Ziel der Dienstleistungsrichtlinie ist es Schranken für Dienstleister abzubauen
A. Begründung
a) Allgemeines:
Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt enthält verbindliche Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten. Es wird die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung grundsätzlich aller für die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit geltenden Verfahren und Formalitäten auf allen Ebenen gefordert.
Ziel der Dienstleistungsrichtlinie ist es, Schranken für Dienstleister abzubauen. Es sollen Verfahren und Formalitäten vereinfacht und die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit erleichtert werden. Dies betrifft sowohl Fälle, in denen sich ein Dienstleister in einem anderen Mitgliedsstaat niederlassen will, als auch solche, in denen er nur vorübergehend Dienstleistungen in anderen Mitgliedsstaaten erbringen will.
Vorrang vor Verfahrenserleichterungen hat der Verzicht auf Zulassungsbeschränkungen.
Bestehen solche, sind sie auf ihre „Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses" hin zu prüfen. Die Überprüfung der Friedhofsordnung mit Hilfe eines normierten Prüfrasters hat ergeben, dass der in den §§ 5 und 6 der Friedhofsordnung geregelte Genehmigungsvorbehalt für Dienstleister auf Friedhöfen nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann.
Es hätte dem Gemeinschaftsrecht entsprochen, das Genehmigungserfordernis nur den in Deutschland niedergelassenen Dienstleistern aufzuerlegen (sogenannte „Inländerdiskriminierung"). Anbieter aus einem benachbarten Mitgliedsland hätten zeitlich unbegrenzt Dienstleistungen in Berlin erbringen können, ohne wie ihre ortsansässigen Mitbewerber auf die Zulassung durch eine Friedhofsverwaltung angewiesen zu sein, solange sie ihren Firmensitz / ihre Niederlassung ausschließlich im Ausland haben. Wegen der relativen Nähe zur polnischen Grenze und der deshalb zu befürchtenden Wettbewerbsverzerrung ist dieser Weg für Berlin nicht akzeptabel.
Stattdessen soll mit der vorliegenden Änderung der Genehmigungsvorbehalt für alle Anbieter gleichermaßen entfallen. Es verbleibt bei der zuvor schon vorhandenen Pflicht, gewerbliche Tätigkeiten auf dem Friedhof vor ihrem Beginn anzuzeigen. Dabei ist lediglich ein ausreichender Versicherungsschutz nachzuweisen, die Versicherung kann auch im Ausland abgeschlossen sein. Diese Anforderung dient
- dem Schutz der Dienstleistungsempfänger im weitesten Sinne, worunter neben den Nutzungsberechtigten der Grabstätten auch die öffentliche Hand in ihrer Eigenschaft als Verwalterin und Eigentümerin des Friedhofsgrundstücks zu verstehen ist,
- insbesondere auch dem Schutz Dritter vor dem besonderen Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit durch Fehlverhalten des Dienstleistungserbringers (Art. 23 DLR, Berufshaftpflichtversicherung),
- und der Wahrung der gesellschaftlichen Ordnung bezogen auf elementare Eigentümerrechte (Ausübung des Hausrechts), sie ist damit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.
b) Einzelbegründung
Zu Art. I Nr. 1:
Der § 5 richtet sich grundsätzlich an jedermann und nicht nur an Gewerbetreibende.
Von daher wurde in Absatz 3 die bisherige Nr. 2 gestrichen, diese Regelung befindet sich jetzt in § 6 Absatz 5. Des weiteren regelte der bisherige Absatz 3 Nr. 3 und der Satz 2 im Wege der Ausnahmegenehmigung auch das gewerbsmäßige Filmen. Dies ist mit dem Friedhofszweck grundsätzlich nur vereinbar, wenn auf Wunsch der Angehörigen (Nutzungsberechtigten) eine Bestattung dokumentiert werden soll. Das neu gefasste Verbot macht dies deutlich. Die Erweiterung auf das Fotografieren dient der Klarstellung und Gleichbehandlung. Professionelle Aufnahmen, die über den Rahmen einer privaten Gedenkfeier hinausgehen (z. B. Dreharbeiten), sind mit dem Friedhofszweck grundsätzlich nicht vereinbar und daher nicht Gegenstand von Regelungen zur gewerblichen Betätigung auf dem Friedhof. Von dem Verbot nicht betroffen sind Aufnahmen der Gewerbetreibenden zur Dokumentation ihrer Arbeiten, auch wenn diese im eigenen Geschäftsbetrieb weitere Verwendung finden. Eine Zugangsbeschränkung für Dienstleistungserbringer ist mit dem Verbot nicht gegeben, es richtet sich an jedermann und dient der Bewahrung der Würde des Friedhofes und der Totenruhe. Ferner wird in Absatz 3 mit der neuen Nr. 3 zur Klarstellung und Verdeutlichung der grundsätzlichen Verhaltensregeln auf dem Friedhof das Verbot für das Anbieten und den Verkauf von Dienstleistungen, das zuvor in § 6 Absatz 2 verankert war, aufgenommen.
Zu Art. I Nr. 2:
Der § 6 wird neu formuliert und enthält keine Genehmigungspflicht für die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit mehr. Unverändert bestehen bleibt das in § 29 der Friedhofsordnung geregelte Genehmigungserfordernis für das Errichten und Entfernen von Grabmalen. § 6 regelt jetzt im Detail das Anzeigeverfahren für die Aufnahme gewerblicher Tätigkeiten auf einem Friedhof. Die Vorlaufzeit von drei Tagen ermöglicht der Friedhofsverwaltung die Wahrnehmung ihrer Rechte als Grundstückseigentümerin und die möglicherweise notwendige Koordination des Tagesgeschehens.
Der Gewerbetreibende kann gegebenenfalls informiert werden über Hindernisse, die seiner Betätigung entgegenstehen, und so vor einem vergeblichen Anfahren des Friedhofs bewahrt werden. In begründeten Ausnahmefällen, insbesondere bei regelmäßig wiederkehrenden gewerblichen Tätigkeiten (wie z. B. Grabpflege), kann die Anzeige auch einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren umfassen. Hierüber ist von der Friedhofsverwaltung zu entscheiden, sie kann den Gewerbetreibenden verpflichten Änderungen mitzuteilen. Die notwendige Überwachung aller auf einem Friedhof stattfindenden Aktivitäten lässt die langfristige Dauerwirkung jeder einmal vorgenommenen Anzeige nicht zu.
Die Kraftfahrzeugbenutzung auf einem Friedhof im Zusammenhang mit der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit bedarf weiterhin der Zulassung. Diese wird im neu formulierten Text des § 6 Absatz 3 „Erlaubnis" genannt, um Verwechslungen mit der bisher erforderlichen Zulassung für Gewerbetreibende zu vermeiden. Wegen der in aller Regel nur eingeschränkt befahrbaren Wege ist dies zur Vermeidung von Beschädigungen und gegenseitigen Behinderungen unverzichtbar. Die Anlieferung eines Sarges oder einer Urne (Aschenkapsel) gehört nicht zu den erlaubnisbedürftigen Handlungen, da dies unabdingbar zur Bestattung gehört. Nicht erfasst von dieser
Ausnahme ist die Anlieferung von Grabschmuck, Dekorationsmaterial oder Überurnen.
Die Erlaubnis für das Befahren der Friedhofswege wird auf Antrag bedarfsgerecht erteilt. Über den Antrag entscheidet die zuständige Friedhofsverwaltung innerhalb einer Frist von vier Wochen. § 42a Absatz 2 Satz 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend. Die Erlaubnis zur Kraftfahrzeugbenutzung kann als einmalige Erlaubnis oder über einen längeren Zeitraum sowie für einen Friedhof, für mehrere oder auch alle Friedhöfe eines Bezirkes bei der Friedhofsverwaltung dieses Bezirks beantragt werden. Auch die Erteilung einer Erlaubnis für die Friedhöfe anderer Bezirke sowie einer Generalerlaubnis für sämtliche Friedhöfe der Bezirke ist möglich. Beabsichtigt der Gewerbetreibende nach Vorliegen einer solchen Erlaubnis die Friedhofswege eines anderen als dem erteilenden Bezirk zu befahren, ist die generelle Erlaubnis diesem Bezirk zunächst vorzulegen und dessen Auflagen sind zu beachten. Dies ist wegen der in Bezug auf die Bedingungen, unter denen Kraftfahrzeuge eingesetzt werden können sehr unterschiedlichen Situationen auf den einzelnen Friedhöfen, die nur von den örtlichen Friedhofsverwaltungen überblickt und beurteilt werden, unabdingbar. Aus besonderen Gründen, wie heftige Wetterereignisse oder unvorhersehbare Störungen des Betriebsablaufs auf dem Friedhof, kann das erlaubte Befahren der Friedhofswege auch untersagt werden. In Ausnahmefällen kann bei kurzfristig auftretendem Bedarf zum Befahren der Friedhofswege auch auf die förmliche Erteilung einer Erlaubnis verzichtet werden.
Die gemäß Absatz 4 mitzuführenden Nachweise dienen der Überprüfbarkeit der Anzeigepflicht auch in den Fällen, in denen mehrere Mitarbeiter eines Betriebes unabhängig voneinander tätig werden. Den Betrieben ist freigestellt, Mitarbeiterausweise auszugeben oder formlose Schriftstücke zu fertigen, aus denen die erforderlichen Angaben hervorgehen.
Die Absätze 5 und 6 regeln jetzt Verhaltensanforderungen für Gewerbetreibende. Sie sind inhaltlich nicht neu für den Kreis der Adressaten. Die Verhaltensregeln wurden bislang als Auflagen bei der Zulassung (Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt) den Betroffenen mitgeteilt. Die Friedhofsverwaltung kann entscheiden, diese Verhaltensregeln zusammen mit Hinweisen zur Anzeige und zur Erlaubnis des Kraftfahrzeugeinsatzes in einem Merkblatt oder in anderer geeigneter Form zusätzlich bekannt zu machen.
Die Regelungen zu den Sanktionsmöglichkeiten sind unverändert geblieben.
Zu Art. I Nr. 3:
Der Verweis auf den einheitlichen Ansprechpartner erfolgt im neu gefassten § 7.
Der „Einheitliche Ansprechpartner" für alle Gewerbetreibenden in Berlin ist eine Dienststelle bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen (Martin-Luther-Straße 105, 10825 Berlin), die auch über eine eigene Internet-Seite (https://www.ea.berlin.de) die erforderliche Hilfe anbietet.
Gemäß Artikel 6 der Dienstleistungsrichtlinie müssen die Mitgliedsstaaten für alle Verfahren und Formalitäten, die für die Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit erforderlich sind, einheitliche Ansprechpartner zur Verfügung stellen.