangels und niedriger Temperaturen minimal und die Freisetzung von Mineralien aus abgestorbener Biomasse (z.B. Algen) des vorausgegangenen Sommers fortgeschritten ist.

Neben diesen indirekten Wirkungen des Stickstoff- und Phosphoreintrags sind im Bereich der Fließgewässer und Seen zusätzlich toxische Wirkungen anorganischer Stickstoffverbindungen wie Ammoniak und Nitrit grundsätzlich möglich (direkte Wirkungen). Nitrit ist bereits in geringen Konzentrationen stark fischgiftig. Ammonium selbst ist ungiftig, kann aber bei ungünstigen Bedingungen wie z. B. hohem zu Ammoniak umgewandelt werden.

Der anthropogene Eintrag von Nährstoffen ins Grundwasser wirkt sich nachteilig auf die Qualität des Grundwassers, insbesondere im Hinblick auf die Trinkwasserversorgung aus. So fordert die Grundwasserrichtlinie (2006/118/EG) die Einhaltung von Schwellenwerten, um eine Verschlechterung der Wasserqualität zu verhindern und so den für die Trinkwassergewinnung erforderlichen Aufwand der Aufbereitung zu verringern. Für Nitrate und Pflanzenschutzmittel legt die Grundwasserrichtlinie Qualitätsnormen fest.