Lehrerarbeitszeitmodell: Veränderung der Faktorisierung

Der Schulausschuss beschloss in seiner Sitzung am 25. Mai 2004 einstimmig, eine Selbstbefassung gemäß § 53 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema "Lehrerarbeitszeitmodell: Veränderung der Faktorisierung" durchzuführen. Diese fand in derselben Sitzung statt.

II. Beratungsinhalt:

Wie die Senatsvertreterinnen und -vertreter eingangs bekannt gaben, seien nach eingehender Kenntnisnahme der Argumente des Runden Tisches und behördeninterner Diskussionen folgende Veränderungen des Lehrerarbeitszeitmodells (LZM) getroffen worden, die bereits ab 01.08.2004 wirksam werden sollen:

­ Anhebung des Faktors im Bereich der Grundschule von 1,3 auf 1,35, wofür ca. 85 Stellen veranschlagt werden müssten,

­ Ausgleich des Zeitaufwands von Teilzeitkräften bei Klassenreisen durch Kostenerstattung oder Erhöhung ihres Deputats, was Kosten in Höhe von 25 Stellen verursachen werde,

­ Veranschlagung von 10 statt bisher 4 Stellen für die Organisation und Durchführung überregionaler Sportveranstaltungen,

­ Veranschlagung von 10 Stellen für die überregionale Organisation und Durchführung von Kunst- und Musikveranstaltungen.

Außerdem werde im Schuljahr 2004/2005 eine Evaluation des LZM durch ein Schulforschungsinstitut erfolgen. Deren Kostenbedarf werde mit 3 Lehrerstellen beziffert.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter hielten fest, dass die Gesamtkosten der beschlossenen Maßnahmen in Höhe von 133 Stellen durch Umschichtungen zu finanzieren seien. Sie fügten hinzu, dass als weitere Maßnahme, die die Flexibilität der Schulen im Umgang mit dem Modell erhöhe und keinen Kostenaufwand erfordere, vorgesehen sei, dass die Schulen nun selbst entscheiden könnten, ob sie das LZM als Planungs- oder Abrechnungsmodell anwenden wollten und wie mit anfallenden Plusoder Minusstunden bei einzelnen Kollegen verfahren werden solle.

Auf Nachfrage der SPD-Abgeordneten sagten die Senatsvertreterinnen und -vertreter zu, die Bürgerschaft in einer Drucksache über das Vorhaben auch im Hinblick auf die Umschichtungen und Frequenzanhebungen zu informieren. Dies werde im Rahmen der Haushaltsberatungen 2005/2006 geschehen.

Die SPD-Abgeordneten kritisierten, dass die geplanten Veränderungen infolge der Finanzierung durch Umschichtungen zu Lasten der Qualität an den Schulen gingen, denn in fast allen Schulen würden die Basisfrequenzen der Klassen um 1 ­ 1,5 Schülerinnen und Schüler angehoben. Sie bezeichneten es als leichtfertig, mit Verweis auf das PISA-Siegerland Japan die Bedeutung der Klassenfrequenz für die Unterrichtsqualität zu leugnen, zumal es auch viele andere in der PISA-Studie erfolgreiche Länder mit Klassenfrequenzen deutllich unterhalb derer in der BRD gebe. Außerdem wiesen die SPD-Abgeordneten auf die seit 2001 eingetretenen Verschlechterungen im Grundschulbereich hin. Durch die bereits realisierte und die bevorstehende Vergrößerung der Klassen habe nach ihrer Rechnung eine durchschnittlich besetzte Grundschulklasse von 25,5 Schülerinnen und Schülern nun 2,5 Lehrerwochenstunden weniger. Die Entscheidung des Senats dafür sei umso verwunderlicher angesichts der nach der PISA-Studie unumstrittenen und auch vom Vorgängersenat vertretenen Auffassung, dass gerade der Grundschulbereich gestärkt werden müsse. In den Augen der SPD-Abgeordneten sei eine derartige Belastung der Grundschulen ein ganz falscher Weg.

Demgegenüber lobten die CDU-Abgeordneten die intensive Auseinandersetzung mit den Reaktionen auf das LZM und dass die vorgeschlagenen Veränderungen den berechtigten Einwänden abhelfen und zugleich den begrenzten Haushaltsmitteln Rechnung tragen würden. Sie fragten, ob die unterschiedlichen Erfahrungen der einzelnen Schulen mit dem LZM dazu geführt hätten, dass die Anwendungsweise des LZM nun in die Verantwortung der Schulen gelegt werde.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter führten aus, dass das LZM von Anfang an nicht zwingend als Abrechnungs-, sondern auch als Planungsmodell aufzufassen gewesen sei, was bei seiner Einführung missverstanden worden sei. Es verfolge das Ziel, den Schulen höhere Autonomie zu geben und eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Zeitressourcen im Kollegium zu schaffen, damit Spitzenbelastungen bei einzelnen Lehrkräften abgebaut werden könnten. Sie wiesen ergänzend darauf hin, dass die Arbeitszeitverordnung die Faktoren und die pauschalen Zuweisungen den Zeitrahmen für den Funktionsbereich und den allgemeinen Bereich vorgäben. Festzuhalten sei zudem, dass das Modell den Schulen im Bereich der Funktionsaufgaben 2 bis 2,5 Mal so viel ­ bei Abzug der Schulleitungsentlastung sogar noch mehr ­ Zeit zur Verfügung stelle wie bisher. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter die betonten, dass auch mit den Gewerkschaften Einigkeit bestehe, dass ein Zurück hinter das Modell nicht wünschenswert sei, wenn auch die Knappheit von Lehrerarbeitszeit, die teuer und im Rahmen der Auskömmlichkeit beschränkt sei, überall beklagt werde.

Bezüglich der Klassenfrequenzen verwiesen sie auf die Problematik, dass die Schulen schon seit langem häufig die Zuweisungen für Förder- und Teilungsstunden für eine Verkleinerung der Klassen eingesetzt hätten und dadurch bestimmte Ziele auch früherer Senate, wie z. B. die Sprachförderung, nicht erreicht worden seien. Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bekräftigten angesichts der Knappheit der Lehrerarbeitszeit ihren Standpunkt, dass Grund- und Förderunterricht in der Erfolgsgewichtung eine größere Rolle spielten als die Größe der Lerngruppen und dass der Schwerpunkt dementsprechend zu setzen sei. Kleinere Klassen seien wünschenswert, doch mit dem gegenwärtigen Haushalt nicht zu realisieren.

Die GAL-Abgeordnete bezeichnete die getroffenen systemimmanenten Maßnahmen, die durch die Erhöhung der Klassenfrequenzen realisiert würden, als nicht sehr einfallsreich. Sie vermisse grundsätzliche Gedanken über strukturelle Maßnahmen, räumte aber ein, dass diese in dem bestehenden starren gegliederten System nicht realisiert werden könnten. Für sie werfe Fragen auf, dass es sich bei der Erhöhung des Faktors in der Grundschule bei gleichzeitiger Vergrößerung der Klassen doch um ein "Nullsummenspiel" handele. Außerdem wollte sie wissen, ob im Kontext mit der Frequenzerhöhung auch über eine Veränderung der Lernkultur nachgedacht worden sei, welche Unterstützung es in diesem Bereich für die Schulen gebe sowie insbesondere, welche Formen in der gymnasialen Oberstufe gewählt würden. Des Weiteren wies sie auf die Problematik hin, dass die Stunden in der Sprachförderung schon reduziert würden, bevor ein neues Konzept zur Sprachförderung vorliege. Sie bat um Auskunft, wann damit zu rechnen sei.

Bezüglich des Sprachförderkonzepts beriefen sich die Senatsvertreterinnen und -vertreter darauf, dass die BBS sich aufgrund des für die Schulorganisation sehr ungünstigen Zeitpunkts der Neuwahlen zuerst auf die Organisation des Schuljahrs konzentrieren und Planungsentscheidungen hätte treffen müssen, bevor durch fachpolitische Untermauerung das Konzept noch genauer hätte präzisiert werden können. Dies solle aber noch während des kommenden Schuljahres nachgeliefert werden. Sie unterstrichen, dass gegenwärtig Fragen der Schulorganisation, die Ganztagsschuldrucksache und der Lehrerstellenplan Priorität hätten. Sie pflichteten der GAL-Abgeordneten bei, dass nicht nur die Klassengröße, sondern auch die Ergebnisse der Schulleistungsforschung zwängen, sich Gedanken über die Art der Unterrichtsgestaltung, der Sicherung des Lernerfolgs und der Organisation des selbstständigen Lernens zu machen. Hierauf reagierten auch die neuen Bildungspläne, für deren Umsetzung die Lehrer noch fortgebildet würden. Einig seien sie sich mit der GAL-Abgeordneten auch darin, dass die Frage der Organisation und der Gestaltung des Unterrichts in den kleinen Oberstufen ein anzugehendes Problem sei. Sie bestätigten, dass die Frequenzanhebung und die Unterrichtsfaktoranhebung sich ungefähr ausglichen. Anstatt dass ein Kind weniger in der Klasse sei, hielten sie es aber für vernünftiger, dass die Lehrkräfte mehr Zeit für die Planung, die Vorbereitung und die Nachbereitung es Unterrichts hätten.

Wie die SPD-Abgeordneten erklärten, bestätigten die erforderlichen Nachbesserungen am LZM ihre in der Vergangenheit häufig vorgetragene und seitens der BBS geleugnete Vermutung, dass tausend Lehrerstellen eingespart worden seien und sowohl die dritte Sportstunde als auch die Verkürzung der Schulzeit für das Abitur nach 12 Jahren über die Einführung des LZM finanziert werden sollte. Wenn nun die dritte Sportstunde in das Belieben der Schulen gestellt werde, bedeute es unter den gegebenen Bedingungen deren Aufgabe, was wiederum ein Hohn für all die sei, die sich für mehr Sport in der Schule eingesetzt hätten. Vor dem Hintergrund, dass eine nennenswerte Anzahl von Lehrern, insbesondere in der Grundschule, bis zu 30 Stunden und mehr unterrichtet hätten, fragten die SPD-Abgeordneten, ob die vorgestellten Maßnahmen zu einer Beendigung der Boykotte führen würden. Außerdem wollten sie wissen, warum die Ergebnisse des Runden Tisches nicht veröffentlicht würden.

Bezüglich der Anzahl der Lehrerstellen erwähnten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, dass der Lehrerstellenplan insbesondere im Hinblick auf die Schulaufsicht und die Personalorganisation nicht ausfinanziert gewesen sei, so dass schon 1998 die Schulaufsicht angewiesen worden sei, die Schulen nur zu 98 % zu versorgen. Seit Antritt der neuen Regierung seien den vorhandenen ca. 13 600 Stellen jährlich 100

Stellen hinzugefügt worden, für die auch tatsächlich Geld zur Verfügung stehe. Zum

1. August 2004 und 2005 würden jeweils weitere 100 eingerichtet. Sie erklärten, man habe schon bei Regierungsantritt absehen können, dass die alten Bedarfe wie festgeschrieben niemals auskömmlich hätten bedient werden können, weshalb eine Bedarfskorrektur notwendig gewesen sei. Es sei nicht behauptet worden, dass die Knappheit von Lehrerarbeitszeit durch das Modell aufgehoben werde. Sie erinnerten zudem daran, dass das alte Modell stark in der Kritik gestanden habe ­ erst als die durch das neue Modell angegriffenen Besitzstände die Diskussion bestimmten, hätten sich viele nostalgisch dem alten Modell zugewandt. Wie bei allen Reformen habe das

Neue bei den Begünstigten wenig Propaganda, bei denen, denen etwas abverlangt werde, aber viel Gegnerschaft erfahren.

Die SPD-Abgeordneten wiesen die Auffassung zurück, dass der Stellenplan seit Beginn der 90er Jahre nicht ausfinanziert gewesen sei, und hoben hervor, dass die Zahl der Lehrerstellen mit dem Regierungswechsel um 400 abgesenkt worden sei. Sie kamen noch einmal darauf zurück, dass die Regierung seit 2001 neue Aktivitätsfelder, wie z. B. die dritte Sportstunde, geöffnet, aber die Ressourcen nicht entsprechend vergrößert habe. Dabei sei auch behauptet worden, dass dem System durch das Modell mehr Stunden zugeführt worden seien. Es werde deutlich, dass man erst jetzt versuche, sich der Realität anzunähern.

Die CDU-Abgeordneten hoben demgegenüber hervor, dass Teilzeitkräfte bei Klassenreisen nun einen Ausgleich erhielten und fragten, ob daher zu erwarten sei, dass Klassenreisen keinen Streitpunkt mehr darstellten und wieder wie in früherem Umfang durchgeführt würden.

Die Senatsvertreterinnen und -vertreter bekundeten ihre Hoffnung, das angesprochene Problem gelöst zu haben. Sie seien sicher, dass es mit der Schaffung von Transparenz über die Maßnahmen gelinge, in der Öffentlichkeit darzustellen, dass Klassenreisen nicht mehr boykottiert werden dürfen und müssen. Die meisten Schulen hätten dies auch schon erkannt und es sei nicht anzunehmen, dass das Interesse an Klassenreisen erloschen sei.

Die SPD-Abgeordneten fragten, ob es gelingen werde, die Zahl der Klassenreisen wieder so ansteigen zu lassen, dass die Hamburger Schullandheime nicht existenziell bedroht seien.

Dazu erläuterten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, dass die Schullandheime nicht durch die geringe Anzahl der Klassenreisen gefährdet seien, sondern vor allem durch die Attraktivität anderer Ziele. Zur Rettung der Schullandheime müsse gemeinsam dafür geworben werden, damit Lehrer und Schüler sie wieder mehr als Reiseziele akzeptierten. Im letzten Jahr hätten die Klassenreisen aber trotz des LZM noch zur Ausbuchung der Schullandheime ausgereicht.

Die SPD-Abgeordneten erinnerten daraufhin daran, dass aber doch über starke Einbußen für die Schullandheime berichtet worden sei.

Des Weiteren machten die SPD-Abgeordneten auf eine unterschiedliche Bewertung der Veränderung der Basisfrequenzen durch die BBS aufmerksam: So heiße es zum einen, eine Absenkung bei den Hauptschulen stärke diese, zum anderen würden mit Bezug auf die PISA-Studie auch Erhöhungen positiv dargestellt. Ihrer Ansicht nach sei der Vergleich mit den PISA-Siegerländern wegen der dort vorhandenen Personalausstattung unangemessen. Sie vertraten den Standpunkt, dass für die Eltern entscheidend sei, wie viel Unterricht ihre Kinder bekämen. Dabei werde nach wie vor an den Grundschulen das Problem bestehen, dass die Vollzeitkräfte ihre Stunden bei nur 27 vorgesehenen Wochenstunden am Vormittag nicht an die Kinder bringen könnten und den Kindern effektiv Unterricht fehle. Außerdem baten sie um Erläuterung, wie die Verteilung der zehn vorgesehenen Stellen für überregionales Engagement erfolge.

Zu letzterem erklärten die Senatsvertreterinnen und -vertreter, dass diese überregionalen Pools wie in der Vergangenheit von den Schulaufsichten im Einvernehmen mit den Dezernaten verwaltet und in den Dezernatskonferenzen je nach den Leistungen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen anteilig vergeben würden. Bezüglich des Grundschulbereichs räumten sie ein, dass es für die Übergangszeiten bei der Frequenzerhöhung Organisationsreserven gebe. Da auch erst im Schuljahr 2006/2007 die Schülerzahlen anwüchsen, bestehe in der ersten Zeit ein Puffer. Das Argument, dass die Lehrerarbeitszeit nicht im Stundenplan untergebracht werden könne, ließen sie nicht gelten. So würde z. B. beim Sprachförderkonzept durchaus dafür gesorgt, dass der Unterricht den Schülern additiv zugute komme.

Die CDU-Angeordneten nahmen Bezug auf die angesprochene Veränderung der Lernkultur und fragten, ob auch die Verstärkung der Lehrerfortbildung diesem Ziel diene.

Dies wurde von den Senatsvertreterinnen und -vertretern bejaht und darauf hingewiesen, dass das LZM erstmals einen Zeitwert für die schulinterne Fortbildung ausweise.

Außerdem werde daran gearbeitet, dass nicht nur das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung als Anbieter zur Verfügung stehe.

III. Ausschussempfehlung:

Der Schulausschuss empfiehlt der Bürgerschaft, von dem vorstehenden Bericht Kenntnis zu nehmen.

Britta Ernst, Berichterstatterin.