Räumlich-funktionale Verflechtungen

Räumlich-funktionale Verflechtungen

Das Untersuchungsgebiet hat eine Größe von ca. 73 ha und ca.13.500 Einwohnern (Stand 31.12.2008). Das Untersuchungsgebiet liegt im Ortsteil Neukölln und großräumig zwischen wichtigen städtebaulichen Entwicklungsräumen der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg: dem ehem. Flughafen Tempelhof, den Standorten Mediaspree und Ostkreuz, dem Stadtumbau West Gebiet Neukölln-Südring sowie dem Autobahnkreuz „Dreieck Neukölln" mit Anbindung an den zukünftigen Flughafen Berlin Brandenburg International. Westlich und nordöstlich der Karl-Marx-Straße erstrecken sich mit der Hasenheide und dem Neuköllner Schifffahrtskanal wichtige Grün- und Naherholungsräume. Mit dem Ziel „Neukölln-Nord am Wasser und ans Wasser" soll die Karl-Marx-Straße gemäß Planwerk Südostraum mit dem nordöstlich gelegenen Neuköllner Schifffahrtskanal und der Spree sowie mit den überörtlichen Freiräumen wie dem Tempelhofer Feld, dem Treptower Park und dem Plänterwald verknüpft und die kreuzenden Wegeverbindungen aufgewertet werden.

Das Untersuchungsgebiet grenzt im Norden unmittelbar an das Untersuchungsgebiet Maybachufer/Elbestraße.

Nutzungsstruktur

In der polyzentralen Berliner Zentrenstruktur bildet die Karl-Marx-Straße ein Hauptzentrum und ist Standort vielfältiger zentralörtlicher Funktionen und Einrichtungen. Sie ist Verwaltungssitz des Bezirks mit dem Rathaus Neukölln und dem Amtsgericht, ein Einkaufszentrum vor allem für Nordneukölln, ein Standort für Dienstleistungen und ein kultureller Ort mit gesamtstädtischer Ausstrahlung.

Die Karl-Marx-Straße ist auch Wohnstandort. Die ansässige Wohnbevölkerung prägt die Entwicklung des Einzelhandels. Die Kunden und Passanten der Karl-Marx-Straße wohnen zu einem hohen Anteil in der näheren Umgebung, eine wichtige Voraussetzung für die Belebung der Straße.

Die Karl-Marx-Straße ist ein lineares Zentrum einer Länge von 2,3 km zwischen Hermannplatz und S-Bahnring. Die zentralen Bereiche der Karl-Marx-Straße sind die City Neukölln (Weichselstraße bis Platz der Stadt Hof) und das „Kulturdreieck" (Platz der Stadt Hof bis Karl-Marx-Platz). Die nördlichen und südlichen Verflechtungsbereiche reichen bis zum Hermannplatz bzw. zum S-Bahnhof Neukölln. Die Karl-Marx-Straße bildet das Rückgrat für die umliegenden Quartiere Flughafen-, Donau- und Ganghoferstraße, die Rollbergsiedlung, Körnerpark und Richardplatz, die alle Gebiete mit Quartiersmanagement sind.

Bebauungsstruktur

Die städtebauliche Struktur und der öffentliche Raum der Karl-Marx-Straße bieten durch die Abfolge von Plätzen und Kreuzungsbereichen sowie durch herausragende denkmalgeschützte Gebäude und versteckte Höfe einen hohen Identitätswert. Schwerpunkte dieser besonderen Qualitäten des Stadtbildes zeigen sich am Hermannplatz, in der City Neukölln, dem Kulturdreieck und im Bereich des Böhmischen Dorfes/Rixdorf. Dadurch bilden sich unterschiedliche, spannungsvolle Bereiche im Straßenverlauf. Deren Qualität wird durch mangelnde Aufenthaltsqualität und Nutzungsmöglichkeit eingeschränkt. Bei der Ortsbild prägenden Bausubstanz sind Gestaltungs- und Erneuerungsdefizite festzustellen.

Westlich der Karl-Marx-Straße liegt der Standort der ehemaligen Kindl-Brauerei, einer Fläche mit umfangreichem Entwicklungspotenzial und teilweise denkmalgeschützter Bausubstanz.

Historische Entwicklung

Die historische Entwicklung und Verlagerung der Zentrumsbereiche in der Karl-Marx-Straße ist noch heute an der Baustruktur ablesbar und an den zahlreichen Denkmälern und Denkmalbereichen nachzuvollziehen. Das historische Zentrum ist Rixdorf rund um den Richardplatz. Nördlich davon entstand ab 1737 das Böhmische Dorf entlang der heutigen Richardstraße. Verstärkter Zuzug von Handwerkern (Büdnern) nach 1800 verlagerte das Zentrum ins sogenannte Büdner-Dreieck an die Bergstraße (südlicher Teil der heutigen Karl-MarxStraße). Ab 1870 wurde auf dem durch das Abtragen der Rollberge neu gewonnenen Bauland das Rollbergviertel in verdichteter Bauweise errichtet. Um 1900 fand eine weitere Verlagerung des Zentrums nach Norden statt. An der nördlichen Spitze des Büdner-Dreiecks entstanden imposante Kommunal- und Geschäftsbauten. Damit bildete sich die Struktur des Stadtzentrums heraus, die auch heute noch prägend für die Karl-Marx-Straße ist.

Zwischen 1900 und 1915 stieg die Einwohnerzahl um ca. 150.000 Einwohner. Zahlreiche Grundstücke im südlichen Teil der Karl-Marx-Straße wurden nachverdichtet und der nördliche Teil bis zum Hermannplatz durchgehend bebaut. Es entstanden die typischen fünfgeschossigen Mietshausbebauung. 1912 wurde Rixdorf in Neukölln umbenannt und 1920 nach Groß-Berlin eingemeindet. In den 1920er Jahren wurde der Hermannplatz verbreitert. Auf seiner Westseite entstand das Karstadt Warenhaus (1929), eine Ikone des Neuen Bauens in Berlin.

In den 1950er Jahren entstanden im zentralen Bereich weitere große Geschäftshäuser und der Rathausanbau. Die zentrale Versorgungsfunktion der Karl-Marx-Straße reiche bis weit in die angrenzenden Bezirke. In den 1990er Jahren setzte eine starke Abwanderung bzw. Aufgabe alteingesessener Geschäfte ein. Mit dem Bau des Forum Neukölln, den heutigen Neukölln Arcaden, wurde versucht, dem entgegenzuwirken.

Denkmalschutz und Stadtgestalt

Unter den zahlreichen denkmalgeschützten Gebäuden sind hervorzuheben: das Rathaus Neukölln, das Amtgericht, die alte Post, das Stadtbad in der Ganghofer Straße, die Passage und der Saalbau im Büdner-Dreieck sowie der Denkmalbereich um den Richardplatz und das Böhmische Dorf.

Eigentümerstruktur 91,4 % der Grundstücke sind im Einzeleigentum, davon 59,5 % bei Privatpersonen. Knapp drei Viertel der Eigentümerschaft hat ihren Wohnsitz in Berlin-Brandenburg, 3,4 % im Ausland. Entlang der Karl-Marx-Straße ist ein höherer Anteil an ausländischen Eigentümern, Eigentümerinnen und Unternehmenseigentum festzustellen. Der Anteil ausländischer Eigentümer und Eigentümerinnen beträgt im Citybereich (13,8 %), im südlichen Bereich (10 %) im nördlichen Bereich des Untersuchungsgebiets nur (2 %) bzw. im „Kulturdreieck" 4,8 %.

Bevölkerungs- und Sozialstruktur

Im Untersuchungsgebiet lebten 2007 ca. 12.600 Einwohner. Das Gebiet verzeichnet seit dem Jahr 2000 einen geringen Bevölkerungszuwachs von etwa 3 %.

Es ist ein „junges" Gebiet mit leicht steigender Tendenz. Überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche leben im Bereich der südlichen Karl-Marx-Straße (22 ­ 30 % der Gesamteinwohner pro Wohnblock). Die Altersgruppe der 18- bis 27-Jährigen (Familiengründung/Studium) ist seit 2000 größer geworden und mit 15 % im Vergleich zu Neukölln (11,8 %) und Berlin (11,9 %) überdurchschnittlich vertreten. Der Anteil der Mädchen und Frauen nimmt kontinuierlich ab. Senioren (65 Jahre und älter) sind mit einem Anteil von 11 % im Vergleich zu Berlin (18 %) 2007 unterdurchschnittlich vertreten.

Der Anteil der Ausländer und Ausländerinnen hat sich seit 2000 um 15 % erhöht und liegt 2007 bei ca. 41 %. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung im Gebiet hat sich in den letzten sieben Jahren um 4 % erhöht und liegt ca. dreimal höher als im Berliner Mittel (14 %) und doppelt so hoch wie in Neukölln (22 %). Der Großteil der ausländischen Einwohner Nordneuköllns ist türkischer Herkunft (ca. 50 %). Einen geringeren Anteil stellen Einwohner aus dem ehemaligen Jugoslawien (ca. 20 %) und Einwohner arabischer Staaten (ca. 14 %).

Das Gebiet ist durch eine schwierige Sozialstruktur gekennzeichnet und starken Belastungen ausgesetzt (sehr hohes Wanderungsvolumen, teilweise Wanderungsverluste, äußerst hohe Werte bei Anteil/Dauer von Existenzsicherungsleistungsbezug, sehr hohe Arbeitslosigkeit).

Die Arbeitslosenquote liegt 2006 bei fast 21 % (Berlin: 13 %). Auch bezüglich der Langzeitarbeitslosigkeit, weist das Gebiet mit fast 9 % sehr hohe Werte auf (Berlin: 5,6 %), die seit 2004 leicht abnehmend sind. Dem Berliner Trend gegenläufig ist das Gebiet durch eine überdurchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit (Arbeitslose unter 25 Jahren) von knapp 16 % geprägt, die seit 2004 zugenommen hat.

Der Anteil an Bewohnerinnen und Bewohnern, die trotz Erwerbstätigkeit auf Existenzsicherungsleistungen (SGB II, III und XII) angewiesen sind, ist mit 31 % im Vergleich zu Berlin (14 %) und Gesamt-Neukölln (21 %) sehr hoch. Besonders problematisch ist, dass nahezu 71 % der Kinder unter 15 Jahren auf Existenzsicherungsleistungen angewiesen sind. Mit 51,7 % Transferleistungsbeziehern innerhalb der Gebietsbewohner (2006) liegt das Gebiet 14,4 % über dem Wert von Neukölln (37,4 %) und 26,6 % über dem Berliner Durchschnitt.

Das Untersuchungsgebiet und die angrenzenden Gebiete haben einen hohen Interventionsund Präventionsbedarf. Die Ausweisung von Quartiersmanagementgebieten beidseitig der Karl-Marx-Straße ist bereits erfolgt. Das geringe Einkommensniveau im unmittelbaren Umfeld der Karl-Marx-Straße wirkt sich auf den Einkaufsstandort aus. Die Entwicklung der KarlMarx-Straße steht in hoher (Image)Abhängigkeit mit den Entwicklungen der angrenzenden Quartieren und bedarf künftig einer engen Koordination.

Wohnungsmarkt, -struktur

Das Untersuchungsgebiet ist im Berliner Mietspiegel 2007 als überwiegend einfache Wohnlage ausgewiesen. Die hohe Verkehrs- und Lärmbelastung der Karl-Marx-Straße geht mit starken Einschränkungen der Wohnqualität einher, entsprechend hoch ist hier der Wohnungsleerstand: zwischen 7,5 % und 10 %. Gute Wohnlagen sind im rückwärtigen Bereich der Karl-Marx-Straße nahe der Park- und Friedhofsanlagen vorzufinden: um den Richardplatz und Körnerpark sowie auf der Thomas- und der Lessinghöhe.

Im Untersuchungsgebiet wurden 743 Wohn- und Geschäftshäuser erfasst. Insgesamt ist der Erneuerungsbedarf gering bis mittel. Nur 12 % der Gebäude weisen einen starken und nur 2 % einen erheblichen Erneuerungsbedarf auf. 44 % der 52 Remisen, die vor allem im Bereich des Büdner Dreiecks sowie im südlichen Bereich der Karl-Marx-Straße, sind in schlechtem baulichen Zustand.21 % der Straßenfassaden an der Karl-Marx-Straße und 15 % im Gebiet haben einen starken bis erheblichen Erneuerungsbedarf.

Für die Entwicklung des Zentrums Karl-Marx-Straße ist die Stabilisierung der Wohnfunktion an der Karl-Marx-Straße und in den umliegenden Wohnvierteln von erheblicher Bedeutung.

Schwerpunkte sind neben der Karl-Marx-Straße selber, das Büdner-Dreieck sowie die Boddinstraße/Neckarstraße. Letztere werden Bedeutung für die Erschließung des Kindl-Areals erhalten.

Im Untersuchungsgebiet wurde eine Zustands- und Nutzungsanalyse vorgenommen (479

Höfe). Die Schwerpunkte der baulichen Erneuerung liegen im südlichen Bereich des BüdnerDreiecks und auf der westlichen Seite der Karl-Marx-Straße (Höhe Büdner-Dreiecks), sowie südlich und nördlich der Neukölln Arcaden. 39 % der Höfe sind voll versiegelt. Die Höfe an der Karl-Marx-Straße weisen im Vergleich zum gesamten untersuchten Gebiet einen höheren Erneuerungsbedarf auf, sind stärker versiegelt und werden zu einem höheren Anteil gewerblich oder als Stellplatz genutzt. Hier besteht ein besonderes Potenzial für die Verbesserung der Qualität des Wohnens.

Wirtschaftsstruktur

Im zentralen Bereich der Karl-Marx-Straße zwischen Weichselstraße und Uthmannstraße sind tragfähige Handelsstrukturen vorhanden, die sich vom nördlichen und südlichen Abschnitt und den Nebenlagen positiv abheben. Der Hauptanteil der Verkaufsfläche (40.000 m² von 57.000 m² insgesamt) liegt in leistungsstarken wettbewerbsfähigen „Magnetbetrieben" bzw. großflächigen Betrieben mit einem Filialisierungsgrad von über 50 %.