Mehrwertsteuer

Die Drucksache 17/2543 ist dem Bau- und Verkehrsausschuss am 15. April 2003 gemäß § 53 Absatz 1 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft im Vorwege durch die Präsidentin der Bürgerschaft überwiesen worden. Der Bau- und Verkehrsausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 15. Mai 2003 abschließend mit der Vorlage.

II. Beratungsinhalt:

Die Senatsvertreter erläuterten eingangs den Inhalt der Drucksache.

Die CDU-Abgeordneten bezogen sich auf die nur bis zum Jahre 2007 vorgesehenen Regionalisierungsmittel und den um zwei Jahre länger dauernden Verkehrsvertrag zwischen der S-Bahn Hamburg GmbH und erkundigten sich nach den diesbezüglich getroffenen Einigungen.

Die Senatsvertreter führten aus, dass sie sich mit der Bahn auf eine Weiterführung des Vertrages verständigen würden, und gingen davon aus, dass diese auch realisiert werden könne. Werde man sich nicht einig, bestünde die Möglichkeit, nur Mittel in Höhe der Transfermittel, die das Land über das Regionalisierungsgesetz bekäme, für die verbleibenden zwei Jahre an die S-Bahn Hamburg GmbH weiterzuleiten. Diese werde im Gegenzug berechtigt, die Leistungen entsprechend zu kürzen.

Die SPD-Abgeordneten kamen nochmals darauf zu sprechen, warum der Vertrag nicht 2007 ende.

Die Senatsvertreter erklärten, dass sich bei Abschluss eines Vertrages beide Seiten über den Inhalt einigen müssten. In diesem Fall habe man sich auf eine Laufzeit von acht Jahren einigen können, was ein sehr gutes Verhandlungsergebnis sei, da alle anderen Länder Verträge mit Laufzeiten von zehn Jahren abgeschlossen hätten.

Die SPD-Abgeordneten meinten, dass Hamburg nicht mit den anderen Bundesländern zu vergleichen sei, da in Hamburg die verkehrsbezogenen Probleme nicht so strukturiert seien, dass die Bahn Druck ausüben könne.

Die SPD-Abgeordneten sprachen Presseberichte an, nach denen es zwischen der Bahn und den Landkreisen Probleme gebe, und baten die Senatsvertreter, die eventuellen Auswirkungen zu erläutern.

Die Senatsvertreter stellten richtig, dass für die S-Bahn-Verlängerung nach Stade die Landesregierung und nicht die Landkreise zuständig sei. Die angesprochenen Presseberichte wären ihnen nicht bekannt. Nach Auskunft der S-Bahn Hamburg GmbH gebe es allerdings in einem Punkt unterschiedliche Auffassungen zwischen der S-Bahn Hamburg GmbH und dem Land Niedersachsen, der zurzeit zu klären versucht würde.

Die CDU-Abgeordneten zitierten eine Schlagzeile der „Harburger Rundschau" vom 15. Mai 2003 „S-Bahn Stade ­ neue Zweifel". Der Artikel beinhalte neue Forderungen der S-Bahn Hamburg GmbH, woraufhin das Land Niedersachsen auf deren Ausstiegsoption hingewiesen habe, was auf Abgeordnetenseite eine Anfrage an die Landesregierung zur Folge hatte. Sie baten die Senatsvertreter, den Stand der Verhandlungen sowie die Ausstiegsoption zu erläutern.

Diese erklärten, dass die S-Bahn Hamburg GmbH die Preise der Fahrzeuge aushandeln und die Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitpunkt bestellen müsse. Beide Seiten hätten sich bezüglich der Fahrzeugbeschaffung ein Rücktrittsrecht vorbehalten, falls man sich nicht einig werden könne, was unwahrscheinlich sei, da sowohl die S-Bahn Hamburg GmbH als auch die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen an der Realisierung des Vorhabens interessiert seien.

Die CDU-Abgeordneten stellten die Frage, wie es zu verstehen sei, dass den Verkehrsleistungen „im Wesentlichen" die Qualitäts- und Bedingungsstandards des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) zugrunde lägen und ob Veränderungen gegenüber den bisherigen Vereinbarungen vorgenommen würden.

Die Senatsvertreter gaben an, dass mit der Regional- und Gleichstrom-S-Bahn ergänzende Regelungen im Hinblick auf Pünktlichkeit und Anschlusssicherung, Beschwerdemanagement, Betriebsunterbrechungen sowie Sicherheit und Fahrkartenkontrolle ­ die so genannten Rot-Jacken des Begleitservices ­ getroffen worden seien. Beim Begleitservice der S-Bahn werde der Qualitätsstandard der Hochbahn angestrebt.

Die SPD-Abgeordneten fragten nach, inwieweit der behindertengerechte Ausbau von Bahnhöfen und Haltestellen Teil der Qualitätsstandards sei und ob die Sicherheitsvorkehrungen, wie Sprinkleranlagen, Feuerschutztüren usw., denen der U-Bahn entsprächen.

Die Frage der Bahnhöfe sei nicht Gegenstand des Verkehrsvertrages, so die Senatsvertreter. In diesem ginge es nur um die Verkehrsleistungen an sich. Die S-Bahn-Züge seien vom Eisenbahnbundesamt zugelassen worden und entsprächen den heutigen Sicherheitsstandards. Der nachträgliche Einbau von Sprinkleranlagen wäre sehr teuer und sei deshalb nicht als Bedingung in den Vertrag mit aufgenommen worden.

Die GAL-Abgeordneten konnten nicht nachvollziehen, warum keine Ausschreibung der Verkehrsleistungen erforderlich sei, da die S-Bahn Hamburg GmbH beispielsweise in Schleswig-Holstein in Konkurrenz zu anderen Unternehmen stünde. Sie stellten die Frage, wie eine Aufstockung der vertraglich festgeschriebenen Zugkilometer, im Falle einer Taktverdichtung o.Ä., geregelt werde.

Ab dem Jahre 2009 seien Ausschreibungen vorgesehen, so die Senatsvertreter. In Hamburg würden Gleichstromfahrzeuge eingesetzt, die nur in Hamburg eingesetzt werden könnten. Ein sich um die Verkehrsleistungen bewerbendes Unternehmen müsste die im Eigentum der S-Bahn Hamburg GmbH stehenden Fahrzeuge übernehmen oder neue beschaffen. Mehrleistungen könnten jederzeit vereinbart werden, sofern Mittel vorhanden sind.

Die SPD-Abgeordneten kamen auf das Risiko einer Umsatzsteuerpflicht für bestellte Verkehrsleistungen zu sprechen.

Die Senatsvertreter erklärten, dass Hamburg als einziges Land Zuwendungen gezahlt habe. Steuerrechtlich sei nicht relevant, ob die Zahlungen über einen Zuwendungsbescheid oder aufgrund eines Vertrages gezahlt würden, sondern ob ein Leistungstausch vorläge. Einerseits definiere man in dem Vertrag zwar etliche Leistungen, die jedoch nicht von dem Land Hamburg, sondern von den Fahrgästen entgegengenommen würden. Die Frage einer Besteuerung sei noch nicht endgültig beantwortet, es gebe jedoch einen Beschluss der Finanzministerkonferenz aus dem Jahre 1995, der besage, dass diese Art von Verträgen nicht mit der Umsatzsteuer belastet werden sollen. Eine Besteuerung hätte erhebliche Auswirkungen auf alle Bundesländer und würde ihnen hohe zusätzliche Kosten verursachen.

Die SPD-Abgeordneten hielten es dennoch für sicherer, die Zahlungen mittels Zuwendungsbescheid vorzunehmen.

Die Senatsvertreter entgegneten, dass entscheidend sei, ob die Mittel für die bestellten Verkehrsleistungen vorhanden seien. Die von anderen Bundesländern abgeschlossenen Verkehrsverträge hätten bisher nicht zu einer Umsatzsteuerpflicht geführt. Die durch die Einführung einer Umsatzsteuer für die Bundesländer entstehenden Kosten müssten nach heutiger Praxis durch eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel aufgefangen werden, außer der Bund entscheide, diese nicht entsprechend anzupassen. Da die Bundesländer durch diese Besteuerung erheblich betroffen wären, bedürfte es der Zustimmung des Bundesrates, die aufgrund der hohen finanziellen Mehrbelastung nicht zu erwarten sei. Der Verkehrsvertrag beinhalte ein geringes Risiko, aber den Vorteil, einen Vertragspartner zu haben, der aufgrund der längeren Laufzeit bereit sei, in Verkehrsinfrastruktur und Attraktivität des ÖPNV zu investieren.

Die SPD-Abgeordneten betonten, dass im Bundesfinanzministerium die Mehrwertsteuerpflicht festgelegt werde. Sollte diese endgültig beschlossen sein, müsste sie ­ auch wenn dagegen geklagt werden würde ­ erst einmal gezahlt werden. Das hätte zur Folge, dass die jetzt festgelegten Leistungen 16 Prozent mehr kosten würden oder die Leistungen entsprechend vermindert werden müssten. Darüber hinaus könnten sie nicht nachvollziehen, warum der bis 2009 laufende Vertrag zeitlich nicht an die nur bis 2007 zugewiesenen Regionalisierungsmittel angeglichen worden sei. Dies stelle ein Risiko dar, welches nicht eingegangen werden müsse.

Für die Senatsvertreter sei entscheidend, das Risiko abschätzen zu können sowie die geringe Wahrscheinlichkeit, dass es eintrete. Vielleicht sei der jetzige Senat etwas entscheidungs- und risikofreudiger als die Vorgängersenate, was man auch schon an anderer Stelle bewiesen habe. Manchmal müsse man Mut zum Risiko haben, um etwas zu erreichen. In Bezug auf die bis 2009 dauernde Laufzeit des Vertrages führten sie aus, dass man nicht in Legislaturperioden denken solle, sondern daran, was gut und richtig für Hamburg sei.

Die CDU-Abgeordneten bemerkten, dass die SPD-Abgeordneten Hamburgs ihren Einfluss auf Bundesebene nutzen könnten, um den öffentlichen Nahverkehr nicht zu verteuern. Das von den SPD-Abgeordneten angesprochene Risiko könnte von ihnen selbst verringert werden.

Die SPD-Abgeordneten hielten es für absurd, dass die Hamburger Opposition über aus Hamburg stammende und der Regierung angehörende Staats- und Generalsekretäre oder Fraktionsvorsitzende die von der Hamburger Regierung eingegangenen Risiken zu vermindern versuchen solle. Die SPD-Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft würden die Regierungsfraktionen auf bestehende Risiken hinweisen, alles Weitere läge alleine in der Verantwortung der Regierungskoalition, die das Risiko eingehen wolle, nicht kalkulierte 16 Prozent Umsatzsteuer zahlen zu müssen.

Selbstverständlich wolle man die Verantwortung nicht in die Hände der Bundesregierung legen, stellten die Senatsvertreter klar, dennoch könne von Seiten der Hamburger Genossen auf das bestehende Risiko aufmerksam gemacht werden. Der Senat habe seinerseits das Risiko eingeschätzt sowie Vorund Nachteile abgewogen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Risiko beherrschbar sei. Darüber hinaus seien alle Teilnehmer der Bundesverkehrsministerkonferenz von einer Nichtbesteuerung ausgegangen.

Die FDP-Abgeordneten wollten wissen, ob das Land Hamburg dem Bund Umsatzsteuer zahlen müsse, wenn dieser eine Besteuerung beschließe, auch wenn er nicht im Gegenzuge die Regionalisierungsmittel erhöhe, was entweder Mehrkosten oder eine Verminderung der Leistungen zur Folge hätte, was die Senatsvertreter bejahten.

Die FDP-Abgeordneten schätzten daraufhin das Risiko beim Verkehrsvertrag und beim Zuwendungsverfahren gleich hoch ein.

Auch die Senatsvertreter sahen keinen Unterschied, mit Ausnahme der längeren Laufzeit des Verkehrsvertrages.

Die SPD-Abgeordneten betonten, dass der über acht Jahre laufende Verkehrsvertrag die Position des Landes Hamburg erheblich schwäche. Einen derart bindenden Vertrag dennoch abzuschließen müsse demnach erhebliche Preis- oder Leistungsvorteile bringen, die ihrer Meinung nach von den Senatsvertretern noch nicht dargelegt worden seien. Ein drei oder vier Jahre laufender Vertrag sei ausreichend gewesen. Auch wenn der Senat sein Handeln als entscheidungs- und risikofreudig ansehe und der Zukunft zuversichtlich entgegensehe, würden die maßgeblichen Entscheidungen nicht von ihm getroffen werden.

Die Senatsvertreter erklärten, ebenfalls einen Vertrag mit kürzerer Laufzeit vorzuziehen, der jetzt vor Abschluss stehende sei jedoch der für beide Vertragspartner tragbare Kompromiss. Für den Fall, dass der Bund wider Erwarten dennoch eine Umsatzsteuerpflicht beschließe, seien entsprechende Vereinbarungen mit der Bahn getroffen worden. Im Vertragstext sei aufgenommen worden, dass man davon ausgehe, dass der im Vertrag geregelte Beitrag nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliege, was wesentliche Grundlage des Vertrages im Sinne des § 13 Absatz 1 BGB sei. Werden die vereinbarten Leistungen nicht mehr bezahlt werden oder die Leistungen nicht mehr gekürzt werden können, könne man ggf. aus dem Vertrag aussteigen.

Auch wenn man eventuell vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen könne, sei die Umsatzsteuer zu zahlen, entgegneten die SPD-Abgeordneten. Bei einem Zuwendungsbescheid sei das Risiko viel geringer.

Bei der Feststellung der Umsatzsteuerpflicht sei es völlig unerheblich, ob die Zahlungen durch einen Vertrag oder durch einen Zuwendungsbescheid geleistet würden, so die Senatsvertreter. Einziger Unterschied sei die Vertragslaufzeit von acht Jahren, wobei ein vorzeitiges Ausscheiden bei den vorab genannten Gründen vertraglich festgehalten sei. Der jetzige Senat beurteile das Risiko nicht so hoch, als dass dies einen Ausschlussgrund für den Abschluss eines Vertrages darstellen würde, und bevorzuge längerfristige und vertraglich festgehaltene Leistungen.

Die SPD-Abgeordneten hielten die Einschätzung für eine politische Entscheidung, da die das Risiko beurteilenden Mitarbeiter die gleichen geblieben wären.

Die CDU-Abgeordneten schätzten das Risiko eines Vertrages ebenfalls als nicht so hoch ein, gerade weil auch andere Bundesländer Verkehrsverträge abgeschlossen hätten.

Die SPD-Abgeordneten wollten wissen, warum die S-Bahn-Verlängerung nach Stade erst für das Jahr 2007 vorgesehen sei und ob es nicht sinnvoll wäre, eine 24-Stunden-Frist für die Beseitigung von Graffiti vertraglich abzusichern, wie es beispielsweise in Berlin der Fall sei.

Die Herstellung der Fahrzeuge nehme in der Tat einige Zeit in Anspruch, da sie beispielsweise vor ihrem Einsatz erprobt werden müssten, so die Senatsvertreter. In Hamburg bestünde die Regelung, alle Verschmutzungen so schnell wie möglich zu beseitigen. Das Problem der S-Bahn sei die nicht ausreichende Fahrzeugreserve und somit müssten bei Bedarf auch beschmierte Fahrzeuge eingesetzt werden, um den Verkehr aufrechtzuerhalten. Dies sei sehr bedauerlich und ermutige Nachahmer.

Die GAL-Abgeordneten erkundigten sich nach den konkreten Vorteilen eines Verkehrsvertrages gegenüber einer Zuwendung. Insbesondere interessierten sie sich für die gesteigerte Investitionsbereitschaft der Bahn.

Durch den Verkehrsvertrag würden alle Rechte und Pflichten langfristig gesichert, so die Senatsvertreter. Beide Vertragspartner seien aufeinander zugegangen. Die S-Bahn Hamburg GmbH habe sich für acht Jahre ­ weit weniger als in anderen Bundesländern ­ verpflichtet, die vereinbarten Verkehrsleistungen für bestimmte Konditionen zu erbringen. Danach würden die Leistungen in den Wettbewerb gehen. Neben den vertraglich festgehaltenen und bereits erläuterten Investitionen würde im Zuge der geplanten Verlängerung nach Stade in die Fahrzeuge investiert.

III. Ausschussempfehlung:

Der Bau- und Verkehrsausschuss empfiehlt der Bürgerschaft mit Mehrheit gegen die Stimmen der SPD und bei Enthaltung der GAL,

1. von der Absicht, einen Verkehrsvertrag über den Schienenpersonennahverkehr mit der S-Bahn Hamburg GmbH abzuschließen, Kenntnis zu nehmen und den finanziellen Auswirkungen zuzustimmen,

2. von der Stellungnahme zum bürgerschaftlichen Ersuchen, Drucksache 17/1417, Kenntnis zu nehmen sowie

3. von vorstehendem Bericht Kenntnis zu nehmen.