Korruptionsprävention und -bekämpfung im öffentlichen Sektor
Korruption muss in allen Bereichen unserer Gesellschaft entschlossen entgegengetreten werden. Das gilt sowohl für den privaten, insbesondere aber für den öffentlichen Sektor. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf eine Verwaltung verlassen dürfen, die den geltenden Gesetzen entsprechend handelt. Das Fehlverhalten einiger weniger Staatsbediensteter kann zu einem Ansehensverlust aller Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes und somit des Staates als Ganzem führen. Der Staat hat daher dafür Sorge zu tragen, dass durch präventive Maßnahmen korruptes Verhalten von vornherein weitestgehend verhindert und Korruption entschieden verfolgt wird, die Bediensteten vor ungerechtfertigten Verdächtigungen aber auch geschützt werden. Jeder bekannt gewordene Korruptionsfall muss Anlass zur Überprüfung und Verbesserung der Präventionsmaßnahmen sein.
Der Senat hat am 12. November 2002 ein neues Konzept zur Bekämpfung der Korruption beschlossen und der Öffentlichkeit stichpunktartig vorgestellt.
Wir fragen daher den Senat.
Korruption gefährdet die soziale und demokratische Ordnung der Gesellschaft, indem sie die Prinzipien der Gleichheit vor dem Gesetz, der Unparteilichkeit der Amtsführung in der öffentlichen Verwaltung sowie des fairen Wettbewerbs in der freien Wirtschaft verletzt und eine intransparente, auf Privilegien gegründete Wirtschaft fördert.
Korruptes und damit kriminelles Verhalten ist in unserer Gesellschaft weiter verbreitet, als es bisher bekannt geworden ist. Die materiellen Schäden sind außerordentlich; die Vertrauensschäden für Verwaltung, Wirtschaft und Politik nicht abzuschätzen.
Deutschland befand sich im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) der weltweit führenden Nichtregierungsorganisation im Kampf gegen Korruption, Transparency International (TI), für das Berichtsjahr 2001 lediglich auf Platz 18.
Der CPI 2002 ist in Verbindung mit dem Bribe Payers Index 2002 (BPI) zu betrachten, der die führenden Exportnationen hinsichtlich der Bereitschaft ihrer Unternehmen und Wirtschaftssektoren auflistet, Bestechungsgelder in Schwellenländern zu zahlen oder anzubieten, um in diesem Land Geschäfte abzuschließen oder im Geschäft zu bleiben. Hier rangiert Deutschland auf dem 10. Rang.
Korruption spielt sich hauptsächlich im Geheimen ab. Korrumpierender und Korrumpierter sind jeweils Täter, die ein gemeinsames Geheimhaltungsinteresse verbindet. Zeugen offenbaren sich nur selten.
Die Größe des Dunkelfelds ist nicht seriös schätzbar. Zur allgemeinen Dunkelfeldproblematik im Bereich der Korruptionsdelinquenz hat die Kriminologin Britta Bannenberg in ihrer umfassenden Untersuchung „Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle" (2002), die eine der ersten kriminologisch-strafrechtlichen Analysen auf diesem Gebiet darstellt, Folgendes konstatiert: „Die kriminologische Forschung hat noch vor einigen Jahren die Problematik sowohl der Korruption wie auch der organisierten Kriminalität als nicht existent betrachtet. So finden sich in der kriminologischen Literatur erst wenige Abhandlungen und wenige empirische Untersuchungen.
Es besteht keine Tradition empirischer Sozialforschung in Bezug auf Phänomene wie Korruption und Organisierte Kriminalität (OK). [...] Erst seit einigen Jahren wendet man sich diesem Thema kriminologisch zu. Der Zugang ist jedoch schwierig und Erkenntnisse sind bisher fast nicht vorhanden. Weder über Verbreitung noch über Strukturen der Wirtschaftskriminalität, der organisierten Kriminalität oder der Korruption bestehen verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse. Das hängt mit Besonderheiten dieser Deliktsformen zusammen, die ihre Ermittlung und Erfassung besonders erschweren. Entweder fehlt es an einem personalen Opfer oder die Beteiligten sind alle Täter. Mit dem Ausfall des Opfers fehlt aber auch der typische Informant für die Strafverfolgungsbehörden. Delikte dieser Art sind auch nicht einfach für Dritte beobachtbar. Grundsätzlich wird von einer Verdeckung und Abschottung der Tathandlungen auszugehen sein. Dunkelfelderhebungen, die auf Täter- oder Opferbefragungen beruhen, sind deshalb bisher ebenso selten wie umfassende Erfassungen in den Kriminalstatistiken. Diese Delikte werden auch opferlose Delikte und Kontrolldelikte genannt. Bisheriges Wissen über Korruptionsstraftaten wird deshalb verständlicherweise häufig aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden vermittelt." Bürger und Staat werden durch die erheblichen Schäden, die durch Korruptionstaten verursacht werden, häufig in doppeltem Maße belastet: primär durch die missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern und sekundär durch erhöhte Folgekosten, die zur Kostendeckung der „Korruptionskosten" aufgewendet werden müssen.
Damit ist aber keine allgemeine Verdachtslage geltend zu machen. „Korruption" kann definiert werden als strafrechtlich verbotenes Handeln oder Unterlassen, das unter Missbrauch einer amtlichen Funktion in Eigeninitiative oder auf Veranlassung auf die Gewährung oder Erlangung eines materiellen oder immateriellen Vorteils für sich oder einen Dritten gerichtet ist.
Bei den zentralen Straftatbeständen der Korruption handelt es sich um Vorteilsannahme (§ 331 StGB). Bestechlichkeit (§ 332 StGB). Vorteilsgewährung (§ 333 StGB). Bestechung (§ 334 StGB).
Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung (§ 335 StGB). Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB).
Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 300 StGB).
Hinsichtlich der vorgenannten Strafvorschriften haben sich zum Teil gravierende Veränderungen durch die Umsetzung des Korruptionsbekämpfungsgesetzes im Jahre 1997 ergeben. Dieses führte zu einer Ausweitung der Straftatbestände, einer Erhöhung der Strafandrohung sowie einer Vorverlagerung der Strafbarkeit in das bis dahin straflose Vorfeld.
Diese Delikte treten in der Regel in Verbindung mit weiteren Straftaten auf. Zu den so genannten Begleitdelikten gehören insbesondere: Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), Betrug (§ 263 StGB), Subventionsbetrug (§ 264 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB), Wettbewerbseinschränkende Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB), Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB), Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b StGB), Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabenordnung). Hintergrund der meist unterschiedlichen Motive von „Gebern" und „Nehmern", wie etwa Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, Gewinnsicherung, Unzufriedenheit und fehlender Anerkennung im Beruf, sind mögliche Ursachen für Korruption insbesondere gesellschaftlicher Wertewandel und mangelndes Unrechtsbewusstsein, eine mangelnde Transparenz, zunehmende Wahrnehmung bisher öffentlicher Aufgaben durch die Privatwirtschaft mit der Folge verstärkter Bindungen und Abhängigkeiten zwischen dem öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft, Kontroll- und Regelungsdefizite innerhalb der Behörden wie beispielsweise mangelnde Dienst- und Fachaufsicht, unzureichende Aus- und Fortbildung, fehlende präventive Mechanismen wie z. B. ein konsequent eingehaltenes Mehr-Augen-Prinzip in korruptionsgefährdeten Bereichen, zu große Entscheidungs- und Ermessensspielräume einzelner Mitarbeiter/innen oder ineffektives Controlling.
Begünstigend wirkt sich die Problematik eines teilweise defizitären rechtlichen Instrumentariums aus, die ein entsprechend niedriges Entdeckungsrisiko von Korruptionstaten nach sich zieht und damit eine effiziente Strafverfolgung erschwert. Hinzu kommt die Notwendigkeit eines hohen Ressourceneinsatzes (Personal, Zeit, Wissen) seitens der Strafverfolgungsbehörden.
Für die Korruptionsbekämpfung ist in der hamburgischen Verwaltung ein Ansatz etabliert, der drei miteinander korrespondierende Maßnahmenbündel umfasst (so genannter Drei-Säulen-Ansatz):
Schaffung korruptionsresistenter Abläufe innerhalb der Verwaltung, die durch geeignete innerbehördliche Kontroll- und Steuerungsmechanismen zu verankern und ständig zu verbessern sind.
Sensibilisierung durch Aus- und Fortbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit, zu deren Zielgruppe nicht nur Mitarbeiter, sondern auch und vor allem Vorgesetzte gehören.
Konsequente straf- und disziplinarrechtliche Verfolgung, die in Hamburg etwa durch eine enge, unmittelbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) und einer ausschließlich für Korruptionsverfahren zuständigen Abteilung der Staatsanwaltschaft gewährleistet ist. Weiterhin erfolgt ein direkter Informationsaustausch mit den Disziplinarvorgesetzten (innerhalb der Polizei), der Steuerverwaltung sowie den Innenrevisionen der einzelnen Fachbehörden.
Ein entscheidender Faktor erfolgreicher Korruptionsbekämpfung ist der politische Wille, effektiv gegen Korruption vorzugehen. Unter anderem ist deshalb eine auf diese Delikte spezialisierte Abteilung bei der Staatsanwaltschaft eingerichtet worden und D.I.E. direkt beim Staatsrat der Behörde für Inneres angebunden. Darüber hinaus werden die Belange der Korruptionsbekämpfung behördenübergreifend verbunden. Deshalb hat der Senat im November 2002 ein Konzept zur konsequenten Verbesserung der Korruptionsbekämpfung beschlossen.
Dadurch wird nunmehr den Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, die selbst in Korruptionsvorwürfe involviert sind, vom Dienstherrn in Aussicht gestellt werden, dass von disziplinarischen oder arbeitsrecht2 lichen Konsequenzen abgesehen werden kann, sofern sie an der Aufklärung der Taten aktiv mitwirken oder mitgewirkt haben und einen Beitrag zur Schadenswiedergutmachung leisten.
Zu diesem Maßnahmentableau einer effektiven Korruptionsbekämpfung gehört insbesondere die Erlangung von Informationen über korruptive Handlungen. Die Überlegungen in den zuständigen Behörden gehen dabei von der Initiierung gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz so genannter Whistleblower, Zeugen oder Hinweisgeber bis hin zu einer Unterstützung der Wirtschaft, die derzeit beabsichtigt, eine externe Vertrauensstelle durch ein Rechtsanwaltsbüro installieren zu lassen, das Informationen von Hinweisgebern sammelt und bewertet, um ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zu ermöglichen, und das den Hinweisgeber im Einzelfall vor ungerechtfertigter Benachteiligung durch Kollegen, Vorgesetzte oder Konkurrenten schützen soll.
Die nachstehenden Antworten auf der Grundlage der Beiträge der einzelnen Fachbehörden erheben nicht den Anspruch, allumfassend zu sein.
Aufgrund des Umfanges der für die Beantwortung der Fragen notwendigen Erhebungen und der für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit konnte nicht sichergestellt werden, dass die einzelnen Behörden sich abschließend geäußert haben.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.
1. Kontrolle der Verwaltung durch Innenrevisionen
Die Selbstkontrolle gehört zu den Pflichtaufgaben der Verwaltung. Nur so kann zielgerichtetes Handeln verwirklicht werden, denn Kontrollinformationen sind notwendige Grundlage für Korrekturen und Effizienzsteigerung in Vollzug und Planung. Eine wichtige Kontrolleinrichtung der Verwaltung, insbesondere im Rahmen der Korruptionsbekämpfung, stellt die Innenrevision dar.
Die Innenrevisionen (IR) der Behörden richten ihre Aufgabenplanung nach Risikogesichtspunkten aus.
Dies schließt Korruptionsrisiken ein. Die Bekämpfung von Korruption ist insoweit, wie die Bekämpfung jeder Art von Unrechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, integraler Bestandteil der Aufgaben der IR.
Eine wesentliche Grundlage für die Aktivitäten der Innenrevision ist eine risikoorientierte Prüfungsplanung, die maßgeblich auf Risikobewertungen im Zusammenhang mit durchgeführten Risikoanalysen beruht. Die hieraus resultierenden Prüfaufträge bedürfen keines vorliegenden Verdachts.
Unabhängig davon haben die Innenrevisionen im Rahmen ihrer Mitteilungspflichten in Verdachtsfällen die Strafverfolgungsbehörden bzw. die Zentralstellen zu unterrichten. Dies kann im Einzelfall bedeuten, dass die Innenrevisionen im Auftrag der jeweiligen Behördenleitung im Vorfeld eines Strafermittlungsverfahrens Prüf- und Kontrollaufgaben wahrnehmen.
Dies sind die Zentralstellen gemäß Ziffer 5 der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung (insbesondere Korruptionsprävention) vom 31. August 2001 (MittVw 2001, Seite 191).
Behörde und jeweils nachgeordnete Dienststellen
a) Aufgaben, Kompetenzen und Prüfungsbefugnisse
b) verdachtsunabhängige Kontrollen Senatskanzlei entfällt Personalamt entfällt.
Senatsamt für Bezirksangelegenheiten
a) gemäß Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft zu „Kontrollverfahren und Kontrollinstrumenten in der hamburgischen Verwaltung" (Drs. 13/3265)
b) ja Senatsamt für die Gleichstellung entfällt Justizbehörde
a) Die Innenrevision hat durch umfassende und systematische Prüfungen festzustellen, ob
· das Interne Kontrollsystem sowie die Informations- und Ablaufsysteme in der Behörde lückenlos aufgebaut sind,
· die Grundsätze wirtschaftlichen Handelns beachtet werden,
· die Vermögenswerte ausreichend gesichert werden,
· die gesetzlichen Regeln eingehalten werden,
· die Zielvorgaben für Geschäftsprozesse oder Programme eingehalten werden.
b) Ja.
Behörde f. Bildung u. Sport (BBS)
a) uneingeschränktes Akteneinsichts- und Prüfungsrecht
b) ja BBS -Landesbetrieb VHS entfällt Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF)
a) gemäß Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft zu „Kontrollverfahren und Kontrollinstrumenten in der hamburgischen Verwaltung" (Drs. I.d.R. finden 2 x jährlich Abstimmungsgespräche mit der Behördenleitung statt.