Anfechtungsberechtigte Behörden

Anfechtungsberechtigte Behörden im Sinne von § 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind die Bezirksämter. Die Wahrnehmung der Aufgabe ist organisatorisch von der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch abzugrenzen.

(2) Die örtliche Zuständigkeit richtet Sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, für das die V(3) In den Fällen, in denen das Land Berlin vor Erlass dieser Rechtsverordnung bereits Anfechtungsverfahren eingeleitet hat, ist zuständige Behörde nach Absatz 1 das Bezirksamt, das in dem jeweiligen Verfahren das Land Berlin vertreten hat.

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für BerHn in Kraft.

Durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBI. I S.313) ist in § 1600 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Kreis der zur Vaterschaftsanfechtung Berechtigten in Fällen, in denen ein Mann die Vaterschaft missbräuchlich anerkannt hat, um eine "anfechtungsberechtigte Behörde" erweitert worden. Die behördliche Vaterschaftsanfechtung setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt de~ Kindes oder eines ElternteHes geschaffen werden.

In § 1600 Absatz 6 Satz 1 BGB werden die Landesregierungen ermächtigt, die anfechtungsberechtigten Behörden durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass in Berlin gemäß §5 Absatz 2in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Satz 2 und § 3 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes (AZG) sowie in Verbindung mit § 36 Absatz 1 Satz 1 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) die Bezirksämter zur "anfechtungsberechtigten Behörde" bestimmt sind, ohne dass es einer weiteren Regelung durch Rechtsverordnung bedurft hätte. Die Rechtslage unters.cheidet sich nicht von derjenigen im Parallelfall der zum 1. Juli 1998 eingeführten Antragsberechtigung einer "zuständigen Verwaltungsbehörde" zur Aufhebung von Ehen gemäß § 1316 Absatz 1 Nummer 1 BGB. In beiden Fällen ergibt sich die Zuständigkeit der Bezirke aus § 5 Absatz 2 AZG, wonach in Fällen, in denen der Berliner Verwaltung durch Bundesrecht neue Aufgaben zugewiesen werden, § 4 AZG Anwendung findet, der in Verbindung mit § 3 AZG alle Verwaltungsaufgaben mit Ausnahme derjenigen den Bezirken zuweist, die von gesamtstädtischer Bedeutung sind. Die Aufgabe, gegebenenfalls für die Anfechtung einer auf missbräuchlicher Anerkennung beruhenden Vaterschaft zusorgen, ist nicht von gesamtstädtischer Bedeutung. Es liegt insbesondere kein Fall des § 3 Absatz 1 Nummer 3 AZG vor. Die Aufgabe der Anfechtung von Scheinvaterschaften bedarf wegen ihrer Eigenart nicht zwingend der Durchführung in unmittelbarer Regierungsverantwortung.

Die Zuweisung von Aufgaben durch dasAllgemeine Zuständigkeitsgesetz auf die Ebene der Bezirke erfolgt nie als "leere Hülse", sondern stets verbunden mit der Zuweisung der zu der Aufgabe gehörenden Rechte. Nach Auffassung des Senats steht den Bezirksämtern als den Verwaltungsbehörden nach § 36 Absatz 1 Satz 1 BezVG bereits jetzt das materielle Recht zu, Scheinvaterschaften im Sinne von § 1600 Absatz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 BGB anzufechten.

Am 25. Mai 2010 hat das Kammergericht als Berufungsinstanz entschieden (Aktz.: 3 UF 123/09), dass es bislang mangels Zuweisung des Anfechtungsrechts durch Rechtsverordnung im Land Berlin keineanfechtungsberechtigte Behörde gibt. Zwar bestimme das AZG, wer innerhalb des Landes Berlin die Aufgaben der Verwaltung wahrnimmt und räumt den Behörden insoweit Kompetenzen ein. Es enthalte aber keiSeite 2 von 5 ne Regelung darüber, wem materielle Rechte - wie das Anfechtungsrecht - zugewiesen sind. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Kammergericht die Revision zugelassen.

Das Land Berlin hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Das Gericht wird insbesondere das Verhältnis der öffentlich-rechtlichen Normen des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes und des Bezirksverwaltungsgesetzes zu Rechtsverordnungsermächtigungen des Zivilrechts für die Landesregierung zu klären haben. Dabei wird auch Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes zu berücksichtigen sein. Danach sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt, soweit sie durch Bundesgesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen.

Da der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof offen und auch nicht mit einer kurzfristigen Entscheidung zu rechnen ist, bedarf es für Berlin einer schnellen, Rechtsklarheit schaffenden Lösung. Diese besteht einzig in dem Erlass der Rechtsverordnung nach § 1600 Absatz 6 Satz 1 BGB.

b) Einzelbegründung:

1. Zu § 1 Absatz 1:

Die Bezirksämter als die Verwaltungsbehörden derBezirke werden durch Satz 1 zu den anfechtungsberechtigten Behörden bestimmt und erhalten damit die Befugnis, selbst eine Vaterschaft gemäß § 1600 Absatz 1 Nummer 5 BGB anzufechten und einen entsprechenden Antrag nach § 171 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) beim zuständigen Amtsgericht -Familiengericht- einzureichen.

Jeder Bezirk erhält im Rahmen seiner Organisationshoheit die Möglichkeit, das aus seiner Sicht geeignete Amt mit der Aufgabe zu betrauen. Gleichzeitig ist durch Satz 2 ausgeschlossen, dass die Aufgabe der Vaterschaftsanfechtunginnerhalb des Bezirksamtes den Jugendämtern zugewiesen wird. Konfliktsituationen inden Jugendämtern mit den dort bereits angesiedelten AUfgaben der Beratung und Beistandschaft werden durch diese Aufgabenabgrenzung vermieden.

2. Zu § 1 Absatz 2:

Die Regelung zur örtlichen Zuständigkeit orientiert sich § 170 FamFG entsprechend zuvorderst am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Ist dieser Aufenthalt nicht in Berlin, ist der Vorgang an die zuständige Behörde des Bundeslandes abzugeben, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wird hilfsweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt des anerkennenden Vaters abgestellt. Für den Fall, dass weder Kind nochvater einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, greift die Auffangregelung des § 1600 Absatz 6 Satz 3 BGB.

Danach wäre das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg zuständige anfechtungsberechtigte Behörde, sofern über § 170 Absatz 3 FamFG das Amtsgericht Schöneberg zuständig ist (sog. Auslandsfälle).

Aus Gründen der einfachen und zweckmäßigen Durchführung von bereits eingeleiteten gerichtlichen Verfahren seitens derVerwaltung sieht Satz 2 vor, dass ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes oder des Vaters nicht dazu führt, dass die Aktivlegitimation und Zuständigkeit für die behördliche Vaterschaftsanfechtungauf einen anderen Bezirk übergehen. Das Bezirksamt, das das Anfechtungsverfahren eingeleitet hat, bleibt zuständig.

3. Zu §1 Absatz 3:

In den vor Inkrafttreten dieser Verordnung eingeleiteten Anfechtungsverfahren ist das Land Berlin, jeweils vertreten durch ein Bezirksamt, als Kläger bzw. Antragsteller aufgetreten. Absatz 3 regelt für diese Fälle als lex specialis zu Absatz 2, dass Seite 3 von5