Krankenhaus Ochsenzoll ­ Psychiatrie

Am 19. Januar 1998 gelang es Hans-Joachim Bohlmann, aus der psychiatrischen Abteilung des Klinikums Nord ­ Ochsenzoll ­ zu entkommen. Am 27. September 1995 gelang Thomas Segal (ehemals Thomas Holst) die Flucht.

Die Bürgerinnen und Bürger sind aufgrund der potentiellen Gefahr, die von Flüchtlingen aus der Psychiatrie ausgeht, besorgt.

Bei psychisch kranken Straftätern und Straftäterinnen kann ein Gericht freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung nach §§ 63 und 64 StGB anordnen. In Haus 18 des Klinikums Nord

­ Betriebsteil Ochsenzoll ­ wird die Maßregel nach § 63 StGB vollzogen. Der Senat geht davon aus, daß sich die vorliegende Anfrage auf den Vollzug dieser Maßregel bezieht und nicht auf die übrigen psychiatrischen Abteilungen des Krankenhauses.

Bei dem in der Vorbemerkung der Anfrage genannten Einzelfall vom Januar 1998 handelt es sich nicht um ein „Entkommen" im Sinne einer Flucht, sondern um den Mißbrauch bereits eingeleiteter und zugleich längerfristig laufender Unterbringungslockerungen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, zum Teil auf Grundlage von Auskünften des Landesbetriebes Krankenhäuser, wie folgt.

1. Wie viele Insassen sind zur Zeit in Haus 18, und wie viele davon befinden sich in Sicherheitsverwahrung?

In Haus 18 sind zur Zeit 74 Patienten untergebracht.

Bei keinem dieser Patienten wird eine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB vollzogen.

2. Aufgrund welcher Straftaten wurden diese Personen eingewiesen?

Die Einweisungen erfolgten überwiegend wegen versuchter und vollendeter Tötungsdelikte, schwerer Körperverletzung, sexuell motivierter Gewaltdelikte und Brandlegungen.

3. a) Wie viele der Insassen haben auf gerichtliche Anordnung unbeaufsichtigt Freigang?

b) Bei wie vielen davon stieß die gerichtliche Anordnung nicht auf Bedenken der Fachärzte?

Derzeit erhält ein Patient unbegleiteten Stundenurlaub auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung. Auch in diesem Fall wurden Bedenken gegen die Einleitung systematischer Unterbringungslockerungen formuliert.

Betreff: Krankenhaus Ochsenzoll ­ Psychiatrie ­

4. Wie viele Fluchtversuche aus der Psychiatrie hat es seit 1990 gegeben?

5. Wann wurden die Fluchtversuche jeweils bemerkt?

6. Wie lange dauerte es, bis die Betroffenen gefaßt wurden?

Siehe Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 15/7207. Die beiden dort genannten Ausbrüche wurden nach einer Stunde bzw. unmittelbar bei der Durchführung bemerkt.

Seither ist es zu zwei weiteren Entweichungen aus Maßnahmen der Unterbringungslockerung heraus gekommen, die nach einer halben Stunde bzw. nach Ablauf des unbegleiteten Ausgangs bemerkt wurden. Die Personen wurden jeweils zwei Tage nach ihrem Entweichen zurückgebracht.

7. Welche Sicherheitsmaßnahmen werden ergriffen, um Ausbrüche zu verhindern, und wie hoch waren die Kosten dafür in den vergangenen fünf Jahren?

Siehe Drucksache 15/7207, Antwort zu 1.4. Die Kosten für bereits durchgeführte Maßnahmen (z.B. Verbesserung des Schließsystems, zusätzliche Sicherung der Mauerkronen beider Innenhöfe, Installierung der elektronischen Überwachung der Turnhalle) betrugen rund 125 000 DM. Darüber hinaus sind Umbaumaßnahmen im Eingangsbereich geplant.

8. Welche Kosten sind durch die Fluchtversuche entstanden, und wie hoch sind diese?

Im Zusammenhang mit einer Flucht sind dem Klinikum Nord durch Sachbeschädigung Kosten in Höhe von etwa 6000 DM entstanden. Darüber hinausgehende Kosten insbesondere für Personaleinsatz werden nicht gesondert erfaßt.

9. Seit wann und auf wessen Veranlassung wurde die Sicherheitsverwahrung bei HansJoachim Bohlmann gelockert?

In dem angesprochenen Fall handelt es sich nicht um eine Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB.

Die Unterbringungslockerungen wurden auf Weisung der zuständigen Strafvollstreckungskammer ab Juni 1997 eingeleitet.

10. Mit welcher Begründung wurde die Lockerung angeordnet?

Die veranlaßten Unterbringungslockerungen erfolgten unter dem rechtlichen Aspekt der Verhältnismäßigkeit, wonach die zeitliche Ausdehnung einer Maßregel gemäß § 63 StGB zu der zur Anordnung der Maßregel führenden Anlaßtat nicht außer Verhältnis stehen soll.

11. Wie oft durfte Hans-Joachim Bohlmann vor seiner Flucht unbegleitet auf dem Anstaltsgelände spazierengehen?

Dem Patienten wurden seit September 1997 etwa 50 unbegleitete Ausgänge auf dem Krankenhausgelände ermöglicht.

12. Wie bewertet der Senat die abweichende Beurteilung psychiatrischer Gutachten durch die Strafvollstreckungskammer, und welche Konsequenzen sollen daraus gezogen werden?

Die Beurteilung durch die Strafvollstreckungskammer unterliegt der richterlichen Unabhängigkeit. Der Senat sieht in ständiger Praxis davon ab, die Entscheidungen der unabhängigen Gerichte zu bewerten.

13. Sieht der Senat Handlungsbedarf zur Verbesserung der Überwachung der in der Psychiatrie untergebrachten Personen?

Nein. Der Sicherheitsstandard von Haus 18 ist grundsätzlich hoch. Dies ist auch durch die Tatsache belegt, dass seit der Inbetriebnahme 1987 ohne Hilfestellung Dritter nur in einem Fall eine Flucht gelungen ist. Unabhängig davon unterliegt der Sicherheitsstandard einer ständigen Beobachtung und muß ggf. optimiert werden (vgl. Antwort zu 7.).