Gesetzlicher Auftrag der Polizei ist neben der Strafverfolgung die Abwehr von Gefahren zum Schutz der Bürgerinnen und
Im November 1997 wurde ein Polizeibeamter, der als verdeckter Ermittler mit dem Decknamen „Stefan" in verschiedene politische Gruppen der Hansestadt (Glasmoor-Gruppe, Cafe Exil, IZI Interessengemeinschaft der Flüchtlinge, Hamburger Bündnis zum Lübecker Brandanschlag, Flora/Druckgruppe) eingedrungen war und dort zwei Jahre seinen Ausforschungsauftrag wahrgenommen hat, zufällig auf einem privaten Fest außerhalb Hamburg enttarnt. Für den Einsatz verdeckter Ermittler müssen Voraussetzungen erfüllt sein, die entweder im Bereich der Gefahrenabwehr den Bezug zur organisierten Kriminalität begründen oder im strafrechtlichen Bereich den Verdacht schwerer Straftaten voraussetzen.
Gesetzlicher Auftrag der Polizei ist neben der Strafverfolgung die Abwehr von Gefahren zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger.
Die Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA 8) hat zur Abwehr politisch motivierter Gewaltstraftaten und erheblicher Störungen der öffentlichen Sicherheit unter anderem die Aufgabe, Lage- und Gefährdungsanalysen über bevorstehende Ereignisse zu erstellen, um der Polizei die Möglichkeit zu geben, sich auf Entwicklungen und Gefährdungen einzustellen und einen sinnvollen und angemessenen Ressourceneinsatz bei der Abwehr von daraus erwachsenden Störungen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Die für die Erstellung derartiger Analysen benötigten Informationen müssen unter anderem von nicht offen arbeitenden Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten beschafft werden, wenn die in einem solchen gefahrenträchtigen Problemfeld handelnden Gruppen oder Personen sich gegen polizeiliche Einblicke bewußt abschotten. Dann ist es auf andere Weise als durch eine verdeckte Datenerhebung aussichtslos, an die zur Gefahrenerforschung erforderlichen Erkenntnisse zu gelangen.
Ein Einsatz verdeckt operierender Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamter erfolgt jedoch immer erst dann, wenn es politisch motivierte Gewalttaten gegeben hat, die sich einem abgrenzbaren Problemfeld zuordnen lassen. Die Straftaten und Krawalle am 1./2. Mai 1995 im Schanzenviertel und gewaltsame Ausdrucksformen des Protestes gegen die Asyl- und Abschiebepolitik waren z. B. Auslöser für den Einsatz des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten „Stefan".
Die Polizei versucht in solchen Fällen, Informationen an Orten und Treffpunkten zu erhalten, die auch von Gruppen genutzt werden, von denen nach polizeilicher Erfahrung die Gefahr weiterer Gewalttaten ausgeht, oder wo Informationen über solche Gruppen erlangt werden können. Zur Informationsbeschaffung kann es erforderlich sein, an Veranstaltungen und Treffen von Gruppen teilzunehmen, um rechtzeitig Informationen für eine sichere Gefahrenprognose zu gewinnen.
Im Rahmen der unterschiedlichen Maßnahmen zur verdeckten Informationsbeschaffung kann es auch erforderlich sein, dass Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte unter falschen Personalien auftreten. Zu ihrem Schutz erhalten sie entsprechende Nachweispapiere und werden auf Fragen zu ihrem veränderten Lebensumfeld in dem für ihren Einsatz erforderlichen Umfang vorbereitet.
Die Dauer des Einsatzes hängt von den Erkenntnissen über die von der Szene ausgehenden Gefahren ab und hat in der Vergangenheit auch mehrere Jahre betragen. Die Zulässigkeit der Fortdauer eines solchen Einsatzes wird in einem ständigen Prozeß überprüft. Im Anschluß an den Einsatz werden diese Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wieder im normalen Dienst auch uniformiert eingesetzt.
Die Rechtsgrundlage findet sich in § 2 Absatz 3 Satz 3 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG). Soweit im Einzelfall die Erhebung personenbezogener Daten erforderlich ist, erfolgt diese nach § 6 Nummer 1 bis 3, 6 PolDVG. Es handelt sich somit nicht um einen Einsatz Verdeckter Ermittler im Sinne §12 PolDVG und nicht um eine Maßnahme der Strafverfolgung; die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft ist daher nicht nicht berührt.
Ziel des Einsatzes nicht offen ermittelnder Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamter ist in keinem Fall die Sammlung von Informationen über das politische Engagement von Personen.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.
1. Was war der konkrete Anlaß für die Polizei, einen verdeckten Ermittler in die „GlasmoorGruppe" einzuschleusen?
Siehe Vorbemerkung.
2. Beruhte der VE-Einsatz allein auf Entscheidung der hamburgischen Ermittlungsbehörden?
Das LKA 8 hat den Einsatz des nicht offen ermittelnden Polizeibeamten „Stefan" im Rahmen der Gefahrenabwehr angeordnet.
Einsätze zur Gefahrenabwehr beruhen immer auf Landesrecht.
3. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wurde der Beamte mit einer Legende ausgestattet und in die Szene entsandt?
4. Werden die Betroffenen innerhalb der nächsten vier Wochen gemäß §12 Absatz 4 in Verbindung mit § 9 Absatz 3 des hamburgischen PolDVG über die Maßnahme unterrichtet werden? Wenn nein, warum nicht?
5. In welcher Form wurde im zugrundeliegenden Fall die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geprüft?
Siehe Vorbemerkung.
6. Welche Dienststelle der Polizei hat den Einsatz des verdeckten Ermittlers beantragt, wer hat die Maßnahme angeordnet?
Siehe Antwort zu 2.
7. Ist für die Anordnung und ggf. Verlängerung der Maßnahme die Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingeholt worden? Wenn ja, von welcher Staatsanwaltschaft?
8. In welchen Abständen wurde die Zulässigkeit des VE-Einsatzes überprüft? Welche Feststellungen führten zur Notwendigkeit der Fortführung der Maßnahme?
9. Welchen konkreten Auftrag hatte der Beamte? Wie lange sollte der Auftrag noch fortgesetzt werden?
Siehe Vorbemerkung.
10. Welche konkreten Gefahren wurden durch diesen Beamten in den vergangenen zwei Jahren abgewehrt, oder welche konkrete Straftat wurde durch die Tätigkeit aufgeklärt?
Der Erfolg insbesondere präventiver polizeilicher Maßnahmen kann in der Regel der Tätigkeit einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht sicher zugeordnet werden. Die im Zuge der bezeichneten Einsätze erhobenen Informationen sind vielfach von wesentlicher Bedeutung für eine zutreffende polizeiliche Lagebeurteilung und tragen dadurch dazu bei, Gefahren für Menschen und bedeutende Sachwerte durch Präsenz uniformierter Polizeikräfte zu beseitigen.
Die Aufklärung bereits begangener Straftaten ist nicht Auftrag der zum genannten Zweck eingesetzten Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten.
11. Teilt der Senat nicht auch unsere Auffassung, dass durch VE-Maßnahmen wie im vorliegenden Fall das Vertrauen betroffener Menschen in den Staat und seine Einrichtungen erheblich gestört werden kann, wenn sie feststellen müssen, dass ihr politisches Engagement von den Verfolgungsbehörden verdeckt kontrolliert wird?
Nein. Politisches Engagement als solches wird nicht kontrolliert.
Siehe im übrigen Vorbemerkung.