Europäisches Fingerabdruck-Identifizierungssystem EURODAC

Der Europäische Rat in Tampere hat im Oktober 1999 ein gemeinsames europäisches Asylsystem gefordert.

EURODAC dient der Speicherung von Fingerabdrücken von Asylbewerbern und bestimmter Gruppen illegaler Zuwanderer. Es wurde am 15. Januar 2003 in Betrieb genommen. Anhand des Vergleichs biometrischer Informationen sollen unter anderem Doppelanträge auf Asyl vermieden werden.

Ziele und Verfahren des EURODAC-Systems werden in der EURODAC-Verordnung geregelt.

Während Norwegen und Island als Drittstaaten an dem neuen System beteiligt sind, nimmt Dänemark vorerst nicht teil.

Die Nutzung der Möglichkeiten elektronischer Datenverarbeitung im Zusammenhang mit EURODAC wird sehr positiv eingeschätzt und soll auch für das künftige Visa-Identifizierungssystem und die zweite Generation des Schengener Informationssystems prägend sein.

Ich frage den Senat:

1. Welche Kriterien und Verfahren werden im Dubliner Übereinkommen zur Bearbeitung von Asylanträgen formuliert?

Das „Dubliner Übereinkommen" (Bundesgesetzblatt Teil II 1994, Seite 792) enthält Regelungen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages. Es dient damit der Vermeidung paralleler und sukzessiver Asylverfahren in den Mitgliedstaaten.

Die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten richtet sich nach den in den Artikeln 4 bis 8 des Übereinkommens genannten Kriterien, gemäß Artikel 3 Absatz 2 in der Reihenfolge, in der sie aufgezählt sind:

­ Der Asylbewerber hat einen Familienangehörigen, der als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurde und der seinen legalen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat (sofern die betreffenden Personen dies wünschen) (Artikel 4);

­ der Asylbewerber besitzt eine gültige Aufenthaltserlaubnis (Artikel 5 Absatz 1);

­ der Asylbewerber besitzt ein bzw. mehrere gültige oder abgelaufene Visa (Artikel 5 Absatz 2 bis 4);

­ der Asylbewerber aus einem Drittstaat hat bei der Einreise (auf dem Land-, See- oder Luftweg) nachweislich illegal die Grenze eines Mitgliedstaats überschritten; dieser Mitgliedstaat ist jedoch nicht zuständig, wenn der Asylbewerber sich sechs Monate lang in dem Mitgliedstaat, in dem er den Asylantrag gestellt hat, aufgehalten hat (Artikel 6);

­ der Mitgliedstaat ist für die Kontrolle der Einreise des Ausländers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zuständig, es sei denn, dass der Ausländer nach der legalen Einreise in einen Mitgliedstaat, in dem für ihn kein Visumzwang besteht, seinen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat stellt, in dem er ebenfalls kein Visum vorweisen muss (Artikel 7);

­ falls keines der genannten Kriterien zutrifft, ist der erste Mitgliedstaat, bei dem der Asylantrag gestellt wird, für die Prüfung zuständig (Artikel 8);

­ auch wenn ein Mitgliedstaat in Anwendung der in diesem Übereinkommen definierten Kriterien nicht zuständig ist, kann er auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats und unter der Voraussetzung, dass der Asylbewerber dies wünscht, aus humanitären Gründen einen Asylantrag prüfen (Artikel 9).

Zum Verfahren verpflichten sich die (jeweils zuständigen) Mitgliedstaaten,

­ jeden Asylantrag zu prüfen, den ein Ausländer an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt (Artikel 3 Absatz 1);

­ die Prüfung des Asylantrags bis zum Ende durchzuführen und den Asylbewerber währenddessen aufzunehmen, soweit nicht ein anderer Mitgliedstaat aufgrund eines entsprechenden Aufnahmeersuchens seine Zuständigkeit anerkannt hat (Artikel 10 und 11);

­ die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrages durchzuführen und den danach zuständigen Mitgliedstaat unverzüglich zu unterrichten (Artikel 12);

­ den Asylbewerber in den in Artikel 3 Absatz 7 und Artikel 10 genannten Fällen wieder aufzunehmen (Artikel 13).

Darüber hinaus tauschen die Mitgliedstaaten Informationen über die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die im Bereich des Asyls angewandten nationalen Praktiken sowie die statistischen Daten über die Anzahl der monatlich ankommenden Asylbewerber und die Aufschlüsselung nach Nationalitäten aus (Artikel 14 und 15). Jeder Mitgliedstaat kann einem Ausschuss Vorschläge für eine Revision dieses Übereinkommens vorlegen, die der Beseitigung von Schwierigkeiten bei der Anwendung dienen sollen (Artikel 16 bis 17).

Dieser Ausschuss, der sich zusammensetzt aus jeweils einem Vertreter der Mitgliedstaaten bzw. der Kommission, beschließt unter Vorsitz des Mitgliedstaats, der den Vorsitz im Rat der Europäischen Gemeinschaften innehat, über die eventuellen Revisionen sowie über die durch das Übereinkommen vorgesehenen unverzichtbaren Durchführungsmaßnahmen (Artikel 18).

2. Wie ist der Beratungsstand der Gemeinschaftsverordnung, die das Dubliner Übereinkommen im Laufe des Jahres 2003 ersetzen soll?

Die „Verordnung (EG) Nummer 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist" wurde am 25. Februar 2003 im Amtsblatt der Europäischen Union Nummer L 050 Seiten 1 bis 10 veröffentlicht; nach Artikel 29 tritt sie 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

2. a) Welche Position hat Hamburg zu dieser Gemeinschaftsverordnung vertreten?

Zu dem der Verordnung zugrunde liegenden Vorschlag der EU-Kommission hat Hamburg die Stellungnahme des Bundesrats ­ Bundesratsdrucksache 959/01 (Beschluss) ­ unterstützt.

2. b) Wird sich die Umsetzung dieser Verordnung auf die Hamburger Asylpraxis auswirken?

Wenn ja, wie?

Mit signifikanten Auswirkungen der Umsetzung dieser Verordnung auf Hamburg ist nicht zu rechnen, da sie im Wesentlichen dem bisher geltenden „Dubliner Übereinkommen" entspricht.

3. Werden die neuen Verfahren im Rahmen von EURODAC in Hamburg bereits praktiziert?

a) Wenn ja, welche Veränderungen wurden auf welche Weise implementiert?

b) Auf welche Weise wurden Belange des Datenschutzes berücksichtigt?

Verfahrensveränderungen zur Umsetzung der Verordnung (EG) Nummer 2725/2000 des Rates der Europäischen Union vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von „Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (ABl. L 316/4 vom 15. Dezember 2000) ­ im Folgenden EURODAC-Verordnung ­ gibt es insoweit, als Fingerabdrücke bei Vorliegen der in der EURODAC-Verordnung definierten Voraussetzungen ausdrücklich als „EURODAC-Fall" gekennzeichnet werden und unter Angabe der EURODAC-Fallgruppe (Artikel 4, 8 oder 11 der EURODAC-Verordnung) an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt werden. Die Weiterleitung an die EURODAC-Datenbank erfolgt durch das BKA.

Die betroffenen Ausländerinnen und Ausländer werden mit einem Merkblatt, das in zahlreichen Sprachen zur Verfügung steht, gemäß Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a bis e der EURODAC-Verordnung über

­ die Identität des für die Verarbeitung Verantwortlichen,

­ die Zwecke der Verarbeitung der Daten im Rahmen von EURODAC,

­ die Empfänger der Daten,

­ die Verpflichtung zur Fingerabdrucknahme bei Personen im Sinne des Artikel 4 oder Artikel 8 EURODAC­Verordnung und

­ die Auskunfts- und Berichtigungsrechte bezüglich sie betreffender Daten unterrichtet.

Die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Belange richtet sich darüber hinaus nach den umfangreichen Bestimmungen in der EURODAC-Verordnung sowie der Verordnung Nummer 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nummer 2725/2000 über die Einrichtung von „Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens), die in den Mitgliedstaaten unmittelbar gelten.

3. c) Wenn nein, warum nicht?

Entfällt.

4. a) In welchem Umfang wurden bisher in Hamburg Fingerabdrücke für das EURODACSystem genommen?

Soweit die Durchführung der EURODAC-Verordnung in die Zuständigkeit Hamburger Dienststellen fällt, wurden bis zum 6. März 2003 63 erkennungsdienstliche Behandlungen als EURODAC-Fall an das BKA übermittelt.

Über den Umfang der erkennungsdienstlichen Behandlung von Asylbewerbern nach Maßgabe der EURODAC-Verordnung durch die Hamburger Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor.

4. b) Inwiefern sind minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von den neuen Verfahren betroffen?

Artikel 4 Absatz 1 der EURODAC-Verordnung stellt ­ in Übereinstimmung mit §16 Absatz 1 des Asylverfahrensgesetzes, § 41 Absatz 4 und 5 sowie § 41a Absatz 1 des Ausländergesetzes (AuslG) ­ für die Verarbeitung von Fingerabdrücken auf die Vollendung des 14. Lebensjahres ab.

5. Welche Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde vor über

a) die Zahl von Mehrfachanträgen auf Asyl in Hamburg?

Die Zahl der im vergangenen Jahr sowie den ersten beiden Monaten des Jahres 2003 festgestellten Asylmehrfachantragstellungen ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen:

5. b) die Zahl Zugereister ohne rechtlichen Status in Hamburg?

Die Zahl der in Hamburg registrierten, unerlaubt neueingereisten ausländischen Staatsangehörigen im Jahr 2002 sowie den ersten beiden Monaten des Jahres 2003 ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen:

6. Dänemark nimmt nicht an dem neuen EURODAC-System teil. Wie wirkt sich dies auf die Wirksamkeit des Systems in Hamburg aus?

Durch die Nichtteilnahme von Dänemark am EURODAC-System ist bei einem Abgleich nicht zu erkennen, ob eine Person in Dänemark schon einmal in Verbindung mit dem unerlaubten Überschreiten der Außengrenze registriert oder als Asylbewerber erfasst wurde.

7. Wie ist der Stand bei der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, das der Europäische Rat in Tampere 1999 gefordert hat?

a) Welche Position vertritt Hamburg in diesem Zusammenhang?

b) Welche Initiativen oder Maßnahmen hat der Senat über das Hanse-Office oder den Bundesrat auf diesem Feld ergriffen?

8. Wie ist der Stand der Beratungen zu einer gemeinsamen europäischen Visa-Politik?

a) Welche Position vertritt Hamburg in diesem Zusammenhang?

b) Welche Initiativen oder Maßnahmen hat der Senat bisher über das Hanse-Office oder den Bundesrat auf diesem Feld ergriffen?

Als wesentliche Bestandteile eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems sind ­ aus einer Vielzahl weiterer Rechtsakte, Vorschläge und Äußerungen von Gemeinschaftsorganen ­ hervorzuheben.