EAL-Runde

Für die insoweit vorzunehmende Auslegung der in Bezug genommenen Textpassage kommt es nämlich maßgeblich darauf an, mit welchem Empfängerhorizont diese Auslegung vorgenommen wird. Jeder objektive Leser muss, wie der Senator, diese Textpassage als Ausdruck von Unbelehrbarkeit interpretieren.

Der Senator hatte Frau Dreyer deutlich gemacht, dass er nicht wünscht, dass Anstaltsleiter über die Zukunft anderer Anstalten reden. Außerdem hat er eine zurückhaltende Äußerung über getroffene Personalentscheidungen im dem, wenn auch emotional, geführten Telefongespräch gefordert. Unabhängig von der nicht geklärten Frage, ob ein Fehler bei der Weitergabe von Informationen aus der EAL-Runde durch Frau Dreyer begangen wurde, hat er der Anstaltsleiterin Dreyer aber deutlich gemacht, wie er generell und in Zukunft wünscht, mit solchen Informationen umzugehen. Mit Ihrem Brief bringt Frau Dreyer zum Ausdruck, dass sie nicht gewillt ist, diese Vorgaben durch die Behördenleitung in Zukunft zu akzeptieren. Im Gegenteil: Frau Dreyer nennt ihre Kriterien, wie sie bislang „Informationspolitik" betrieben hat „ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht..." und bringt damit zum Ausdruck, dass sie auch in Zukunft nicht von ihrer „Gewohnheit" abweichen will.

Die von Frau Dreyer angegebenen persönlichen Kriterien „so spät und zurückhaltend wie nötig" und „frühzeitig und umfangreich wie möglich" sind keine objektiven Kriterien, sondern subjektive, die Frau Dreyer für sich aufgestellt hat und nicht durch einen objektiven Dritten zu überprüfen sind. Jedenfalls orientieren sie sich nicht an dienstlichen Vorgaben. Auch die Einlassung „nach meinem Verständnis" ist ein subjektiver Maßstab von Frau Dreyer und kein objektives Kriterium, welches sich an dienstlichen Vorgaben messen lassen kann.

Frau Dreyer bringt damit zum Ausdruck, dass sie dienstliche Vorgaben, die nicht im Einklang mit ihren aus der Gewohnheit gewonnenen subjektiven Maßstäben stehen, nicht gewillt ist, zu befolgen.

Dem Senator mussten daher Zweifel aufkommen, ob sie für die Leitung einer schwierigen Anstalt im offenen Vollzug geeignet ist. Die Sachlage, die zur Entscheidung zur Umsetzung in die JVA Nesselstraße geführt hatte, änderte sich durch diese Erkenntnis.

Der in Rede stehende Brief verursachte insbesondere durch den Inhalt der oben zitierten mittleren Passage bei objektiver Betrachtung eine neue Sachlage, die begründete Zweifel an der Eignung und Befähigung Frau Dreyers zur Leitung der Anstalt Nesselstraße gerechtfertigt hat.

II. Dr. Hans Jörg Städtler:

1. Beweismittel:

(Az. 120.10-2.27,19), der Drucksachen 17/2244 und 17/2091 sowie der mündlichen Vernehmung des Zeugen Dr. Hans Jörg Städtler-Pernice einschließlich seiner am 20. Januar 2004 abgegebenen schriftlichen Stellungnahme und der Vernehmung der weiteren Zeugen Elke Eggert, Ralf Hinsch, Gudrun Büttner, Sven Kaczmarek, Michael Gutsmuths, Johannes Düwel, Dr. Volker Bonorden, Ingeborg Tietz und Dr. Roger Kusch ist zum Beweisthema, den Vorgängen im Zusammenhang mit der Einstellung und Beschäftigung von Herrn Dr. Städtler als Leiter des Präsidialstabes der Justizbehörde, der im Folgenden unter 2.) dargestellte Sachverhalt festgestellt worden.

Die folgende Liste gibt einen Überblick über die vernommenen Zeugen, geordnet nach dem Datum ihrer Vernehmung: Zeugin/Zeuge Datum der Vernehmung Herr Dr. Hans Jörg Städtler-Pernice 3. Januar 2002 von seiner ersten Frau heiratete er am 21. Juni 2003 erneut und führt seitdem den Namen Städtler-Pernice.

Nach längerer anwaltlicher Tätigkeit erfolgte am 1. März 2000 der Eintritt in den baden-württembergischen Justizdienst als Richter auf Probe. Zum 1. Mai 2001 wurde Herr Dr. Städtler unter Wegfall seiner Dienstbezüge für eine Tätigkeit bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin im öffentlichen Interesse beurlaubt. Er schloss mit der Fraktion am 22. Juni 2001 einen Dienstvertrag, der anstelle seiner badenwürttembergischen Besoldung nach Besoldungsgruppe R 1 gemäß Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R 2 vorsah. Es wurde ferner vereinbart, dass die beamtenrechtlichen Bestimmungen für Beamte bei Obersten Bundesbehörden Anwendung finden sollten.

Darüber hinaus wurden ihm mit Schreiben von 18. Mai 2001 durch den Leiter des Fraktionsbüros bewilligt: Unterkunftskosten in Berlin bis zu 1000 DM monatlich, in den ersten zwei Wochen Trennungsreisegeld von täglich 85 DM, danach Trennungstagegeld in Höhe von 18,51 DM pro Aufenthaltstag in Berlin, sowie „Reisebeihilfen für Heimfahrten nach der TGV [...] für eine Reise pro Woche [...] in Höhe der Bahnkosten bzw. Flugkosten bis zu 370 DM" 2.

Bei seinem Amtsantritt am 1. November 2001 war es Justizsenator Dr. Kusch eines seiner dringlichsten Anliegen, eine geeignete Person für die Stelle des persönlichen Referenten bzw. Büroleiters (Dienstpostenbewertung: R 2/A 15) zu finden. Bereits im Vorfeld hatte er sich umgehört, wer für diese Stelle in Betracht kommen könnte.

Vom baden-württembergischen Justizministerium wurde ihm Herr Dr. Städtler empfohlen. Um diesen persönlich kennen zu lernen und sich von ihm einen Eindruck zu verschaffen, lud der Senator Herrn Dr. Städtler zu einem Vorstellungsgespräch am 1. November 2001 ein. Im Rahmen des Vorstellungsgesprächs berichtete Herr Dr. Städtler dem Senator von seiner persönlichen Situation, nämlich dass er nicht mit seiner Ehefrau zusammenlebe, sondern die Wochenenden mit seiner heutigen Frau und mit seiner Tochter verbringe, wobei letztere bei ihrer Mutter in Strassburg lebe

Im Verlauf des Gesprächs fragte der Senator, ob und unter welchen Voraussetzungen Herr Dr. Städtler dazu bereit sei, nach Hamburg zu kommen, insbesondere wo seine „Schmerzgrenze" verlaufe. Dieser erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, die ihm angebotene Tätigkeit wahrzunehmen. Lediglich die Frage der Vergütungsmodalitäten war noch offen, da Herr Dr. Städtler seinen Wechsel nach Hamburg davon abhängig gemacht hatte, gegenüber seinen Bezügen in Berlin nicht schlechter gestellt zu werden und weiterhin ohne finanzielle Einbußen wöchentlich nach Heidelberg pendeln zu können. Im Ergebnis wollte Herr Dr. Städtler in Hamburg finanziell so gestellt werden wie bei der CDU/CSU-Fraktion in Berlin, mit Ausnahme der Ministerialzulage. Dieses will er nicht nur gegenüber dem Senator, sondern auch gegenüber Frau Tietz, die seinerzeit in der Justizbehörde für Personalangelegenheiten des höheren Dienstes zuständig war, und Herrn Kaczmarek, dem zuständigen Sachbearbeiter, zur Bedingung gemacht haben. Nach Aussage von Herrn Dr. Städtler habe man ihm diese Bedingungen zugesagt. Senator Dr. Kusch hat dazu ausgesagt, er habe Herrn Dr. Städtler seine Unterstützung für diese Forderungen zugesagt, sofern ihre Erfüllung nach dem Hamburger Landesrecht möglich sei. Dabei habe er sich keine Gedanken über die Gesamthöhe der Zusatzleistungen gemacht. Es sei klar gewesen, dass er als Senator nicht alleine über diese Forderungen würde entscheiden können.

Eine Beschäftigung von Herrn Dr. Städtler im Wege der Abordnung aus dem badenwürttembergischen Justizdienst schied aus, da ihm dann die genannten Bedingungen

­ insbesondere die Vergütung nach R 2 ­ nicht hätten gewährt werden können. Aus diesem Grund kam nur der Abschluss eines Sonderarbeitsvertrages (SAV) in Betracht, der dem Personalamt zur Zustimmung vorgelegt werden sollte.

Senator Dr. Kusch gab sodann den Auftrag, einen Vertrag zu den Berliner Konditionen zu entwerfen, nach seiner Erinnerung an Herrn Düwel, den damaligen Leiter des Amtes für Allgemeine Verwaltung in der Justizbehörde. Nach Erinnerung von Frau Tietz hat der Senator auch sie direkt beauftragt. Ihrer Vorstellung nach sei es darum gegangen, die Bedingungen Herrn Dr. Städtlers im Vertrag zu verankern, sofern dies mit dem Gesetz vereinbar sei

Mit dem Entwurf eines entsprechenden Vertrages beauftragte Frau Tietz den Sachbearbeiter Herrn Kaczmarek, nachdem sie sich vom Personalamt einen Musterentwurf „Beamtenvertrag" (Anlage I) hatte zumailen lassen, den Herr Kaczmarek um die von Herrn Dr. Städtler genannten Bedingungen ergänzen sollte. Die Berliner Konditionen hatte Herr Kaczmarek zur Kenntnis erhalten, um diese bei seinem Erstentwurf für den Arbeitsvertrag zu berücksichtigen.