Reise nach Kaliningrad anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Kaliningrader Gebietsduma

Auf Einladung des Vorsitzenden der Kaliningrader Gebietsduma, Vladimir A. Nikitin, besuchte eine Delegation der Hamburgischen Bürgerschaft das vom russischen Kernland abgetrennte Gebiet, um an der Feier zum zehnjährigen Jubiläum der Gebietsduma teilzunehmen.

Delegationsmitglieder waren der Präsident der Bürgerschaft, Berndt Röder, und die Abgeordneten Rolf Harlinghausen (CDU), Lutz Kretschmann (SPD) und Manuel Sarrazin (GAL).

Nach dem Besuch der Präsidentin sowie der Fraktionsvorsitzenden im Mai letzten Jahres (vgl. Drs. 17/2831) handelte es sich um die zweite Reise einer Bürgerschaftsdelegation in die russische Exklave. Nach der Einigung zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union im November 2002 über den Personentransit konnte wenige Tage vor dem Jubiläum bei einem Besuch von Kommissionspräsident Romano Prodi in Moskau ­ unmittelbar vor dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten ­ eine Einigung auch über den Warentransit erzielt werden. Am 12. Februar 2004, zum 200. Todestag Immanuel Kants, hatte zuvor Bundesaußenminister Fischer den ersten deutschen Generalkonsul in Kaliningrad, Herrn Dr. Cornelius Sommer, in sein Amt eingeführt. Noch verfügt das Generalkonsulat allerdings nicht über eigene Räumlichkeiten und ist somit noch nicht voll arbeitsfähig.

Bislang fungierte die Handelskammer Hamburg, die seit 1994 eine Vertretung in dem Gebiet unterhält, als Annahmestelle für Visaanträge russischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Kaliningrad. Die Gebietsduma besteht aus 32 Abgeordneten, von denen 27 direkt und fünf über Parteilisten gewählt werden. Die Dauer der Legislaturperioden wurde 1999 auf fünf Jahre verlängert.

Herr Vladimir A. Nikitin begrüßte die Bürgerschaftsdelegation zusammen mit den anderen auswärtigen Gästen bei einem Abendessen im Hotel. Dabei handelte es sich um Vertreter des brandenburgischen Landtages, Herrn Präsidenten Dr. Herbert Knoblich (SPD), Herrn Minister a. D. Alwin Ziel (SPD) und Frau Gerlinde Stobrawa, Vorsitzende des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik (PDS), des schleswig-holsteinischen Landtages, Frau Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau (SPD) ­ Herr Erster Vizepräsident Thomas Stritzl konnte erst am nächsten Tag anreisen ­ sowie des schwedischen Kommunalverbandes, Herrn Roger Kaliff.

Bei einer Stadtrundfahrt am nächsten Morgen hatte die Delegation Gelegenheit, insbesondere mit dem Dom samt Kant-Gedenkstätte, den Stadttoren und den Kant- und Schillerdenkmalen einige Eindrücke von der Stadt zu gewinnen. Der Dom hatte vor allem mit Spenden der „ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius" ein neues Kupferdach und Geläut erhalten.

Der Festakt fand in dem nach dem Krieg wieder aufgebauten Dramentheater statt.

Herr Nikitin betonte in seiner Eröffnungsansprache die Herausforderungen, die die Abgeordneten der bisherigen drei Legislaturperioden bislang zu bewältigen hatten. Sie wurden vor allem durch die besondere geographische Lage Kaliningrad und den völligen legislativen Neuanfang bestimmt.

Der Gouverneur des Kaliningrader Gebietes, der ehemalige Befehlshaber der baltischen Flotte, Herr Admiral a. D. Wladimir Jegorow, der seit November 2000 im Amt ist, berichtete über die einzelnen Legislaturperioden: In der ersten seien das Gesetz über das Statut Kaliningrad, die Kaliningrader Verfassung, sowie 72 weitere Gesetze angenommen worden, in der zweiten 279 und in der dritten 350.

Die stellvertretende Vorsitzende des Verfassungsgerichts des Gebietes Kaliningrad, Frau Tatjana Karpenko, lobte die erfolgreiche und effektive gesetzgeberische Arbeit.

Dabei ging sie näher auf das Gesetz über das Statut Kaliningrad sowie das Gesetz zur Errichtung des Verfassungsgerichtes ein, welches in der zweiten Legislaturperiode verabschiedet wurde. In dieser Wahlperiode sei das Gesetz über die Auswahl der Verfassungsrichter angenommen und die Verfassungsrichter ernannt worden.

Herr Anatolij Tchaplev, der Vorsitzende des Verbandes der 22 Kreisverwaltungen des Kaliningrader Gebietes, berichtete ebenfalls von der mühevollen Gesetzgebungsarbeit nach dem Zerfall der Sowjetunion. Die häufige Wiederwahl von Abgeordneten in die Gebietsduma unterstreiche die Professionalität und den Nutzen ihrer Tätigkeit zum Wohle des Volkes. Während die zweite Legislaturperiode häufig durch Streitigkeiten zwischen der Gouverneursverwaltung und der Gebietsduma geprägt gewesen sei, hätte sich mittlerweile eine konstruktive Atmosphäre durchgesetzt. Als sehr hilfreich für die Beziehungen zwischen der Gebietsduma und den Kreisen hätte sich ferner die für sie in der Gebietsduma neu geschaffene Abteilung erwiesen.

Der Bürgermeister der Stadt Kaliningrad, ehemals Königsberg, Herr Jurij Alexeewitsch Sawenko, führte aus, dass die Stadt insbesondere hinsichtlich des Haushaltes häufig Anlass für Streitigkeiten zwischen der Gebietsduma und dem Gouverneur gewesen sei. Er betonte, dass die Gebietsduma mittlerweile an Gewicht gewonnen habe und dass insbesondere den Abgeordneten der ersten Legislaturperiode, die das Gesetz über das Statut Kaliningrad erarbeitet hätten, großer Dank gebühre.

Auf den seit 1996 bestehenden Status Kaliningrads als Sonderwirtschaftszone, der zunächst bis 2010 befristet ist, ging Jurij Semionov, der stellvertretende Vorsitzende der Gebietsduma der ersten Legislaturperiode und Vorsitzende der zweiten Legislaturperiode ein. Er beobachte die diesbezüglichen Entwicklungen allerdings mit Sorge.

Moskau wolle ein einheitliches Russland und sehe den Fortbestand der Zoll- und Steuervergünstigungen zunehmend kritisch. Deshalb sei eine Änderung der russischen Verfassung notwendig, die den Status als Sonderwirtschaftszone festschreibe.

Herr Semionov bat die Abgeordneten, sich für diese Verfassungsänderung einzusetzen.

Der Präsident des Landtages Brandenburg, Herr Dr. Knoblich, beglückwünschte Herrn Nikitin im Namen aller deutschen Landtage und dankte ihm für die Einladung zum Jubiläum. Herr Dr. Knoblich zog Parallelen zu dem nur vier Jahre älteren Landtag Brandenburg. Er begrüßte, dass sich die russische Seite nunmehr verstärkt für die Erhaltung der ostpreußischen Kulturwerte einsetze.

Herr Kaliff sprach für die Kommunalpolitiker und hob die Bedeutung der Ostseezusammenarbeit und die Rolle der lokalen und regionalen Selbstverwaltung hervor.

Die Vertreter des Jugendparlamentes, das eine ständige Einrichtung darstellt, versprachen auch in Zukunft initiativ tätig zu werden.

Bei dem abendlichen Empfang im Restaurant „Grand Hall" gratulierte der Präsident Herrn Nikitin in seinem Grußwort im Namen der Hamburgischen Bürgerschaft. Man freue sich auf den Gegenbesuch einer Kaliningrader Delegation im August in Hamburg und auf eine Intensivierung der Kontakte. In Einzelgesprächen bestand Gelegenheit zum persönlichen Kennenlernen und Austausch.

Die Reise klang mit einem Besuch des Ostseebades Swetlogorsk, ehemals Rauschen, am nächsten Vormittag aus.