Transfer von Krankenversicherungsleistungen in das Ausland
Zwischen Deutschland und verschiedenen Ländern bestehende Abkommen regeln die Beziehungen zwischen den betreffenden Staaten im Bereich der sozialen Sicherheit. Durch diese Verträge wird vor allem wechselseitig der soziale Schutz der Staatsangehörigen des jeweils anderen Landes garantiert, insbesondere bei (zeitweiligem) Aufenthalt von Personen in diesem Staat. Neben bilateralen Abkommen existiert eine spezielle Verordnung, die für EU-Mitgliedsländer gilt. Diese integriert alle Sozialversicherungsträger, während in den bilateralen Abkommen meist nur bestimmte Versicherungszweige berücksichtigt werden.
Das Spezifikum einiger Abkommen besteht darin, dass der Personenkreis anspruchsberechtigter Familienangehöriger sich nach dem Recht des jeweils anderen Staates richtet. Zum Beispiel ist ein größerer Kreis von Angehörigen hiesiger türkischer Arbeitnehmer in der Türkei anspruchsberechtigt, als dies umgekehrt der Fall ist. Auch die Form des zwischenstaatlichen Transfers von Sozialversicherungsleistungen gestaltet sich unterschiedlich. Während beispielsweise ein Pauschalbetrag an die Türkei gezahlt wird, begleichen türkische Sozialversicherungen anfallende Zahlungen individuell.
Von den Leistungen, die im Rahmen der Sozialversicherungsabkommen in die betreffenden Länder transferiert werden, dürfen die Krankenversicherungsbeträge einen erheblichen Teil darstellen.
Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat.
Das überstaatliche Sozialversicherungsrecht unterliegt der Zuständigkeit des Bundes. Für die Krankenversicherung gelten innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums EWR (EU-Staaten sowie Island, Norwegen und Liechtenstein) die „Verordnung (EWG) Nummer 1408/71" und die „Verordnung (EWG) Nummer 574/72". Mit Staaten außerhalb des EWR sind einzelne bilaterale Abkommen geschlossen worden, von denen nur einige auch die Krankenversicherung bzw. Teilleistungen der Krankenversicherung umfassen.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen bilden die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA), die im über- und zwischenstaatlichen Krankenversicherungsrecht die ihr zugewiesenen Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung wahrnimmt. Die DVKA unterliegt als Körperschaft des öffentlichen Rechts der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales, eine Aufsichtszuständigkeit der Länder besteht nicht.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.
1. In welche Länder außerhalb der Europäischen Union werden von Deutschland aus Leistungen im Rahmen der Krankenversicherung transferiert?
Die Bundesrepublik Deutschland hat in den „Bilateralen Abkommen über Soziale Sicherheit" mit den Staaten Bosnien-Herzegowina, Jugoslawien (Serbien und Montenegro), Kroatien, Mazedonien, Polen (nur Grenzgänger), Schweiz, Slowenien, Tschechien, Türkei und Ungarn nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit die Erstattung von Sachleistungen geregelt (Sachleistungsaushilfe). Hierdurch wird der Krankenversicherungsschutz im jeweils anderen Staat beim vorübergehenden oder gewöhnlichen Aufenthalt im anderen Vertragsstaat sichergestellt.
2. Welche Länder werden im Zusammenhang mit diesen Leistungen mit Pauschalbeiträgen bedacht und in welchen werden individuelle Leistungen gewährt? (Bitte aufschlüsseln.)
Soweit der zuständigen Behörde bekannt, wurde in den bilateralen Abkommen mit den in der Antwort zu 1. aufgeführten Staaten ausschließlich die Erstattung von Pauschbeträgen durch die deutschen Krankenkassen an die Krankenversicherung im Staat des jeweiligen Abkommenspartners vereinbart.
In der Regel handelt es sich dabei um eine Familienpauschale für alle leistungsberechtigten Familienangehörigen der Versicherten. Die individuellen Leistungen für alle Familienangehörigen sind von der Krankenversicherung des jeweiligen Staates mit dieser Pauschale zu finanzieren.
3. In welchen (Nicht-EU-)Staaten ist der anspruchsberechtigte Personenkreis höher, als dies nach deutschem Recht der Fall ist? (Bitte nach Ländern aufschlüsseln, welche Angehörigen im Einzelnen anspruchsberechtigt sind.)
Der Kreis der anspruchsberechtigten Familienangehörigen richtet sich nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen.
In den Vertragsstaaten Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro sowie der Türkei gehören regelmäßig die Ehefrau, sofern sie nicht selbst versichert ist, und die minderjährigen Kinder eines Versicherten zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Die Eltern eines Versicherten sind nur ausnahmsweise dann anspruchsberechtigt, wenn sie nicht ohnehin leistungsberechtigt nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates aufgrund einer eigenen Versicherung oder der Versicherung einer anderen Person sind und der Versicherte ihnen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist.
Infolge des pauschalen Abrechnungsverfahrens je Familie gegenüber den Krankenversicherungen in den genannten Staaten ist es finanziell unbedeutend, wenn im Einzelfall der Kreis der mitversicherten Familienangehörigen nach den dortigen Rechtsvorschriften über den Kreis der nach den deutschen Rechtsvorschriften mitversicherten Familienangehörigen hinausgeht.
4. Wie hoch sind die Krankenversicherungsleistungen, die auf der Grundlage der bestehenden Sozialversicherungsabkommen in die einzelnen Länder außerhalb der EU transferiert werden? (Bitte Beträge und Länder aufschlüsseln.) Angaben sind nicht möglich, da nach von der zuständigen Behörde eingeholten Informationen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) keine gesonderten Statistiken über die Kosten führt, die für einzelne Abkommensstaaten angefallen sind.
Nach vorliegenden Informationen belief sich der zur Ausführung des Abkommens vereinbarte Monatspauschbetrag für die Betreuung einer Familie in der Türkei im Jahr 1999 (letzter abgerechneter Zeitraum) auf 34,71 DM.
5. Wie hoch sind die einschlägigen Kosten, die dadurch
a) für die Bundesrepublik Deutschland,
b) für die Freie und Hansestadt Hamburg entstehen?
Für Bund und Länder entstehen keine Kosten.
6. Welche Kompetenzen kommen der in Bonn ansässigen „Deutsche(n) Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland" zu?
Siehe Vorbemerkung.
7. Welche Initiativen sind geplant bzw. kommen in Betracht, um angesichts entsprechender Maßnahmen im Zusammenhang mit der anstehenden Gesundheitsreform auch in diesem Bereich Kosten dämpfende Wirkungen zu erzielen?
8. In welchem zeitlichen Abstand werden die bestehenden Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Ländern außerhalb der EU neu verhandelt und welche Aspekte spielen hier eine dominierende Rolle?
Nach vorliegenden Informationen sind im Bund derzeit keine Änderungen geplant.