Fachkraftquote
Zu Absatz 4 In Absatz 4 werden Aufgaben benannt, die von Hilfskräften nicht übernommen werden dürfen. Es handelt sich dabei um "Vorbehaltsaufgaben", die in die fachliche Verantwortung einer Fachkraft fallen oder wegen der Tragweite nur von einer ausgebildeten Fachkraft wahrgenommen werden dürfen. Nur die Fachkraft verfügt über Kenntnisse und Erfahrungen, die zu einer qualitätsgesicherten Aufgabenwahrnehmung im Sinne des Absatzes 4 befähigen. Die Vorbehaltsaufgaben können auch Personen mit leitender Funktion wahrnehmen, sofern sie die Anforderungen an eine Fachkraft nach Absatz 2 erfüllen.
Nummer 1 stellt klar, dass die Gestaltung individueller Pflege und Betreuung im Sinne eines geplanten und zielgerichteten Prozesses in der Verantwortung von Fachkräften liegt. Im Rahmen des Betreuungsprozesses sind physische, psychische und soziale Kompetenzen der pflege- oder betreuungsbedürftigen Person zur selbständigen Lebensführung zu identifizieren und die erforderlichen Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen auf ihre mögliche Wirkung zu hinterfragen und festzulegen. Auch die laufende Auswertung der durchgeführten Maßnahmen und deren Anpassung an veränderte Bedarfssituationen ist eine Fachkraftaufgabe.
In Nummer 2 wird die Beratung der Bewohnerinnen und Bewohner sowie Nutzerinnen und Nutzer zu Maßnahmen zur Sicherstellung der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung sowie die Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung über die Umsetzung als eine den Fachkräften vorbehaltene Aufgabe aufgeführt. Dieser Beratungsauftrag bezieht selbstverständlich auch Betreuerinnen und Betreuer und andere gesetzliche Vertreter mit ein. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Entscheidungsbefugnis über alle in Pflege- und Betreuungsprozessen eingeleiteten Maßnahmen beim pflegebedürftigen oder behinderten Menschen selbst liegt. Seine Rechtsposition als souveräne Verbraucherin oder souveräner Verbraucher wird durch diese Klarstellung unterstrichen. Wenn auch in komplexen Lebenslagen eine individuelle Entscheidung möglich sein soll, die aktuelle fachliche Entwicklungen berücksichtigt, kann auf eine fachlich kompetente Beratung durch eine ausgebildete Fachkraft nicht verzichtet werden. Hilfskräfte wären mit dieser Aufgabe in der Regel überfordert.
Die in Nummer 3 genannten freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen sind schwerwiegende Eingriffe in die Freiheitsrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, die unter Gesetzesvorbehalt stehen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen beschreiben das gesamte Spektrum von Fixierungen; dazu gehören beispielsweise Bettgitter, das Absperren von Zimmern und Türen (auch durch Zahlen- oder Trickschlösser), der Einsatz von sedierenden Medikamenten mit dem Ziel der Reduktion der Bewegung oder die mechanische Fixierung des Körpers durch Spezialhemden, Stuhl-, Bauch-, Hand- und Fußgurte oder Vorstecktische am Stuhl oder Rollstuhl. Über Zulässigkeit und Dauer von freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen entscheidet grundsätzlich eine Richterin oder ein Richter beim Vormundschaftsgericht, Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes. Bei gegebener Einwilligungsfähigkeit und erfolgter Einwilligung sind Schutzmaßnahmen allerdings keine freiheitsbeschränkenden oder freiheitsentziehenden Maßnahmen, so dass in diesem Fall ein richterlicher Beschluss nicht erforderlich ist. Die Zulässigkeit der einzelnen freiheitsbeschränkenden Maßnahme ist stets an deren situative Erforderlichkeit und augenblickliche Angemessenheit gebunden. Die Überwachung der Erforderlichkeit und Angemessenheit muss von einer ausgebildeten Fachkraft sichergestellt werden; das gilt auch dann, wenn die Einwilligung des Betroffenen vorliegt (siehe Nummer 3, 2. Alternative). Die Fachkraft trägt die Verantwortung dafür, dass freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Maßnahmen nicht länger als notwendig aufrechterhalten werden. Das bedeutet jedoch auch, dass kleinere Umsetzungsschritte auf Hilfskräfte delegiert werden können, solange die Fachkraft die Überwachungsverantwortung behält.
In Nummer 4 werden die Aufgabe der Anleitung und Aufsicht von Hilfskräften und anderen eingesetzten Personen im Sinne des Absatzes 3 im Hinblick auf pflegende und betreuende Tätigkeiten ebenfalls den Fachkräften vorbehalten. Pflegende oder betreuende Tätigkeiten sind alle Verrichtungen, die in der Umsetzung des geplanten Pflege- oder Betreuungsprozesses in der Interaktion mit der Bewohnerin oder dem Bewohner bzw. der Nutzerin oder dem Nutzer erforderlich werden. Auch Verrichtungen, die nicht durch Fachkräfte selbst vorgenommen werden, müssen fachlich angemessen sein. Hierfür trägt die Fachkraft die Verantwortung.
Zu § 8 Einsatz von Fach- und Hilfskräften:
Der Leistungserbringer hat nach § 1 zu gewährleisten, dass alle von ihm zur Leistungserbringung eingesetzten Personen die erforderliche persönliche und fachliche Eignung für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit verfügen. Hiermit korrespondiert § 8, der die Pflicht aus § 1 dahingehend ergänzt, dass der Leistungserbringer am Ort der Leistungserbringung auch einen ausreichenden Personaleinsatz in Bezug auf Fach- und Hilfskräfte sicherzustellen hat.
Zu Absatz 1:
Es wird in Form einer Sicherstellungsklausel die allgemeine Pflicht des Leistungserbringers vorangestellt, ausreichend Fach- und Hilfskräfte zur Erbringung der erforderlichen Pflege- und Betreuungsleistungen am Leistungsort einzusetzen. Das bedingt gleichzeitig, dass der Leistungserbringer schnellstmöglich dafür Sorge tragen muss, dass ein Personalfehlbestand ausgeglichen wird, indem eine Ersatzkraft eingesetzt wird.
Leistungsort ist jeder Ort, an dem die geschuldeten Pflege- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind. Das ist nicht nur die stationäre Einrichtung, in der Betroffene wohnen oder sich aufhalten, oder die Wohnung, in der eine Nutzerin oder ein Nutzer betreut wird. Leistungsort ist jeder Ort, an dem die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft statt findet; das können sein Gemeinderäume, Stadtteilzentren, Behörden, kulturelle Begegnungsstätten oder Treffpunkte außerhalb von Gebäuden wie Parkanlagen, Wochenmärkte oder Grillfeste, wenn etwa eine Begleitung erforderlich wird.
Stellt die Aufsichtsbehörde im Rahmen einer Aufsichtsprüfung fest, dass das vorgehaltene Personal nicht zur erforderlichen Pflichterfüllung ausreicht, kann sie Maßnahmen nach §§ 20 ff. des Wohnteilhabegesetzes ergreifen.
Zu Absatz 2:
Der Einsatz von ausreichend qualifiziertem Personal am Leistungsort ist ein wichtiger Indikator für die Qualität der Pflege und Betreuung. Es ist daher eine wichtige Aufgabe der Aufsichtsbehörde, die Zahl und Qualifikation der eingesetzten Personen zu überprüfen. Zahl und Eignung der Fach- und Hilfskräfte haben sich an dem Pflege- und Betreuungsbedarf der Nutzer- oder Bewohnerschaft auszurichten. Eine ausreichende Zahl ist dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung der konkreten Wohnform, des Gesundheitszustandes der Bewohnerinnen und Bewohner oder Nutzerinnen und Nutzer, des Grades ihrer oder seiner Pflege- oder Hilfsbedürftigkeit und der daraus folgenden Arbeitsintensität der personellen Leistungen eine angemessene und den Interessen und Bedürfnissen gerecht werdende Pflege und Betreuung gewährleistet ist.
Von einem ausreichenden Personaleinsatz wäre auszugehen, wenn Zahl und Eignung der eingesetzten Fach- und Hilfskräfte dem in einem allgemein anerkannten und wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Personalbemessungssystem ermittelten Bedarf entsprechen würden. Da es bisher kein allgemein anerkanntes Personalbemessungssystem gibt, wird ausnahmsweise hier ein Bezug zum Vertragsrecht hergestellt.
Es wird als zulässig angesehen, dass sich die Aufsichtsbehörde für die Frage des vorzuhaltenden Personals an den vertraglich vereinbarten Personalzahlen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch, dem Elften Buch Sozialgesetzbuch und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch orientiert. Es wird angenommen, dass auf Seiten der Vertragspartner genügend Sachverstand vorhanden ist, um den Pflege- und Betreuungsbedarf praxisgerecht unter Berücksichtigung der vorgefundenen Defizite und Risiken zu ermitteln; es wird vermutet, dass im Wettstreit der unterschiedlichen Interessenlagen von Leistungserbringern und Kostenträgern sachgerechte und ausgewogene Personalvereinbarungen im Land Berlin geschlossen wurden. Mangels anderer abgesicherter Erkenntnisse erscheint es vertretbar, dass die Aufsichtsbehörde für die Überprüfung der Zahl und Eignung von Fach- und Hilfskräften auf entsprechende Vereinbarungen im Land Berlin zurückgreifen kann, solange die Verträge nicht hinter den Mindestanforderungen nach dieser Verordnung zurückbleiben.
Allerdings ist es der Aufsichtsbehörde unbenommen, eigene Standards in der konkreten Situation zu setzen; die Entscheidung darüber, welcher Prüfmaßstab im Ordnungsrecht herangezogen wird, bleibt stets in der Verantwortung der Aufsichtsbehörde.
Zu Absatz 3:
In Ansehung der Fachkraftquote nach § 5 Absatz 1 Satz 2 der bisherigen Heimpersonalverordnung werden in Absatz 3 verschiedene Fachkraftquoten genannt, die als Mindeststandard nicht unterschritten werden dürfen und als solche mit der aktuellen Vertragslage kompatibel sind.
Nach der Nummer 1 wird für stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 3 des Wohnteilhabegesetzes an der Fachkraftquote von mindestens 50 % festgehalten.
Dabei ist bekannt, dass in den im Land Berlin derzeit geltenden Verträgen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch für stationäre Pflegeeinrichtungen bereits eine Fachkraftquote von 52 % vereinbart wurde. Für Hospize liegt die Fachkraftquote auf Grund der derzeitigen Verträge nach § 39a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bei 100 %.
In den Einrichtungen der Behindertenhilfe wird davon ausgegangen, dass regelmäßig von einem außerordentlich hohen Betreuungsbedarf auszugehen ist, der eine Fachkraftbeteiligung erforderlich macht.