Gesundheitsgefährdung für Kinder und Jugendliche durch Hochspannungsleitungen

Die nun veröffentlichte Studie der Arbeitsgruppe Epidemiologie zur „Inzidenz und räumlichen Verteilung maligner hämatologischer Systemerkrankungen in Hamburg (1988 ­ 1999)" ist besorgniserregend. Es wird angedeutet, dass für Kinder und Jugendliche, deren Wohnort in der Nähe von Hochspannungstrassen liegt, ein erhöhtes Krebsrisiko bestehen kann, welches durch zusätzliche Straßenverkehrsimmissionen verstärkt wird (vgl. Seiten 75, 81, 101 und 113 der Studie). Laut Studie und Bundesamt für Strahlenschutz besteht ein Zusammenhang von Leukämierate und magnetischer Flussdichte ab einem Wert von 0,4 µT. Der gesetzliche Grenzwert der 26. BlmSchV für die durch Hochspannungsleitungen in Wohngebäuden ausgelöste elektromagnetische Strahlung liegt bei 100 µT. Bei 380kV-Hochspannungsleitungen wurden beispielsweise im Abstand von 20 m zur Trassenmitte magnetische Flussdichten von ca. 10 µT gemessen. Auch zahlreiche weitere Studien weisen auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Hochspannungsleitungen hin (Studie des Britischen Amts für Strahlenschutz, 2000; Studie des Kalifornischen Gesundheitsministeriums, 2002; Studie von Michaelis/Bundesamt für Strahlenschutz, 2001).

In Hamburg wird wegen der genannten Risiken seit 1988 bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sichergestellt, dass im Umfeld von Hochspannungsleitungen keine neuen Wohnungen und Einrichtungen für Kinder und Jugendliche gebaut werden dürfen. In Gebieten ohne Bebauungsplan ist die Neuerrichtung von Wohngebäuden in der Nähe von Hochspannungsleitungen hingegen möglich, solange die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.

Handlungsbedarf besteht auch bei vorhandenen Wohngebäuden, Schulen und Kindergärten in der Nähe von Hochspannungsleitungen. In Schweden wurde 1993 begonnen, Hochspannungsleitungen in der Nähe von Schulen und Kindergärten zu entfernen. In Kalifornien werden derzeit verschiedene Maßnahmen in Reaktion auf neuere Studien zu Risiken durch Hochspannungsleitungen diskutiert. Auch in Hamburg ist eine solche Diskussion erforderlich.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Die in der aktuellen Studie gewonnenen Ergebnisse ergeben zu diesem Thema keinen neuen Sachstand und bieten keinen Anlass für eine Neubewertung. Nach der Bewertung der SSK ist ein ursächlicher Zusammenhang nicht erwiesen. Weltweit anerkannte Strahlenschutzgremien wie die Internationale Strahlenschutzkommission für nichtionisierende Strahlung (ICNIRP) oder die englische Strahlenschutzbehörde (NRPB) und das Bundesamt für Strahlenschutz kommen zu der gleichen Schlussfolgerung. Erst auf der Grundlage gezielter Forschungsprogramme wie dem von der Bundesregierung maßgeblich geförderten internationalen EMF (Elektromagnetische Felder)-Projekt der Weltgesundheitsorganisation kann die Frage der Kausalität der epidemiologisch beobachteten Zusammenhänge sicher beurteilt werden. Bei dieser Sachlage können administrative Maßnahmen nicht mit der Abwehr konkreter Gefahren begründet werden, sondern bewegen sich im Bereich der Vorsorge.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Laut Studie befindet sich die Wohnung von rund 7,3 % der Hamburger Bevölkerung im Abstand von bis zu 250 m zu Hochspannungsfreileitungen. Wie ist der genaue Verlauf von überirdischen Hochspannungsleitungen in Hamburg? (Bitte kartografisch darstellen und zwischen 110 kV und 380 kV unterscheiden.)

Der Verlauf der überirdischen Hochspannungsleitungen in Hamburg ist aus allgemein erhältlichen Karten, wie z. B. dem Beiblatt zum Flächennutzungsplan, ersichtlich.

2. Wie ist das Leukämie-Risiko für Kinder und Jugendliche bei einer zwischen 110 kV und 380 kV-Leitungen differenzierenden Betrachtung für beide Leitungstypen jeweils zu beurteilen?

Eine entsprechend differenzierte Auswertung wurde nicht vorgenommen.

3. Sind die bestehenden Regelungen in Hamburg zwischen Wohnhäusern und Hochspannungsleitungen nach Ansicht des Senats ausreichend?

Ja.

4. In der Studie wird darauf hingewiesen, dass ein Verstärkungseffekt bei gleichzeitiger Nähe zu Hochspannungsleitungen und Hauptverkehrswegen besteht. In welchen Bereichen gibt es Überschneidungen zwischen Nähe zu Hochspannungsleitungen und Hauptverkehrswegen?

Siehe Antwort zu 1.

5. Wie viele Schulen, Kindergärten und sonstige permanente Aufenthaltsorte von Kindern und Jugendlichen befinden sich in unmittelbarer Nähe zu überirdischen Hochspannungsleitungen (Eine Umfrage aus dem Jahr 1994 ergab, dass folgende staatliche Schulen unter oder in der Nähe (im Abstand bis zu 50 m) von Hochspannungsfreileitungen liegen (Staatliche Pressestelle: „Berichte und Dokumente" Nr. 957 vom 19.09.1994):

· Gesamtschule Allermöhe,

· Schule Am Altonaer Volkspark,

· Schule Am Barls,

· Schule Bekkamp,

· Gesamtschule Bergedorf,

· Berufliche Schule Farmsen (G 16),

· Berufsschulzentrum Bergedorf (Staatliche Gewerbeschule Chemie, Pharmazie, Agrarwirtschaft ­ G 13; Staatliche Gewerbeschule Bautechnik ­ G 19; Staatliche Gewerbeschule Verkehrstechnik, Arbeitstechnik, Ernährung ­ G 20),

· Schule Böttcherkamp,

· Erich-Kästner-Gesamtschule,

· Fridtjof-Nansen-Schule/Swatten Weg,

· Staatliche Gewerbeschule Werft und Hafen (G 7),

· Staatliche Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium City Nord (H 7),

· Schule Holstenhof,

· Schule Karlshöhe,

· Schule Kroonhorst,

Für Kindergärten und sonstige permanente Aufenthaltsorte (Einrichtungen der stationären Erziehungshilfen) von Kindern und Jugendlichen konnten die Daten in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehende Zeit mit vertretbarem Aufwand nicht ermittelt werden.

7. Sieht der Senat Anlass, über Möglichkeiten zur Verlagerung oder zur unterirdischen Verlegung der betroffenen Hochspannungsleitungen nachzudenken, um die Risiken für die genannten Einrichtungen zu minimieren?

8. Sieht der Senat Anlass, über eine mittelfristige Schließung oder Verlagerung der betroffenen Einrichtungen nachzudenken?

Nein.

9. In welchem Umfang wird im Rahmen der Prüfung der Aufgabe oder Zusammenlegung von Schulstandorten die Nähe von bestimmten Schulen zu überirdischen Hochspannungsleitungen als Kriterium herangezogen?

Die Lage von Schulen zu Hochspannungsleitungen ist ein Kriterium unter anderen, das in die Abwägung von Standortentscheidungen einfließt.

10. In wie vielen Fällen wurde in den letzten fünf Jahren aus Vorsorgegesichtspunkten Einrichtungen der Stadt oder städtischer Unternehmen geschlossen, in denen sich vorwiegend Kinder und Jugendliche aufhalten und die in der Nähe von Hochspannungsleitungen liegen?

In keinem Fall.

11. Wie viele Wohnungen der städtischen Wohnungsunternehmen haben einen Abstand von 12. Soweit es sich um Wohnhäuser bzw. Wohnungssiedlungen von mehr als 20 Wohneinheiten handelt: Wo liegen diese im Einzelnen genau?

Die Daten werden in der angeforderten Form bei den Wohnungsunternehmen SAGA und GWG nicht erfasst. Eine Ermittlung ist in der Kürze der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

13. Werden Mieter von städtischen Wohnungen in der Nähe von Hochspannungsleitungen auf die möglichen Risiken für Kinder und Jugendliche hingewiesen?

Da die Mietinteressenten städtischer Wohnungen die Wohnungen vor einer Anmietung besichtigen, ist ihnen das Wohnumfeld bekannt. Weitere Hinweise erfolgen nicht.

Die zuständige Behörde informiert die Hamburger Bevölkerung allgemein über das Thema Elektromagnetische Felder, z. B. mit Faltblättern und Informationen im Internet.

14. In wie vielen Fällen wurden in den letzten fünf Jahren in Gebieten ohne Bebauungsplan (§ 34 BauGB) Wohngebäude im Abstand Der zuständigen Behörde liegen keine statistischen Erhebungen vor über Wohngebäude, die im Nahbereich von Hochspannungsleitungen (Abstand von 15. Magnetfelder sind im Gegensatz zu elektrischen Feldern schwer abzuschirmen. Wie schätzt der Senat die Gefährdung durch unterirdische Hochspannungsleitungen ein?

Unterirdische Hochspannungsleitungen (Erdkabel) werden so verlegt, dass das Gesamtfeld, verglichen mit einer Freileitung, nicht nur schwächer ist, sondern auch schneller mit dem Abstand abnimmt. Eine erhöhte Exposition durch unterirdische Hochspannungsleitungen ist an zum Daueraufenthalt bestimmten Orten, wie etwa in Wohnungen, nicht zu erwarten.

16. In Hamburg sollen sich von etwa 7000 Trafostationen 1000 in Wohnhäusern befinden. Besteht nach Ansicht des Senats Handlungsbedarf hinsichtlich einer Gefährdung durch Transformationsstationen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht?

Nein.

Auch bei in Wohngebäuden eingebauten Transformatorstationen werden die gesetzlichen Vorgaben der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) unterschritten.

17. Besteht nach Ansicht des Senats Handlungsbedarf hinsichtlich einer Gefährdung durch elektrische Oberleitungen der Bahn? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht?

Nein.

Eine Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz hat gezeigt, dass die Exposition durch die Bahnstromanlagen für Personen, die in der Nähe einer Bahnstrecke wohnen, sehr gering ist (Medianwert 0,1 µT).

Sieht der Senat Anlass, über eine Bundesratsinitiative zur Veränderung der gesetzlichen Grenzwerte für niederfrequente elektromagnetische Strahlung nachzudenken? Wenn nein, warum nicht?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.