Gewaltprävention an Grundschulen

In verschiedenen Bürgerschaftsdrucksachen ­ genannt seien Drucksachen 17/2211 und 17/2610 ­ wird von einer aktuell „dramatischen Zunahme von Gewalt in Schulen" ausgegangen. Der Senat hat in der Handreichung „Gewalt in der Schule, was ist zu tun?" die in den letzten Jahren entwickelten und implementierten Maßnahmen zu Gewaltprävention und Konfliktbewältigung im Schulbereich dargestellt.

Für die Grundschulen gibt es allen voran das Programm „Fit und stark fürs Leben". Dieses in erster Linie zur Suchtprävention entwickelte Programm wurde 1998 begonnen und besteht aus mehreren Unterrichtsmodulen. Jedes Modul ist klassenstufenspezifisch entwickelt worden und enthält in der Regel 20 Unterrichtsabschnitte.

Als ein Defizit wird in der Handreichung dargelegt, dass die Fortbildungsangebote des (damaligen) IfL noch nicht in hinreichendem Maße die Bereiche Krisenintervention und das Konfliktmanagement umfassten. Vor allem solle ein Gesamtcurriculum entwickelt werden, das die Angebote systematisiert und in inhaltlichen und logischen Bezug bringt.

Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat.

Die Hamburger Grundschulen setzen mit unterschiedlichen Ansätzen und Methoden den erzieherischen Auftrag der Schule um, Kindern soziale Kompetenzen für den friedfertigen Umgang miteinander zu vermitteln. Dabei nutzen die Lehrkräfte zur eigenen Kompetenzerweiterung Fortbildungsangebote des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), Angebote anderer Bildungsinstitutionen, Konzepte und Programme aus Forschung und Literatur sowie beispielsweise auch Elemente der Spiel- und Theaterpädagogik (Interaktions- und Rollenspiele).

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Worin unterscheiden sich die verschiedenen derzeit an Hamburger Schulen im Unterricht verwendeten Programme zu Gewaltprävention, Stärkung der psychosozialen Kompetenz, Entwicklung von Strategien zur gewaltfreien Konfliktbewältigung in konzeptioneller Hinsicht?

Hamburger Grundschulen können auf Programme zum Sozialen Lernen und zur Konfliktbewältigung zurückgreifen. Handbücher und Materialsammlungen sind im Handel verfügbar, Beratung dazu kann bei der Beratungsstelle Gewaltprävention abgefragt werden. Beispielhaftes Material: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule (Walker, 1995), Mädchen sind besser ­ Jungen auch (Welz & Dussa, 1998), Konfliktlotsen (Hagedorn, 2000), Streit-Training (Schwarzhans, Hauck & Redlich, 2001), Achtsamkeit und Anerkennung (BZgA, 2002).

Das schulische Programm „Fit und stark fürs Leben" (Burow, Aßhauer & Hanewinkel, 1998) besteht aus insgesamt vier aufeinander aufbauenden Unterrichtsmanualen für die Klassenstufen 1/2, 3/4, 5/6 und 7/8. Jedes Manual enthält in der Regel 20 Unterrichtseinheiten, die eine Förderung der Kompetenzen in den Bereichen Selbstwahrnehmung und Einfühlungsvermögen, Umgang mit Stress und negativen Emotionen, Kommunikation, kritisches Denken, Standfestigkeit, Problemlösen und gesundheitsrelevantes Wissen anstreben.

Im Gegensatz zum Programm „Fit und stark fürs Leben", dessen generelle Zielrichtung die allgemeine Persönlichkeitsstärkung und Gesundheitsförderung ist, ist das Programm „Faustlos" speziell auf die Verminderung von aggressivem und gewalttätigem Verhalten ausgerichtet.

2. Hat das IfL bzw. inzwischen das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung bereits begonnen, ein Gesamtcurriculum zu entwickeln und die Angebote für Krisenintervention und Konfliktmanagement auszubauen?

Ja.

2. a) Wenn nein: Wann kann damit gerechnet werden?

Entfällt.

2. b) Wenn ja: Welchen Stand haben diese Arbeiten?

Mit der Integration der Beratungsstelle Gewaltprävention in das LI seit April 2003 ist der erste Schritt zur Verbesserung der Angebotsstruktur für Krisenintervention, Konfliktmanagement und Lehrerausund -fortbildung erfolgt.

Im LI wird ein umfangreiches Fortbildungskonzept für Lehrkräfte und Funktionsträger entwickelt, das unter anderem den Erwerb von Deeskalationstechniken, den Umgang mit Gewalthandlungen und Konfliktmanagement beinhaltet. Dabei wird zwischen Basis- und Aufbaukursen, Multiplikatorentrainings und schulinternen Fortbildungsangeboten unterschieden. Die Angebote werden im Rahmen des Gesamtangebots des LI veröffentlicht.

2. c) Welche Planungen bestehen in diesem Zusammenhang insbesondere für den Bereich der Grundschulen?

Der Bereich Grundschule wird im Rahmen dieser Angebote berücksichtigt.

3. An wie vielen Schulen wird das Programm „Fit fürs Leben" derzeit durchgeführt?

a) Welche Schulen sind dies?

b) Wie viele Klassen in welchen Klassenstufen werden erfasst?

Die Zahl der Schulen, an denen das Programm „Fit und stark fürs Leben" derzeit durchgeführt wird, wird in der zuständigen Behörde nicht erhoben. Das Programm wird vom Klett-Verlag herausgegeben, ist im Buchhandel erhältlich und kann daher von Lehrkräften auf eigene Initiative angewendet werden.

Eine Fortbildung zum Programmeinsatz wird vom Sucht-Präventions-Zentrum (SPZ) der Behörde für Bildung und Sport vorgehalten, ist aber nicht obligatorisch.

3. c) Wie viele Lehrkräfte haben an Fortbildungen für dieses Programm teilgenommen?

Lehrkräfte.

3. d) Wie bewertet der Senat die Wirksamkeit dieses Programms hinsichtlich der Zielsetzung Gewaltprävention?

Auf der Grundlage einer durchgeführten Untersuchung für die Klassenstufen 1/2 bewertet die zuständige Behörde die erreichten Ergebnisse insgesamt positiv. Bei der Überprüfung konnte festgestellt werden, dass das Programm breiter wirkt als zunächst geplant. Die frühzeitigen Interventionsmaßnahmen konnten nicht nur eine Verzögerung des Einstiegs in den Tabakkonsum bewirken, sondern hatten auch einen positiven Einfluss auf das Sozialverhalten der Schüler. Der stärkere Rückgang aggressiver Verhaltensweisen war im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant.

3. e) Wurde oder wird das Programm „Fit fürs Leben" seit seiner Einführung weiterentwickelt? Wenn ja: Von wem?

Ja, vom Institut für Praxis und Theorie der Schule (IPTS) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Therapieforschung (IFT-Nord) in Kiel sowie vom LI.

4. Welche Schritte zur Umsetzung der am 19. Februar 2003 beschlossenen Bürgerschaftsdrucksache 17/2211 hat der Senat inzwischen unternommen?

Der Leitung der zuständigen Behörde liegt ein Entwurf zur Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses zur Entscheidung vor. Dieser enthält die Schritte zur Umsetzung sowie zu den erforderlichen Beschaffungen und Fortbildungsmaßnahmen.

5. Welche Schulen sollen den beschlossenen Modellversuch durchführen?

a) Welche dieser Schulen haben sich selbst um die Teilnahme bemüht?

Es haben sich einige Schulen bei der Beratungsstelle Gewaltprävention und beim Referat Gewaltprävention über das Programm „Faustlos" und das Beteiligungsverfahren informiert. Die Anfragen der Schulen werden gesammelt und fließen in ein Ausschreibungsverfahren ein.

5. b) Wurden auch Schulen zur Teilnahme angewiesen?

Nein.

5. c) Wie viele Lehrkräfte haben an Qualifikationsmaßnahmen zur Durchführung des Programms „Faustlos" im Unterricht teilgenommen bzw. sollen dies tun?

Die Fortbildung von Lehrkräften zum Programm „Faustlos" hat noch nicht begonnen.

5. d) Wer führt diese Qualifikationsmaßnahmen durch bzw. darf sie durchführen?

e) Wurden für den Modellversuch Lernmaterialien von der zuständigen Behörde oder von einzelnen Schulen neu erworben?

i) Wenn ja: In welchem Umfang?

ii) Wenn nein: Gibt es bereits entsprechende zahlenmäßige Planungen?

iii) Welche Kostenfaktoren werden bei dem Modellversuch wirksam und in welcher Höhe fallen sie im Einzelnen an?

iv) Seit wann sind der zuständigen Behörde diese Kosten(faktoren) bekannt?

f) Aus welchem Einzeltitel werden die entsprechenden Maßnahmen und Anschaffungen finanziert?

g) Welche Möglichkeiten bestehen für Schulen oder das Landesinstitut für Lehrerbildung, das Programm „Faustlos" nach Erfahrungen oder speziellen Erfordernissen vor Ort abzuwandeln und weiterzuentwickeln?

h) In welcher Weise lässt sich das Programm in ein von der BBS angestrebtes Gesamtcurriculum für Gewaltprävention integrieren?

Siehe Antwort zu 4.

6. Welche Daten zur Entwicklung der Gewaltvorfälle an Hamburgs Schulen liegen der zuständigen Behörde bzw. der Innenbehörde vor?

Für Hamburg liegen der zuständigen Behörde Daten aus einer regional repräsentativen Schülerbefragung vor (Wetzels, Enzmann und Pfeiffer, 1999). Die Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) liefern Hinweise über angezeigte Straftaten. Es ist aber bekannt, dass nicht alle Straftaten bei den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden.

7. Wie bewertet der Senat bzw. die BBS diese Entwicklung?

Die Daten der Schülerbefragung in Verknüpfung mit den PKS-Daten belegen hohe Opferraten unter Jugendlichen, aber stagnierende bzw. sogar fallende Täterraten. Die Ansätze zur Gewaltprävention und die Maßnahmen gegenüber Gewalthandlungen unter Jugendlichen haben auch durch eine engere Zusammenarbeit von Schulen und Polizei Wirkung gezeigt. Dem dient auch das Programm „Cop4U".

Eine Fortsetzung der gewaltpräventiven Arbeit ist vorgesehen.