Sitzverlegung von Schifffahrtsgesellschaften

Die Durchsicht der amtlichen Bekanntmachungen hat auffälligerweise ergeben, dass gerade in diesem Jahr vermehrt angezeigt wurde, dass die Sitzverlegung von Schifffahrtsgesellschaften vom Steuerstandort Land Bremen nach Hamburg vorgenommen worden ist.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Wie viele Schifffahrtsgesellschaften gibt es am Steuerstandort Bremen, und wie hoch ist deren Steueraufkommen bzw. der Beitrag für die Wirtschafts- und Finanzkraft für Bremen?

2. Wie viele Steuerverlegungen von Schifffahrtsgesellschaften vom Steuerstandort Bremen weg hat es in den letzten Jahren gegeben?

3. Wie hoch ist der Steuerverlust für Bremen, der durch diese Sitzverlegungen entsteht?

4. Sind dem Senat Gründe für die Sitzverlegungen im Einzelnen bekannt?

5. Trifft es zu, dass in Bremen im Vergleich zu anderen Bundesländern unterschiedliche Handhabungen in der Steuerrechtsanwendung für Schifffahrtsgesellschaften bestehen, und wenn ja, welche?

6. Ist dem Senat bekannt, dass einzelne Gesellschaften ihre Sitzverlegungen nachweislich der Protokolle der Treugeber- und Gesellschafterversammlung mit der ungewöhnlich zögerlichen Bearbeitung der steuerlichen Vorgänge durch die Bremer Finanzverwaltung begründen?

7. Wie lang sind die Bearbeitungszeiten der steuerlichen Vorgänge der Gesellschaften in Bremen im Vergleich zu anderen Standorten?

8. Welche Initiative wird der Senat ergreifen, um Bremen weiterhin als Steuerstandort für Schifffahrtsgesellschaften attraktiv zu machen?

Die o. a. Anfrage beantwortet der Senat wie folgt:

Dazu ist einleitend zu bemerken:

Aus Eingaben von zwei Einzelpersonen an den Senator für Finanzen im Dezember 1999/Januar 2000 ist bekannt geworden, dass die Sitzverlegungen u. a. damit begründet werden, dass die Zusammenarbeit mit einem in Hamburg ansässigen Finanzamt gesucht werden soll. Außerdem wurde auf Hintergrundinformationen verwiesen, die dem zuständigen Bremer Finanzamt Kompetenz und Entscheidungsfreudigkeit absprechen. Eine Überprüfung der Angelegenheit durch den Senator für Finanzen hat keinerlei Anhaltspunkte für diese Hintergrundinformationen ergeben. Die Eingaben wurden im März 2000 entsprechend beantwortet.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich im Besteuerungsverfahren die Zuständigkeit eines Finanzamts nach dem Ort bestimmt, an dem sich die Geschäftsleitung des jeweiligen Unternehmens bzw. der Gesellschaft befindet.

Der Sitz eines Unternehmens - so wie er regelmäßig bei Gesellschaften vertraglich festgelegt und im Handelsregister eingetragen ist - hat für das Besteuerungsverfahren nur deklaratorische Bedeutung bzw. Indizwirkung.

Die Geschäftsleitungen der von der Verlegung betroffenen Gesellschaften befanden sich tatsächlich nicht in Bremen, sondern in Hamburg bzw. Niedersachsen.

Dabei ist zu beachten, dass der Bundesfinanzhof in einer neueren Entscheidung (BFH-Urteil vom 3. Juli 1997, 1998 Teil II Seite 86) zum Ort der Geschäftsleitung bei so genannten Ein-Schiff-Gesellschaften entschieden hat, dass der Ort maßgeblich ist, an dem der Korrespondent- oder Vertragsreeder der Gesellschaft das Tagesgeschäft bestimmt. Danach hätte das Finanzamt Bremen-Mitte in diesen Fällen unabhängig von der Verlegung des Sitzes der Gesellschaften die Steuerakten von Amts wegen an das für den Vertragsreeder zuständige Betriebsfinanzamt abgeben müssen.

Vor diesem Hintergrund beantwortet der Senat die vorstehenden Fragen wie folgt:

Zu Frage 1.: Wie viele Schifffahrtsgesellschaften gibt es am Steuerstandort Bremen, und wie hoch ist deren Steueraufkommen bzw. der Beitrag für die Wirtschaft- und Finanzkraft für Bremen?

Die Anzahl der Schifffahrtsgesellschaften belief sich am 31. Dezember 2000 auf 185, davon waren so genannten Ein-Schiff-Gesellschaften 106. Sie werden in Bremen zentral beim Finanzamt Bremen-Mitte in drei Veranlagungsbezirken geführt.

Anmerkung: Bei den so genannten Ein-Schiff-Gesellschaften handelt es sich um Unternehmen in der Rechtsform der Partenreederei oder Kommanditgesellschaft, die zum Zweck des Erwerbs, der Finanzierung und des Betriebs eines bestimmten Schiffes gegründet werden. Viele dieser Gesellschaften sind so genannte Verlustzuweisungsgesellschaften. Der Betrieb des Schiffes wird jeweils von einem Korrespondentreeder bzw. Vertragsreeder ausgeübt.

Da es sich teilweise um Gemeinschaftssteuern handelt, liegt der Beitrag für die Finanzkraft am Standort Bremen bei ca. 15 Mio. DM. Dieser relativ geringe Betrag ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei den Schifffahrtsgesellschaften zu ca. % um Personengesellschaften handelt, die ihrerseits nicht einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig sind. Die Höhe der Einkommensteuern der Gesellschafter wird durch die Anteile des Gesellschafters am Verlust bzw. Gewinn der Gesellschaft beeinflusst. An den so genannten Ein-Schiff-Gesellschaften sind eine Vielzahl von Gesellschaftern (bis zu 300 Personen pro Gesellschaft) beteiligt. Die vom Finanzamt Bremen-Mitte für diese Gesellschaften einheitlich und gesondert festzustellenden - mit anderen positiven Einkünften ausgleichsfähigen - Verluste betragen z. B. für 1999 mehr als 300 Mio. DM. Das Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer wird hierdurch in Bremen nicht nennenswert berührt, weil die Gesellschafter ihren Wohnsitz fast ausschließlich in anderen Bundesländern innehaben.

Über den Beitrag der Schifffahrtsgesellschaften zur Wirtschaftskraft in Bremen gibt es keine gesonderten Statistiken bzw. Erhebungen.

Zu Frage 2.: Wie viele Steuerverlegungen von Schifffahrtsgesellschaften vom Steuerstandort Bremen weg hat es in den letzten Jahren gegeben?

In den Jahren 1998 bis 2000 wurden die Steuerakten von 35 Schifffahrtsgesellschaften an Finanzämter in Niedersachsen und Hamburg abgegeben. Hierbei handelte es sich ausschließlich um so genannte Ein-Schiff-Gesellschaften, darunter 28 Gesellschaften, für die eine in Hamburg ansässige Reederei als Korrespondentreeder bzw. Vertragsreeder tätig ist.

Die Gesamtzahl der beim Finanzamt Bremen-Mitte geführten Schifffahrtsgesellschaften ist gegenüber den Verhältnissen am 1. Januar 1998 dennoch nahezu konstant geblieben, weil den abgegebenen Steuerfällen eine entsprechende Anzahl von Neugründungen und von anderen Ländern übernommene Steuerfälle gegenüberstehen.

Zu Frage 3.: Wie hoch ist der Steuerverlust für Bremen, der durch diese Sitzverlegungen entsteht?

Das Bremer Steueraufkommen ist durch die Sitzverlegung der 35 Gesellschaften nicht nennenswert beeinträchtigt worden. Von den Gesellschaften waren in den letzten Jahren weder Lohnsteuern noch Gewerbesteuern in Bremen zu entrichten.

Bei allen Gesellschaften befand sich die lohnsteuerliche Betriebsstätte nicht in Bremen, sondern am Geschäftssitz des Korrespondentreeders. Seit Wegfall der Gewerbekapitalsteuer (1. Januar 1998) fiel bei den Gesellschaften regelmäßig auch keine Gewerbeertragsteuer wegen hoher Verlustvorträge an.

Zu Frage 4.: Sind dem Senat Gründe für die Sitzverlegungen im Einzelnen bekannt?

Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Einleitung.

Zu Frage 5.: Trifft es zu, dass in Bremen im Vergleich zu anderen Bundesländern unterschiedliche Handhabungen in der Steuerrechtsanwendung für Schifffahrtsgesellschaften bestehen, und wenn ja, welche?

Die für die Schifffahrtsunternehmen einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften sind in allen Bundesländern gleichmäßig anzuwenden.

Eine gleichmäßige Rechtsanwendung in den Ländern wird im allgemeinen durch einheitliche bzw. zwischen den Finanzbehörden des Bundes und der Länder abgestimmte Weisungen an die Finanzämter gewährleistet.

Es kann jedoch insbesondere bei der Anwendung neuer gesetzlicher Bestimmungen, wie z. B. der Einführung der so genannten Tonnagebesteuerung, nicht ausgeschlossen werden, dass bei neuen Fragestellungen bzw. Anwendungsproblemen zeitweilig unterschiedliche Auffassungen geäußert werden. In einem solchen Fall werden nach Bekanntwerden im allgemeinen die anstehenden Zweifelsfragen innerhalb kurzer Frist einer einheitlichen abgestimmten Lösung zugeführt. Diesem Zweck dient auch der zwischen den für die Besteuerung von Schifffahrtsunternehmen zuständigen Finanzämtern in Bremen und Hamburg praktizierte Erfahrungs- und Informationsaustausch.

Zu Frage 6.: Ist dem Senat bekannt, dass einzelne Gesellschaften ihre Sitzverlegungen nachweislich der Protokolle der Treugeber- und Gesellschafterversammlung mit der ungewöhnlich zögerlichen Bearbeitung der steuerlichen Vorgänge durch die Bremer Finanzverwaltung begründen?

Dies ist dem Senator für Finanzen durch die in der Einleitung erwähnten Eingaben bekannt. Die sich auch auf diesen Sachverhalt erstreckende Überprüfung durch den Senator für Finanzen hat keine Anhaltspunkte für eine ungewöhnlich zögerlichen Bearbeitung der steuerlichen Vorgänge im Schifffahrtsbereich ergeben. Es ist allerdings richtig, dass u. a. eine längere Vakanz in diesem Bereich zu Arbeitsrückständen geführt hat.

Zu Frage 7.: Wie lang sind die Bearbeitungszeiten der steuerlichen Vorgänge der Gesellschaften in Bremen im Vergleich zu anderen Standorten?

Eine für die Bearbeitung des Einzelfalls notwendige Bearbeitungszeit kann sowohl im Veranlagungs- als auch im Betriebsprüfungsverfahren nicht vorgegeben werden, weil der Umfang und die Prüfungsbedürftigkeit der Sachverhalte erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich sind. Dementsprechend gibt es im Geschäftsbereich des Senators für Finanzen hierüber keine Erhebungen und keine Vergleichsdaten anderer Länder.

In der Finanzverwaltung werden im Bereich der Veranlagung und der Betriebsprüfung Arbeitsstandstatistiken geführt, die Aussagen darüber enthalten, in welchem Umfang bestimmte Organisationseinheiten (Veranlagungsbezirk, Betriebsprüfungsstelle) das vorgegebene Arbeitssoll (Zahl der Veranlagungs- oder Prüfungsfälle pro Jahr) erledigt haben. Der Arbeitsstand im Veranlagungsbereich Schifffahrt des Finanzamts Bremen-Mitte entsprach in den letzten Jahren dem durchschnittlichen Erledigungsstand in anderen vergleichbaren Veranlagungsbereichen der Bremischen Finanzämter. Im Vergleich zu anderen Ländern und zum Bundesschnitt bewegt sich der Arbeitsstand sowohl im Veranlagungs- als auch im Betriebsprüfungsbereich im oberen Drittel. Dies schließt nicht aus, dass aufgrund von zeitlich begrenzten Personalengpässen kurzfristige Arbeitsrückstände auftreten können.

Zu Frage 8.: Welche Initiative wird der Senat ergreifen, um Bremen weiterhin als Steuerstandort für Schifffahrtsgesellschaften attraktiv zu machen?

Der Senat sieht keine Veranlassung, eine derartige besondere Initiative zu ergreifen, weil Bremen als Steuerstandort für Schifffahrtsgesellschaften nach wie vor attraktiv ist.

Der Senat hält an der zentralen Zuständigkeit des Finanzamts Bremen-Mitte für die Besteuerung von Schifffahrtsgesellschaften fest. Hierdurch wird weiterhin sichergestellt, dass die steuerliche Betreuung dieser Unternehmen sachgerecht und kompetent erfolgen kann. Diesen Vorteil wissen die Vertreter der Reedereien durchaus zu schätzen, hierfür spricht die große Zahl von neu gegründeten Gesellschaften.

Der Senator für Finanzen wird die enge Kooperation mit den Finanzbehörden der Küstenländer fortsetzen, um eine gleichmäßige Besteuerung der Schifffahrtsgesellschaften sicherzustellen.