JVA

Herr Dr. Städtler selbst konnte sich allerdings nicht daran erinnern, dass der Senator ­ und in der Folge er selbst ­ eine Äußerung in dieser Richtung abgegeben habe. Herr Düwel schilderte in seiner Aussage darüber hinaus, die Information, dass Frau Dreyer den Brief schadlos hätte zurücknehmen können, auch vom Senator selbst noch bestätigt bekommen zu haben, wohingegen Senator Dr. Kusch angab, sich weder direkt noch indirekt derart geäußert zu haben, sondern nach seiner Auffassung allenfalls noch eine inhaltliche Distanzierung Frau Dreyers vom Inhalt ihres Briefes möglich gewesen wäre. Jedenfalls führte Herr Düwel daraufhin am 1. Juli 2002 ein Gespräch mit Frau Dreyer, in der er ihr Vorhaltungen wegen ihres ­ auch in seinen Augen ungeschickten ­ persönlichen Briefes an den Senator machte und ihr ­ zumindest zwischen den Zeilen

­ die Rücknahme des Briefes nahe legte, was diese allerdings nicht tat. Dies teilte Herr Düwel anschließend dem Senator mit, der dann entschied, „dass Frau Dreyer nicht Anstaltsleiterin werden soll". Auch Herr Dr. Städtler hielt es für möglich, dass der Senator Frau Dreyer „fortan, vielleicht aber auch schon zuvor [...] nicht mehr die Verantwortung für die Leitung einer großen Haftanstalt übertragen" wollte und deren Verhalten, „angefangen von irgendwelchen möglichen Einstellungen zu Spritzenautomaten über irgendwelches mögliches Ausplaudern hin zu persönlichen Briefen unter dem Briefkopf der Justizbehörde [...] mit ursächlich" für diese Entscheidung des Senators gewesen sei. Dieser selbst gab hierzu in seiner Vernehmung an, dass ihm Zweifel an Frau Dreyer bereits „beim Eintreten der Umstände, die zu dem zwischen Frau Dreyer und mir geführten Telefonat hinführten," gekommen seien und sich diese Zweifel durch Frau Dreyers Brief derart verfestigt hätten, dass er ihr „nicht das Vertrauen entgegenbrachte, die geschlossene Anstalt Nesselstraße zu leiten".

Da es damals aktuell einen anderen Dienstposten, auf dem „eine Oberregierungsrätin amtsangemessen beschäftigt werden" konnte, im Hamburger Strafvollzug nicht gab, nahm Herr Düwel von sich aus Rücksprache mit Herrn Gross, dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt, und fragte diesen, ob er sich vorstellen könne, Frau Dreyer als seine Vertreterin in die Untersuchungshaftanstalt zu übernehmen. Anschließend bot er Frau Dreyer am 3. Juli 2002 an, ihr die nach Besoldungsgruppe A 14 bewertete stellvertretende Leitung der Untersuchungshaftanstalt zu übertragen. Auf Frau Dreyers Frage, warum der Senator sie nicht mehr als Anstaltsleiterin haben wollte, antwortete er: „Ihr letzter Brief". Sodann übergab Herr Düwel die Geschäfte seinem Vertreter, Herrn Kamp, und fuhr in Urlaub. Auch dieser, von Frau Dreyer befragt, ob es sachliche Gründe dafür gäbe, dass sie nicht mehr Anstaltsleiterin sein dürfe, bestätigte ihr, dass sachlich nichts an ihrer Amtsführung auszusetzen sei. ihren Status als Anstaltsleiterin, sondern auch unmittelbar ihr berufliches Fortkommen berühre.

Nachdem Herr Düwel aus dem Urlaub zurückkehrt war und Frau Dreyer nochmals erfolglos zur nach seiner Auffassung auch zu diesem Zeitpunkt noch möglichen Rücknahme ihres Briefes an den Senator aufgefordert haben will, schlug er dem Senator am 1. August 2002 telefonisch vor, Frau Dreyer auf die bereits geraume Zeit vakante, bis dahin für die Planung des Projekts Billwerder „fremdgenutzte" und vor kurzem an die Untersuchungshaftanstalt zurückgefallene Stelle der stellvertretenden Leitung der Untersuchungshaftanstalt umzusetzen. Senator Dr. Kusch stimmte diesem Vorschlag zu589 und gab in seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss zur Begründung an, dass er die Besetzung des Stellvertreterpostens in der Untersuchungshaftanstalt wegen der langen Vakanz für prioritär gehalten habe und dort eine stabile Leitungsstruktur habe schaffen wollen. Außerdem habe die Nichtbesetzung der Leitung der Anstalt Nesselstraße Gelegenheit gegeben, über die organisatorische Neuordnung der drei Fuhlsbütteler Anstalten nachzudenken. Am 6. August 2002 erließ Herr Düwel die Verfügung, Frau Dreyer zum 1. September 2002 als Vertreterin des Anstaltsleiters in die Untersuchungshaftanstalt umzusetzen.

Im Hinblick auf eine am 19. August 2002 stattfindende Pressekonferenz bat Senator Dr. Kusch Herrn Dr. Städtler „um eine Sprachregelung" zur Begründung der getroffenen Umsetzungsentscheidung. Herr Dr. Städtler, der an der Umsetzungsentscheidung zuvor nicht beteiligt war und die Gründe für die Entscheidung des Senators nicht kannte und nicht weiter recherchierte, fertigte hierauf unter dem 15. August 2002 einen Vermerk, in dem er „verschiedene Möglichkeiten", die Umsetzungsentscheidung „auszudrücken", formulierte und zur Kenntnis des Senators verfügte. In diesem Vermerk heißt es u. a. wie folgt: „[...] lässt sich die Umsetzung von Frau Dreyer in die UHA problemlos als Teil eines großen Revirements im Hamburger Strafvollzug darstellen.

Da inzwischen bekannt ist, dass Herr Poeninghausen aus privaten Gründen Hamburg verlässt, wird dort Ersatz benötigt. Andere Abgänge und Billwerder sind ebenfalls im Auge zu behalten.

Schließlich könnte die Schwierigkeit und Bedeutung des Postens der UHA hervorgehoben werden. Bei Rückfragen, dass die Stelle ja schon lang nicht mehr besetzt sei, könnten Sie darauf hinweisen, dass es höchste Zeit sei, diese Stelle kompetent zu besetzen, zumal sich die Zahl der Gefangenen in der UHA nach Fertigstellung des C-Flügels erhöht haben dürfte. Denkbar wäre ggf. auch, die Umsetzung einem Wunsch von Herrn Gross zuzuschreiben, der um eine kompetente Nachbesetzung, möglicherweise sogar durch Frau Dreyer, nachgefragt haben könnte."

Zeitgleich forderte Herr Dr. Städtler auch Frau Stolle, die stellvertretende Leiterin des Amtes für Allgemeine Verwaltung, zur Prüfung auf, inwieweit der Senator zu einer Rechtfertigung seiner Personalentscheidungen gegenüber der Deputation der Justizbehörde und der Presse verpflichtet sei. Den Auftrag leitete Frau Stolle an die seinerzeit für Personalangelegenheiten zuständige Mitarbeiterin Frau Vespermann weiter, die hierauf in ihrem Vermerk vom 19. August 2002 ebenfalls eine Begründung zur Umsetzungsentscheidung Dreyer ausformulierte, ohne die Gründe des Senators für die Entscheidung gekannt zu haben und angab, es handele sich um Gründe, „die ich mir überlegt habe, die den Senator bewogen haben könnten, so zu handeln, wie er gehandelt hat" 5. In diesem von Herrn Düwel abgezeichneten und von diesem auch inhaltlich geteilten

Vermerk Frau Vespermanns heißt es, sie würde empfehlen, die Umsetzung wie folgt zu erläutern: „Claudia Dreyer ist nach ihrer auf den Vollzug bezogenen Ausbildung nunmehr seit 25 (??) Jahren in verschiedenen Bereichen des Hamburger Strafvollzuges tätig und hat sich auf allen Dienstposten gut bewährt. Außer während der Ausbildung war sie noch nicht im Untersuchungshaftbereich tätig. Die Vakanz des Vertreterpostens in der Untersuchungshaftanstalt bot sich deshalb für eine entsprechende Umsetzung an, da der Leiter der JVA Nesselstraße für Konzeption und Umzug in die JVA Billwerder umgesetzt wird.

Der Dienstposten in der UHA ist insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt weiterer Flexibilität und Profilierung für Frau Dreyer gut geeignet. So wie die Leitung der Offenen Anstalt Vierlande eine anspruchsvolle Tätigkeit war und ist, gilt das auch für die Stellvertretertätigkeit in der UHA, schon im Hinblick auf die Größe und außerordentlich schwierige Problemlage der Anstalt. Frau Dreyer wird auf diesem

­ unter Umständen auf weiteren Dienstposten ­ weitere Erfahrungen sammeln.

Ihr berufliches Fortkommen wird dadurch nicht verzögert, sondern gefördert."

Zur Sitzung der Deputation am 21. August 2002 schließlich existiert eine vermutlich von Herrn Düwel stammende602 „Information der Deputation der Justizbehörde in Personalangelegenheiten", in der ausgeführt ist: „Oberregierungsrätin Dreyer hat sich in der Vergangenheit um die Reorganisation der JVA Vierlande verdient gemacht. Sie hat auch die bisherigen Vorbereitungen für den Umzug der JVA Vierlande in die Gebäude der JVA Billwerder tatkräftig und ideenreich betrieben.

Vor dem Hintergrund, dass die notwendige Entwicklung eines organisatorischen und vollzuglichen Konzepts für die JVA Billwerder und die langwierige und äußerst komplexe Umsetzung dieses Konzepts von dem einschlägig erfahrenen und deshalb für diese Aufgabe besonders gut geeigneten Leiter der JVA Nesselstraße übernommen werden soll, ist beabsichtigt, Frau Dreyer mit Wirkung vom 01.09.2002 die Aufgaben der stellvertretenden Leiterin und Vollzugsleiterin der Untersuchungshaftanstalt mit Zentralkrankenhaus zu übertragen. Frau Dreyer wird zu diesem Zweck auf den genannten, mit einer Stelle „Oberregierungsrat/A 14" ausgestatteten Dienstposten der Untersuchungshaftanstalt Hamburg umgesetzt."

In der Deputationssitzung vom 21. August 2002 wurde gegen den Vorwurf, der Einsatz in der Untersuchungshaftanstalt stelle faktisch eine Degradierung Frau Dreyers dar, durch Herrn Düwel ausgeführt, dass die Umsetzung in die Untersuchungshaftanstalt „aktuell möglich geworden" sei, „nachdem die im Amt fremdgenutzte Stelle wieder in die Anstalt rückverlagert werden konnte" 6. Senator Dr. Kusch erklärte laut Protokoll dieser Sitzung, unsachliche Gründe hätten nicht zu der Umsetzung geführt, seine Überlegungen zu der Personalentscheidung werde er jedoch nicht offen legen, was er in seiner Vernehmung dahingehend ergänzte, dass er die Informationspflicht gegenüber der Deputation so verstehe, dass er Grundsätzliches mitzuteilen habe, aber nichts, was für einzelne Personen vielleicht negative Auswirkungen habe.