Hamburger Sicherheitsüberprüfungsgesetz

Auch Hamburg wird die Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen demnächst auf eine gesetzliche Grundlage stellen müssen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. In welcher Weise arbeitet das Landesamt für Verfassungsschutz auf dem Gebiet des Geheim- und Sabotageschutzes mit Wirtschaftsunternehmen zusammen?

Für Hamburger Wirtschaftsunternehmen, die Verschlußsachenaufträge (VS-Aufträge) für den Bund ausführen, ist das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) erster Ansprechpartner bei aktuellen oder allgemeinen Sicherheitsfragen, die seinen Aufgabenbereich betreffen. Bei Wirtschaftsunternehmen, die Verschlußsachenaufträge für die Freie und Hansestadt Hamburg ausführen, wirkt das LfV darüber hinaus bei den durchzuführenden Sicherheitsüberprüfungen mit. Ferner wirkt das Landesamt bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen mit, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 2 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz tätig sind oder werden sollen, sowie an „Zuverlässigkeitsüberprüfungen" nach § 29d Luftverkehrsgesetz und §12b Atomgesetz.

2. Wieviel Unternehmen wurden/werden bisher in Hamburg vom LfV betreut? Bitte aufschlüsseln nach 1977, 1987, 1997.

Das LfV führt keine Statistik über die Zahl der betreuten Wirtschaftsunternehmen. Nach einer Schätzung werden derzeit ca. 100 Unternehmen betreut. Diese Größenordnung entspricht dem langjährigen Durchschnitt.

3. Wer entscheidet in oder für das LfV über den Bedarf einer Betreuung?

Soweit es sich um Wirtschaftsunternehmen mit VS-Aufträgen des Bundes handelt, entscheidet das Bundesministerium für Wirtschaft, welche Unternehmen das Landesamt betreut. Im übrigen entscheidet das LfV eigenständig im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenstellung.

4. Wie beurteilt der Senat hinsichtlich eines künftigen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes sicherheitspolitisch relevante qualitative Veränderungen vor und nach 1990? Welche Konsequenzen sind für den Geheim- und Sabotageschutz daraus gezogen worden?

Anders als im Bereich der Spionageabwehr haben die politischen Veränderungen im Ost-West-Verhältnis nicht grundlegend zu einer qualitativen Veränderung der Gefahrenlage im Bereich des Geheim- und Sabotageschutzes geführt. Zudem spielen in diesem Bereich auch interne Sicherheitsgefährdungen eine wesentliche Rolle. Hinsichtlich der Quantität hat sich aufgrund der politischen Veränderung zwar eine Reduzierung der Bereiche und Informationen ergeben, in denen der Geheim- und Sabotageschutz noch tätig ist, er ist aber keineswegs entbehrlich geworden. Damit bleibt auch das Instrument der Sicherheitsüberprüfung von Geheimnisträgern notwendig, jedoch hat sich der Kreis von Personen, die sicherheitsüberprüft werden müssen, reduziert.

Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Manfred Mahr (GAL) vom 24. 07. 98 und Antwort des Senats

Betreff: Hamburger Sicherheitsüberprüfungsgesetz.

5. Wieviel Verschlußsachen existierten in absoluten Zahlen 1977, 1987 und 1997 untergliedert nach den Kategorien „Vertraulich", „Geheim" und „Streng Geheim"?

6. Teilt der Senat die Zielvorstellung ­ auch im Sinne der Verwaltungsreformen ­, die Anzahl der Verschlußsachen zu reduzieren? Um wieviel Prozent wurden auf Hamburger Ebene die Verschlußsachen, untergliedert nach den Kategorien „Vertraulich", „Geheim" und „Streng Geheim", seit 1990 reduziert?

Zahl und Art der notwendigen Verschlußsachen werden auch künftig von der Sicherheitslage abhängig sein. Über die Zahl der Verschlußsachen in Hamburger Behörden wird keine Statistik geführt. Eine gesonderte Erhebung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

7. Wieviel sicherheitsüberprüfungsrelevante Arbeitsbereiche existierten in absoluten Zahlen 1977, 1987 und 1997, untergliedert jeweils nach den Kategorien „Öffentlicher Dienst" und „Privatwirtschaft" sowie „Vertraulich", „Geheim" und „Streng Geheim"?

Der vom Fragesteller verwandte Begriff der „sicherheitsüberprüfungsrelevanten Arbeitsbereiche" ist kein zu operationalisierender Begriff, so dass die nachgefragten Zahlen nicht ermittelt werden können.

8. Wieviel Mitarbeiter/innen waren von Sicherheitsüberprüfungen betroffen? Bitte aufschlüsseln nach den Jahren 1977, 1987 und 1997 und den Kategorien „Öffentlicher Dienst" und „Privatwirtschaft" sowie „Ü 1", „Ü 2" und „Ü 3". Statistische Angaben liegen nicht für die Jahre 1977 und 1987, sondern nur für das Jahr 1997 vor.

Eine nachträgliche Auswertung für die früheren Jahre ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich. 1997 hat das LfV folgende Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt bzw. daran mitgewirkt:

Hierbei handelt es sich überwiegend um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von privaten Unternehmen, die Aufträge im öffentlichen Sektor erfüllen (z.B. Handwerker, Servicepersonal).

Bei Ü1 handelt es sich um einfache Sicherheitsüberprüfungen, bei Ü 2 um erweiterte Sicherheitsüberprüfungen und bei Ü 3 um erweiterte Sicherheitsüberprüfungen mit Sicherheitsermittlungen (Befragung von Referenz- und Auskunftspersonen sowie Identitätsfeststellungen).

9. Teilt der Senat die Auffassung, dass Arbeitnehmer, die mit VS der Kategorie „Vertraulich" betraut werden, unter den gegenwärtigen sicherheitspolitischen Verhältnissen nicht mehr sicherheitsüberprüft werden müßten (wie im Gesetzgebungsverfahren zum SÜG vom 20. April 1994, BGBl. LS867 diskutiert)? Wenn nein, warum nicht?

Gemäß § 8 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes ist für Personen, die Zugang zu VS-VERTRAULICH eingestuften Verschlußsachen erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können, die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1) durchzuführen. Eine Abweichung von dieser bundeseinheitlichen Praxis könnte dazu führen, dass die von Hamburg vorgenommenen Sicherheitsüberprüfungen auf Länder- und Bundesebene nicht mehr anerkannt würden.

10. Wer oder welche Stelle entscheidet in Hamburg über die Kategorisierung von Verschlußsachen in „Nur für den Dienstgebrauch", „Vertraulich", „Geheim" und „Streng Geheim"?

Nach §§ 8 und 9 der Verschlußsachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg vom 9. November 1982 (HmbVSA) bestimmt und ändert die jeweils herausgebende Stelle den Geheimhaltungsgrad einer Verschlußsache.

11. Welche Stelle entscheidet, ob im Einzelfall materieller Geheimschutz dem personellen vorgezogen wird?

Zwischen materiellen und personellen Sicherheitsmaßnahmen wird nicht alternativ entschieden. Die Festlegung von materiellen Sicherheitsmaßnahmen erfolgt unabhängig von der Frage, welche Personen mit welcher Sicherheitsüberprüfung Zugang zu Verschlußsachen haben.

12. Inwieweit ist in Hamburg sichergestellt, dass in allen Behörden vergleichbare Tätigkeitsbereiche in gleicher Weise sicherheitsrelevant kategorisiert werden und damit Beschäftigte in ihren Grundrechten nicht unterschiedlich belastet werden?

Die Einstufung der Verschlußsachen erfolgt einheitlich nach der HmbVSA. Das LfV berät die herausgebenden Stellen. Im übrigen siehe auch Antwort zu 16.

13. In wieviel Fällen wurden innerhalb der letzten zehn Jahre in Hamburg aus Sicht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten bei der Überprüfung des Sicherheitsüberprüfungswesens Rechtsverstöße festgestellt?

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte (HmbDSB) hat innerhalb der letzten zehn Jahre in den Jahren 1992 und 1997 im Bereich des personellen Geheimschutzes zwei Querschnittsprüfungen durchgeführt (11. Tätigkeitsbericht 18.2 und 16. Tätigkeitsbericht 13.2). Festgestellte Mängel sind in jedem Fall erhoben worden. Eine zahlenmäßige Erfassung ist nicht erfolgt.

14. In welcher Weise wird der Senat ggf. die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Zukunft besser vor datenschutzrechtlichen Eingriffen von seiten der beteiligten Behörden schützen?

Die durch Senatsbeschluß vom 20. November 1990 ergangenen „Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Personen im Rahmen des Geheimschutzes ­ Sicherheitsrichtlinien ­ (SiR)", die derzeit Rechtsgrundlage für die Sicherheitsüberprüfungen sind, erfüllen bereits die elementaren Forderungen aus dem Volkszählungsurteil. Im Hinblick auf Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die mit einer Sicherheitsüberprüfung notwendigerweise verbunden sind, wird künftig mit einem Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) eine bereichsspezifische und normenklare gesetzliche Regelung vorliegen. Der HmbDSB wird die Praxis der Sicherheitsüberprüfungen weiterhin in angemessenen Abständen kontrollieren.

15. Teilt der Senat die Auffassung, dass Sicherheitsüberprüfungen starke prognostische Elemente enthalten, da diese Form der Gefahrenabwehr sehr weit in die Zukunft hineinreichen muß? Sicherheitsüberprüfungen dienen in erster Linie der Begrenzung von möglichen Risiken. In diesem Rahmen enthalten sie auch prognostische Elemente.

16. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Eignung der SÜ-Maßnahmen im Sinne des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes deshalb zentral von der Qualifikation der mit den SÜ betrauten Personen abhängt? Wenn ja, welche Qualifikation muss ein/e solche/r Mitarbeiter/in mitbringen?

Die mit Sicherheitsüberprüfungen befaßten Personen müssen über hohe fachliche Qualifikationen verfügen. Dies ist in Hamburg gewährleistet: Sicherheitsüberprüfungen werden bei den zuständigen Behörden von den dort ernannten Geheimschutzbeauftragten oder deren Stellvertreterinnen oder Stellvertretern durchgeführt. Die von der Schule für Verfassungsschutz und anderen Trägern im Rahmen der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder auf dem Gebiete des Verfassungsschutzes angebotenen Fortbildungsmaßnahmen werden von dieser Zielgruppe wahrgenommen.

17. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene in Sicherheitsüberprüfungsverfahren faktisch so weit reduziert sind, dass dem im Volkszählungsurteil postulierten vorgezogenen Rechtsschutz durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen elementare Bedeutung beizumessen ist? Welche organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen sollen das Defizit dieser Rechtsschutzmöglichkeiten ausgleichen?

Die SiR gehen von dem Grundsatz aus, dass Sicherheitsüberprüfungen nur mit Kenntnis und mit dem Einverständnis der betroffenen Person durchgeführt werden können. Insofern teilt der Senat die in der Frage genannte Aussage nicht. Gleichwohl kommt den organisatorischen und verfahrenstechnischen Vorkehrungen im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen erhebliche Bedeutung zu. Neben den Anhörungs- und Auskunftsrechten, den Regelungen über die Zweckbindung und Löschung personenbezogener Daten sowie dem Gebot der Trennung von Geheimschutz und Personalverwaltung werden im künftigen Hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz deshalb den organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zur Gewährleistung des Datenschutzes und des Rechtsschutzes eine erhebliche Bedeutung zukommen. Im übrigen ist auf die Schutzfunktion anlaßunabhängiger und umfassender Überprüfungen durch den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten hinzuweisen.

18. Nach welchen Kriterien bemißt der Senat den Erfolg und die Frage der Wirtschaftlichkeit der gesamten Aufwendungen für die Sicherheitsüberprüfungen?

Sicherheitsüberprüfungen haben in erster Linie präventive (vorbeugende) Funktion, so dass sich quantitative Kriterien für die Wirtschaftlichkeit von Sicherheitsüberprüfungen nicht ableiten lassen. Erfahrungen, z. B. aus der Auswertung von Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, haben gezeigt, dass Sicherheitsüberprüfungen tatsächlich eine hohe Hürde darstellen, Verschlußsachen mißbräuchlich zu verwenden oder sicherheitsüberprüfte Personen für eine geheimdienstliche Tätigkeit zu gewinnen.

19. Wann wird der Senat den Entwurf eines hamburgischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes in die Bürgerschaft einbringen?

Eine Befassung des Senats mit dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz ist in Kürze vorgesehen.

Auf Seite 2 ist in der Antwort auf Frage 13 in der letzten Zeile das Wort „erhoben" durch das Wort „behoben" zu ersetzen.