Zukunft des mittleren Justizdienstes

Im Zuge der künftigen Ausgestaltung des mittleren Justizdienstes gab die avisierte Einführung eines neuen Ausbildungsberufes „Justizfachangestellte/r" Anlaß zur Diskussion auf allen Ebenen der betroffenen Bereiche.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat.

Mit der aufgrund § 25 Berufsbildungsgesetz erlassenen und zum 1. August 1998 in Kraft tretenden Verordnung über die Berufsausbildung zum Justizfachangestellten/zur Justizfachangestellten (BGBl. I Seite 195) wird in Hamburg erstmals die Durchführung einer Justizfachangestelltenausbildung möglich. Mit der Verordnung, die ein neues, eigenständiges Berufsbild zum Inhalt hat, wurde eine von der 66. Justizministerkonferenz vom 12. bis 14. Juni 1995 beschlossene Forderung umgesetzt. Die ­ bis in das Jahr 1975 zurückgehenden ­ Bemühungen um eine bundeseinheitliche Ausbildungsordnung für Angestellte in der Justiz wurden mit Erlaß der Verordnung erfolgreich abgeschlossen.

Die dreijährige Ausbildung ist auf die Tätigkeit in den Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften zugeschnitten und stellt auf die gewachsenen Anforderungen in diesen Bereichen ab.

Die Ausbildung beinhaltet unter anderem den Umgang mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik und bereitet auf die zusätzlichen Anforderungen vor, die sich im Zusammenhang mit der Reorganisation der Verfahrensabläufe im Sinne ganzheitlicher Sachbearbeitung (Einheitssachbearbeitung) stellen. Gegenüber dem aufgrund der fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten bislang bestehenden unbefriedigenden Qualifikationsniveau wird die Justizfachangestelltenausbildung langfristig eine Qualitäts- und Effektivitätssteigerung im Servicebereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften ermöglichen. Siehe auch Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 15/4963.

Die zuständige Behörde beabsichtigt, zum 1. Oktober 1999 mit der Ausbildung zur/zum Justizfachangestellten zu beginnen. Die mit der neuen Ausbildung zusammenhängenden rechtlichen, organisatorischen, personalbedarfsplanerischen und finanziellen Fragen sind derzeit noch nicht abschließend geklärt.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Welche Aufgaben nehmen die Beamten und Angestellten des mittleren Justizdienstes heute wahr?

Beide Statusgruppen erledigen prinzipiell die gleichen Aufgaben ­ Geschäftsstellenverwaltung, Protokollführung und das sogenannte kurze Schreibwerk. Kostensachbearbeitung, Antragsaufnahme usw. werden überwiegend durch Beamtinnen und Beamte, zum geringen Teil auch durch entsprechend ermächtigte Angestellte wahrgenommen. Die Erledigung des langen Schreibwerks erfolgt durch Angestellte für Textverarbeitung.

Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfhard Ploog (CDU) vom 01. 07. 98 und Antwort des Senats

Betreff: Zukunft des mittleren Justizdienstes.

2. a) Ist der Senat der Auffassung, dass weitere Aufgaben auf den mittleren Justizdienst im Rahmen der Geldstrafen- und Bußgeldvollstreckung sowie Teile des Mahnverfahrens übertragen werden könnten? Wenn ja: Welche Tätigkeiten kämen in Frage? Wenn nein: Warum nicht?

b) Wird die Verlagerung von Aufgaben im Kostenfestsetzungsverfahren und bei der Prozeßkostenhilfeerstattung auf den mittleren Justizdienst befürwortet? Wenn ja: Welche Tätigkeiten kämen in Frage? Wenn nein: Warum nicht?

Die Frage einer weiteren Aufgabenübertragung vom gehobenen auf den mittleren Justizdienst ist Gegenstand aktueller Erörterungen der Landesjustizminister mit dem Bundesminister der Justiz.

Da die Diskussion noch andauert und abschließende Ergebnisse nur im Rahmen bundesweiter Übereinstimmung erzielt werden können, muss der Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer differenzierten Darstellung einzelner übertragbarer Tätigkeiten noch absehen.

3. a) Welche Zukunftsperspektiven hat der beamtete mittlere Justizdienst in Hamburg?

Die Zukunftsperspektiven des beamteten mittleren Justizdienstes werden sich gegenüber heute nicht verändern. Sollte eine Entscheidung zugunsten einer ausschließlichen Justizfachangestelltenausbildung getroffen werden, verringern sich allerdings im Laufe der Jahre die Beamtenstellen.

3. b) Wie unterscheiden sich die Berufsbilder des mittleren Justizdienstes und des Justizfachangestellten inhaltlich?

Das Ausbildungsziel der Justizsekretäranwärterlehrgänge unterscheidet sich von dem der Justizfachangestelltenausbildung her nicht, da beide Gruppen künftig als Einheitssachbearbeiterinnen bzw. -bearbeiter eingesetzt werden. Die Justizfachangestelltenausbildung würde aufgrund ihrer gegenüber dem Vorbereitungsdienst um ein Jahr längeren Ausbildungszeit eine besondere Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen insbesondere im Bereich der Informations- und Textverarbeitung sowie der Arbeitsorganisation ermöglichen.

3. c) Ist es beabsichtigt, überhaupt noch Bewerber des „mittleren Justizdienstes" auszubilden und anschließend zu verbeamten?

Ja. Es erfolgt allerdings eine Übernahme derzeit nur im Angestelltenstatus. Im übrigen siehe Vorbemerkung.

3. d) Gibt es für den Beruf „Justizfachangestellte/r" bereits eine Ausbildungs- und Prüfungsordnung? Wenn ja: Wann ist diese erlassen worden? Wenn nein: Wann ist mit einem Erlaß zu rechnen?

Den rechtlichen Rahmen der Justizfachangestelltenausbildung bilden das Berufsbildungsgesetz sowie die in der Vorbemerkung genannte Verordnung über die Berufsausbildung zum/zur Justizfachangestellten einschließlich des Ausbildungsrahmenplans für die praktische Ausbildung (Anlage zu § 4 der Verordnung) und des Rahmenlehrplans für den theoretischen Unterricht. Einer der Ausbildungsund Prüfungsordnung für den mittleren Justizdienst vergleichbaren Landesordnung bedarf es für die Angestelltenausbildung nicht.

3. e) Unter welchen rechtlichen Bedingungen ist die Übertragung der Aufgaben eines „Urkundsbeamten der Geschäftsstelle" auf den „Justizfachangestellten" zulässig und möglich?

Unter den Voraussetzungen des § 153 Absatz 3 bis 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit § 21 Hamburgisches Ausführungsgesetz zum GVG.

4. a) Wie hat sich die Stellensituation im Bereich des mittleren Justizdienstes in den letzten fünf Jahren entwickelt?

Die Stellenentwicklung im mittleren Justizdienst bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften mit Ausnahme der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich aus nachfolgender Übersicht.

Derzeitiger Stellenbestand unter Berücksichtigung der Konsolidierungsmaßnahmen.

Für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit wird auf die Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 15/7323 verwiesen. Gegenwärtig existieren bei der Arbeitsgerichtsbarkeit 23

Stellen des mittleren Dienstes und damit zwei Stellen weniger als 1995.

4. b) Wie viele Neueinstellungen wurden vorgenommen?

b1) ­ als Bewerber zum Beamten des mittleren Justizdienstes?

In den letzten fünf Jahren wurden insgesamt 184 Bewerberinnen und Bewerber für den mittleren Justizdienst in den zweijährigen Vorbereitungsdienst eingestellt.

4. b) b2) ­ als Auszubildende zum Justizfachangestellten?

Keine, siehe Vorbemerkung.

4. c) Wie viele bereits ausgebildete Justizfachangestellte wurden aus anderen Bundesländern übernommen?

Die Beantwortung dieser Frage würde die Überprüfung mehrerer tausend Personalakten für Angestellte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften, denen die Einstellung von Angestellten in eigener Zuständigkeit obliegt, erfordern. Die Beantwortung dieser Frage ist innerhalb der für die Beantwortung Schriftlicher Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

4. d) Wie viele Angehörige des mittleren Justizdienstes sind in den letzten fünf Jahren in den Ruhestand getreten bzw. versetzt worden?

Von 1994 bis zum 7. Juli 1998 sind bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften insgesamt 93 Beamte des mittleren Justizdienstes plan- und außerplanmäßig ausgeschieden.

4. e) Sind alle freigewordenen Stellen nachbesetzt worden?

Die Stellen des mittleren Justizdienstes werden in der Regel durch geprüfte Laufbahnbewerber dieser Funktionsgruppe besetzt. Bisher wurden alle Laufbahnbewerber, wenn auch teilweise in zeitlich verringerten Beschäftigungsverhältnissen, übernommen. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß auch die Dienststellen der Justiz bis zum Jahr 1996 Stellenbewirtschaftungsmaßnahmen unterworfen waren und seit 1997 die Entscheidung über die Besetzung ihrer Stellen im Rahmen des ihnen zur Verfügung stehenden Personalkostenbudgets in eigener Zuständigkeit treffen.

4. f) Wie hoch sind die jeweiligen Anteile der Statusgruppen „Mittlerer Justizdienst" und „Justizfachangestellte/r" bei allen hamburgischen Gerichten und Staatsanwaltschaften?

f1) ­ prozentual?

f2) ­ tatsächlich (bitte genaue Zahlen)? Gegenwärtig gibt es in Hamburg keine „Justizfachangestellten".

5. Beabsichtigt der Senat, die Laufbahn des beamteten mittleren Justizdienstes zugunsten des „Justizfachangestellten" auszudünnen oder auf Dauer abzuschaffen?

Siehe Vorbemerkung.

6. Ist es richtig, dass Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 7 des mittleren Justizdienstes für die Einstellung von „Justizfachangestellten" in Anspruch genommen worden sind? Wenn ja: Wie viele?

7. Trifft es zu, dass deshalb eine gleichgroße Anzahl an Justizsekretären/innen nicht leistungsgerecht befördert werden konnten?

Nein.

8. Ist es richtig, dass der zukünftige „Justizfachangestellte" keine Perspektiven betreffend die Sonderlaufbahn Gerichtsvollzieherdienst hat?

Nach der derzeitigen Rechtslage (§ 4 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Laufbahn des Gerichtsvollziehers) setzt die Zulassung zur Gerichtsvollzieherlaufbahn unter anderem die Prüfung für den mittleren Justizdienst voraus. Dies gilt auch für Justizfachangestellte.

9. Trifft es zu, dass in Hamburg ausgebildete Justizsekretärsanwärter/innen trotz Bedarfs in der Regel nicht verbeamtet werden?

Siehe Antwort zu 3.c). Eine Unterschreitung des bestehenden Bedarfs an Beamtinnen und Beamten erfolgt durch die derzeitige Praxis der Übernahme im Angestelltenverhältnis nicht.

10. Teilt der Senat die Bedenken, dass bei einem Verzicht auf den beamteten mittleren Justizdienst die Rechtsgewährung in Krisenzeiten gefährdet sein könnte?

Nein.