Opferschutz verbessern!

Bis heute ist das Strafrecht in erster Linie täterorientiert ausgerichtet, Opfer werden als Zeugen/innen gesehen, weniger als Geschädigte. Die rechtliche Stellung des Opfers im Strafprozess ist weiterhin nicht ausreichend.

Für den Täter besteht mit dem Eintritt in den Strafvollzug die Möglichkeit der Resozialisierung. Gleiches muss für die Opfer gelten: Ein Verfahren der „parallelen Gerechtigkeit" muss die Opfer bei der Reintegration in den Alltag unterstützen.

Insbesondere Kürzungen beim Kinderschutzzentrum und zu wenig Kinder- und Jugendpsychotherapeuten in Hamburg haben lange Wartezeiten für Kinder und Jugendliche zur Folge, die Opfer physischer oder psychischer Gewalt geworden sind. Sie erschweren eine schnelle und professionelle Hilfe.

Die statistische Erfassung im Bereich der häuslichen Gewalt ist nicht aussagekräftig. Durch die differenzierte statistische Erfassung kann zukünftig die Anwendung des Gewaltschutzgesetzes entscheidend verbessert werden.

Die in der letzten Legislaturperiode betriebenen Programme der Konfliktvermittlung und Streitschlichtung an Schulen können einen erheblichen Beitrag leisten und langfristige Erfolge erzielen, da das praktizierte Konzept der Peer-Education von einem besonderen positiven Einfluss durch Gleichaltrige ausgeht. Bisher ist jedoch unklar, in welchem Umfang der Senat zukünftig diese Konfliktvermittlungs- und Streitschlichtungsprogramme fortführen will.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

1. Verbesserung der rechtlichen Stellung

Der Senat wird ersucht,

­ zu prüfen, wie lange die Gerichtsverfahren bei traumatisierten Kindern, Jugendlichen und Opfern als Zeugen/innen dauern und welche Möglichkeiten der Beschleunigung der Verfahren in Hamburg bestehen,

­ eine Bundesratsinitiative zu initiieren, welche die Neuregelung des Rechts der Nebenklage zum Inhalt hat und dabei dem Leitgedanken folgt, den Schutz des Opfers in schwerwiegenden Beeinträchtigungen der höchstpersönlichen Rechtsgüter zu gewähren, indem die subjektiven Opferrechte gestärkt werden,

­ eine Bundesratsinitiative zu initiieren, welche das Ziel der Verbesserung der Behandlung von Opferzeugen/innen im Strafverfahren hat.

a) Dabei soll insbesondere das Subsidiaritätsprinzip zwischen §247 StPO (Zwangsweise Entfernung des Angeklagten) einerseits und §247a StPO (Vernehmung des Zeugen an einem anderen Ort) andererseits kritisch überprüft und ggf. in Fällen von traumatisierten Opfern und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung umgekehrt werden sowie eine Ausweitung der Möglichkeiten der Verwertung der richterlichen Vernehmung im Sinne des §255a Absatz II (Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung) kritisch geprüft und ggf. initiiert werden.

b) Gleichzeitig ist dabei zu berücksichtigen, dass Opferzeugen/innen durch wiederholte Konfrontation mit dem Tathergang mittels Vernehmung in der psychosozialen Heilung erheblich beeinträchtigt werden und dass die inhaltlichen Voraussetzungen des §255a StPO zwar die Rechte des Beschuldigten achten, aber die Rechte des Opfers als schützenswertes Subjekt im Verfahren nicht ausreichend berücksichtigen.

c) Darüber hinaus sollten Möglichkeiten geprüft werden, ob und wie Opferzeugen/innen im gesamten Strafverfahren Informationen über ihre Rechte und Entscheidungen des Gerichts und im Besonderen im Nachgang zum gerichtlichen Verfahren über Ereignisse des Vollstreckungsverfahrens wie z. B. Hafturlaub, Freigang, Aussetzung zur Bewährung oder Flucht zugänglich gemacht werden können.

2. Opferschutz in Schulen

Der Senat wird ersucht,

­ bis April 2003 zu berichten, was die wissenschaftliche Untersuchung der Hamburger Streitschlichter-Projekte durch die Beratungsstelle Gewaltprävention (Drucksache 17/1018) ergeben hat und welche Konsequenzen der Senat daraus zieht,

­ zu berichten, welche weiteren Maßnahmen es seit wann an Hamburger Schulen im Bereich der Mediation, der interkulturellen Konfliktbearbeitung und der spezifischen Angebote von Konfliktvermittlung für Jungen und Mädchen gibt und in welcher Form und von wem diese zukünftig fortgesetzt werden,

­ zu berichten, wie viel Honorarmittel aus dem Innovationsfonds des Amtes für Schule für Streitschlichtung im Jahr 2003 zur Verfügung stehen.

3. Erhöhung der Anzahl der Kinder- und Jugendpsychotherapeuten mit einer Zusatzqualifikation für Kinder und Jugendliche mit sexueller und körperlicher bzw. psychischer Gewalterfahrung

Der Senat wird ersucht,

­ sich dafür einzusetzen, die Anzahl der Zulassungen bei Kinder- und Jugendpsychotherapeuten zu erhöhen und zukünftig bei der Festlegung der Bedarfskennzahlen der Zulassungen von Psychotherapeuten zwischen kindlichen, jugendlichen und erwachsenen Patienten zu unterscheiden,

­ zu prüfen, welche Möglichkeiten der Zulassung von Kinder- und Jugendpsychotherapeuten es im Wege der Sonderbedarfszulassung gibt,

­ zu prüfen, ob im Wege der Einzelverträge anfallende Kosten von den Krankenversicherungen erstattet werden können.

4. Statistische Erfassung

Der Senat wird ersucht,

­ zu prüfen, ob bei der statistischen Datenerfassung bei allen in Betracht kommenden Merkmalen eine Unterscheidung nach Geschlecht vorgenommen werden kann,

­ an der bundesweiten Evaluierung von häuslicher Gewalt/Wegweisungen teilzunehmen und in diesem Zusammenhang bei der statistischen Erfassung zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden,

­ in der Anlage 7 der Erfassungstabelle aus dem polizeilichen „Handlungskonzept zur Bekämpfung häuslicher Gewalt" geschlechtsspezifische Unterscheidungen im Erfassungsbogen (Ereignis, Einsatz, Maßnahmen) einzuführen und die eventuell ermittelten Straftaten zu erfassen. Der Bereich „Maßnahmen" im Erfassungsbogen muss um das Kriterium des Wiederholungsfalles ergänzt werden,

­ bei den beteiligten Behörden und Amtsgerichten statistische Daten zur Anwendung des Gewaltschutzgesetzes bzw. Details der jeweiligen Fälle häuslicher Gewalt zu erheben.

5. Opferfonds

­ 10 Prozent jeder Geldstrafe aus dem Titel 2110.112.47 (Geldstrafen und Geldbußen sowie Gerichtskosten aus diesen Verfahren) fließen direkt in einen noch zu gründenden Opferfonds der Freien und Hansestadt Hamburg, der den Reintegrationsanspruch der Opfer ernst nimmt.

In diesem Sinne soll der Opferfonds eine „Nachsorge" von der alltäglichen Betreuung/Unterstützung (z.B. Einkauf, Umzugshilfen usw.) bis hin zu psychosozialer Betreuung unterstützen.