Kriterien für die Vergabe städtischer Gewerbeflächen

Der Senat arbeitet bei der Vergabe städtischer Gewerbeflächen mit Kriterien in der Fassung vom 28.07.1999. Seitdem hat sich die konjunkturelle Situation geändert. Außerdem stellt nunmehr das Konzept „Wachsende Stadt" den Maßstab für die Weiterentwicklung dar.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Grundlage für Flächenüberlassungen im Rahmen der Wirtschaftsförderung sind die von der zuständigen Behörde entwickelten Kriterien zur Vergabe städtischer Gewerbegrundstücke. Diese (verwaltungsinternen) Kriterien berücksichtigen u. a. neue Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Leitbild „Metropole Hamburg ­ Wachsende Stadt", sind von der Kommission für Bodenordnung akzeptiert und werden regelmäßig überprüft. Bei der in der Anfrage zitierten Fassung vom 28.07.1999 handelt es sich um eine Kurzfassung, die u. a. zur Unterrichtung der Kammern diente.

In jedem Einzelfall findet ein Abwägungsprozess statt. Hierbei sind unterschiedliche Interessen zu bewerten; neben der Vielzahl der Bewerber um städtische Gewerbeflächen und deren Anliegen sind hierbei auch die wirtschaftspolitischen und sonstigen Zielsetzungen der Stadt zu berücksichtigen. An diesem Prozess beteiligt sind alle städtischen Akteure der Wirtschaftsförderung, d. h. neben den zuständigen Behörden die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH (HWF), der Mittelstandslotse sowie die Kommission für Bodenordnung.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Stärkung des Arbeitsplatzangebotes

­ Welche Bedeutung hat das Arbeitsplatzkriterium?

Angesichts der Arbeitsmarktsituation besitzt die Erhaltung und Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen erhebliche Bedeutung unter den wirtschaftspolitischen Zielen.

Die Deckung des Flächenbedarfs derjenigen Unternehmen, die vorhandene Arbeitsplätze sichern und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, hat im Abwägungsprozess grundsätzlich ein hohes Gewicht. Der hierbei zu berücksichtigende, keineswegs schematisch angewandte Richtwert „ein Arbeitsplatz pro 100 qm" ist dabei eine Zielsetzung bzw. nur ein Kriterium, dessen unterdurchschnittliche Erfüllung durch die gute Erfüllung anderer Kriterien kompensiert werden kann. Dies kann z. B. durch den besonderen Beitrag des Flächen suchenden Unternehmens zur Verbesserung der Hamburger Wirtschaftsstruktur oder zur Versorgung der Konsumenten oder anderer Betriebe erfolgen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass bei Ausgliederungen von Unternehmensteilen neue Betriebe entstehen, die den ursprünglichen Kriterien nicht mehr genügen (z. B. Ausgliederung des Fuhrparks aus einem personalintensiven Unternehmen).

­ Welche Rolle spielt die Qualifikation?

Der Gesichtspunkt der Arbeitsplatzschaffung ist auch in qualitativer Hinsicht von Bedeutung. Grundsätzlich ist die Entwicklung vom weniger zum höher qualifizierten Arbeitsplatz zu begrüßen und zu fördern. Das nicht nur, weil ein besser qualifizierter Arbeitsplatz höher bezahlt wird, sondern auch, weil ein qualifizierterer Arbeitsplatz tendenziell eine intensivere Nutzung hochwertiger Infrastruktur der Stadt ermöglicht und im Regelfall eine geringere Konjunkturanfälligkeit aufweist. Hieraus resultieren sowohl für Hamburg als auch für die Gesamtwirtschaft erhebliche Produktivitäts- und Standortvorteile. Im Einzelnen wird auch eine Differenzierung dieser grundsätzlich richtigen Leitlinie vorgenommen. Mit Blick auf die Arbeitsmarktsituation ist ferner zu berücksichtigen, dass auch weniger gut ausgebildete Arbeitskräfte adäquate Beschäftigung finden und Betriebe mit solchen Arbeitsplätzen städtische Flächen erhalten.

2. Absatz und Bezugsverflechtungen

­ Die Verflechtung in den überregionalen Bereich ist nicht weiter differenziert. Ist es sinnvoll, Räume wie die baltische Region, Osteuropa und Asien hervorzuheben?

Bereits heute werden alle Aspekte berücksichtigt, die hinsichtlich der Bedeutung des

Antrag stellenden Unternehmens für die Hamburger Wirtschaft maßgeblich sind. Insbesondere der Umfang der Impulse, den das Grundstück suchende Unternehmen an andere Hamburger Betriebe gibt, wird ebenso erfragt wie die Beschäftigungseffekte zu berücksichtigen sind, die ein Unternehmen in anderen Hamburger Betrieben bzw. Wirtschaftsbereichen auslöst. Hierzu werden in jedem Einzelfall die Absatz- und Bezugsverflechtungen geprüft. Eine Hervorhebung der in der Anfrage genannten Räume ist daher nicht zweckmäßig und würde tendenziell die Knappheit der Ressource Fläche erhöhen.

­ Welche Bedeutung haben Ansiedlungen im Sinne des „Sprungs über die Elbe"? Sind für den Hamburger Süden besondere Kriterien erforderlich?

Angesichts des Leitbildes der wachsenden Stadt und im Hinblick auf die im Bezirk Harburg vorhandenen freien städtischen Gewerbeflächen werden investitionswillige bzw. förderungswürdige Unternehmen auch auf den Hamburger Süden aufmerksam gemacht. In Harburg und Wilhelmsburg liegen Ressourcen, die es für die Entwicklung der ganzen Stadt zu nutzen gilt. Bezirke mit einem größeren Flächenangebot ­ neben Harburg insbesondere auch Bergedorf ­ können, soweit dies aus Sicht der Betriebe möglich ist, dazu beitragen, Flächenengpässe in mit städtischen Gewerbegrundstücken knapper ausgestatteten Bezirken (z. B. Altona, Nord, Eimsbüttel und Wandsbek) auszugleichen. Besondere Vergabekriterien für den Hamburger Süden sind nicht erforderlich: Einheitliche, zentral und flexibel gehandhabte Vergabekriterien dienen der Gleichbehandlung an- und umsiedlungsinteressierter Unternehmen in Hamburg; dies liegt im gesamtstädtischen Interesse.

3. Betriebswirtschaftliche Daten

­ Sind die Kriterien Vermögens- und Ertragslage bzw. Zukunftschancen vor dem Hintergrund selbst langfristiger Konjunkturentwicklungen noch zeitgemäß? Ja. Mit der Vergabe knapper städtischer Arbeitsstättenflächen sollen für Hamburg wirtschaftspolitische Vorteile verbunden sein, z. B. Sicherung vorhandener und Schaffung neuer Arbeitsplätze in wachsenden Unternehmen. Sichere bzw. zusätzliche Arbeitsplätze und sonstiger Nutzen für die Stadt, wie u. a. auch Gewerbesteuererlöse, werden in der Regel nur von solchen Unternehmen nachhaltig bereitgestellt, deren (positive) Vermögens- und Ertragslage dies zulässt. Hierzu ist in jedem Einzelfall eine vertrauliche Prüfung der Bilanzdaten, der Umsatz- und Gewinnentwicklung sowie der Liquidität des Unternehmens und schließlich auch seiner Zukunftschancen erforderlich.

­ Welche Unterstützung erhalten Existenzgründer bei der Vergabe städtischer Flächen?

Im Rahmen seiner mittelstandsfreundlichen Politik ist die Förderung von Existenzgründungen ein besonderes Anliegen des Senats. Die Unterstützung wird so eingesetzt, dass die geförderten Unternehmen die erfahrungsgemäß kritischen ersten Jahre überstehen und in der Folgezeit zum Aufbau von nachhaltiger Beschäftigung beitragen können. Angesichts oftmals unzureichender Kapitalausstattung von neu gegründeten Unternehmen und ungewisser Zukunftsprognosen sind der Erwerb eines Grundstücks und die Errichtung eines Betriebsgebäudes in der Anfangsphase der Unternehmen in der Regel nicht ihr vorrangiges Ziel. Vorhandene knappe Mittel werden vielmehr vorrangig in die Entwicklung von Know-how und Innovationen bzw. Produkte/Dienstleistungen investiert. Die städtischen Wirtschaftsförderungsinstitutionen beraten Existenzgründerinnen und Existenzgründer in jedem Einzelfall intensiv und zeigen in diesem Zusammenhang auch attraktive Standortentwicklungsmöglichkeiten auf. Sie geben Unterstützung bei der Suche nach geeigneten städtischen und privaten Mietobjekten. Auch in den von der Stadt geförderten Gewerbehöfen bzw. im Bestand städtischer Immobiliengesellschaften haben zahlreiche Existenzgründerinnen und -gründer eine maßgeschneiderte Betriebsstätte gefunden. Unter dem Gesichtspunkt des optimalen Einsatzes knapper städtischer Ressourcen sollen städtische Flächen dagegen grundsätzlich nicht an Existenzgründer verkauft werden, die in der Regel ein höheres Betriebsrisiko aufweisen als bestehende Unternehmen. Nach Konsolidierung und bei abschätzbarer Zukunftsperspektive kann der Verkauf eines städtischen Gewerbegrundstücks in Betracht gezogen werden.

4. Einzelfallsspezifische Aspekte Lässt sich eine Differenzierung nach „Flächenfressern (insbesondere KfzHandel)" und anderen Sortimenten noch halten?

Die im Vergleich zum Umland begrenztere Anzahl städtischer Gewerbeflächen zwingt zum besonders sorgfältigen Einsatz der knappen Ressource Grund und Boden. In jedem Einzelfall ist u. a. abzuwägen, ob die Relation zwischen Flächenaufwand und Zahl der vom Unternehmen bereitgestellten Arbeitsplätze eine Grundstücksvergabe rechtfertigt bzw. durch andere Kriterien kompensiert werden kann. Die für die Vergabe zuständigen Stellen werden bei diesem Abwägungsprozess für flächenextensive Nutzungen künftig noch stärker nach Kompensationsmöglichkeiten suchen.

5. Ausblick

­ Welchen Einfluss hat das Konzept „Wachsende Stadt" auf die Vergabepraxis und die Vergabekriterien?

­ Welche der o. g. Kriterien beabsichtigt der Senat, und zwar wie, zu verändern?

Die Vergabekriterien sind als flexibler, keineswegs schematischer, Handlungsrahmen nach wie vor zweckentsprechend und geeignet, auch aktuellen Entwicklungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem neuen Senatsleitbild „Metropole Hamburg ­ Wachsende Stadt", das heißt u. a. Ausbau Hamburgs zu einer pulsierenden Metropole mit wachsenden Unternehmen und zusätzlichen Arbeitsplätzen, aber auch möglichst sparsamer und verantwortungsbewusster Flächenverbrauch Rechnung zu tragen.

Es wird regelmäßig überprüft, ob neue Anforderungen und veränderte Rahmenbedingungen eine Anpassung der Vergabekriterien erfordern.

­ Gibt es eine unterschiedliche Praxis in den Bezirken, wenn ja, welche?

An dem für alle Bezirke geltenden, bei der Finanzbehörde ressortierenden zentralen Vergabeverfahren sind die Bezirke beteiligt. Wenn es kein Einvernehmen der beteiligten Stellen gibt, entscheidet ein Kooperationsausschuss unter dem Vorsitz des Staatsrates der Behörde für Wirtschaft und Arbeit.