Absatz 1 Satz 1 Handeln auf Anordnung findet im Falle des Satz 2 keine

Zu § 24 Absätze 2, 3 SOG ­ „finaler Rettungsschuss" und Folgeänderungen § 24 Schusswaffengebrauch (Auszug)

(2) Zweck des Schusswaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Gebraucht der Polizeivollzugsbeamte die Schusswaffe als das einzige Mittel und die erforderliche Verteidigung, um einen rechtswidrigen Angriff mit Lebensgefahr oder gegenwärtiger Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit von sich oder einem anderen abzuwehren, so ist sein Handeln auch dann zulässig, wenn es unvermeidbar zum Tod des Angreifers führt: insoweit wird das Grundrecht auf Leben (Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 20 Absatz 1 Satz 1 (Handeln auf Anordnung) findet im Falle des Satz 2 keine Anwendung.

(3) Der Schusswaffengebrauch ist unzulässig, wenn erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Das gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist und dadurch keine Lebensgefahr für Unbeteiligte entsteht. Unbeteiligte sind nicht Mittäter und Teilnehmer der Tat die den Schusswaffengebrauch erfordert.

§ 24 Absatz 2 Der Hamburger Gesetzgeber hat bislang auf eine ausdrückliche gesetzliche Regelung bezüglich des finalen Rettungsschusses verzichtet. Die bisherige Grundlage im SOG (§ 24 Absatz 2 Satz 1) in Verbindung mit der Polizeidienstvorschrift ist von vielen Rechtsexperten wie auch der Polizeipraxis zu Recht als nicht ausreichend kritisiert worden. Sie führte dazu, dass letztlich zur Rechtfertigung des Rettungsschusses auf das individuelle Nothilferecht des handelnden Beamten zurückgegriffen werden musste (bisher § 25 Absatz 3). Damit hat sich der Staat und der Gesetzgeber aus der Verantwortung gezogen, indem er das dem Individuum zustehende Notwehr- bzw. Nothilferecht gleichsam für sich instrumentalisiert, um zu vermeiden, dass der Staat für den schwersten aller denkbaren Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Positionen

­ das Leben ­ eine einwandfreie Ermächtigung (einschließlich Ermächtigungsbegrenzung) schafft.

Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches über Notwehr, Nothilfe oder Notstand sind Jedermann-Rechte und reichen als gesetzliche Ermächtigung der Polizei zur Abgabe eines finalen Rettungsschusses nicht aus: Diese Vorschriften begründen keine Befugnis zu öffentlich-rechtlichem Handeln staatlicher Organe, sondern dienen allein der strafrechtlichen Würdigung eines Verhaltens. Deshalb bedarf es einer gesetzlichen Regelung, um Rechtssicherheit für die Polizeibeamten und Rechtsklarheit für die Öffentlichkeit zu schaffen.

Eine gesetzliche Regelung muss umso präziser sein, je nachhaltiger die Grundrechte des einzelnen Bürgers betroffen werden. Der finale Rettungsschuss ist der denkbar schwerste Eingriff in die Rechte eines Menschen (Grundrecht auf Leben Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG).

Neben diesen verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten ist eine eindeutige gesetzliche Regelung auch für die polizeiliche Praxis von überragender Bedeutung. Der Polizist macht eben nicht als „Bürger, der zufällig eine Polizeiuniform trägt" von der Schusswaffe Gebrauch, sondern als Beamter in Wahrnehmung seines hoheitlichen Auftrags, Recht und Gesetz zu schützen. Wenn das Verhalten eines Straftäters ein wahrscheinlich tödlich wirkendes Vorgehen von Seiten der Polizei im Einzelfall unumgänglich macht, dann soll dem Polizeibeamten eine klare polizeirechtliche Rechtsgrundlage für sein Handeln vorgegeben werden. Es ist schwer verständlich, dass bisher zur Rechtfertigung des finalen Rettungsschusses auf juristische Konstruktionen zurückgegriffen werden muss, während weit weniger intensive Befugnisse, z. B. die schlichte Befragung, detailliert im Gesetz beschrieben sind.

Deshalb soll nun eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage mit Ermächtigungsbegrenzung im SOG verankert werden. Damit wird ­ in Orientierung am Nothilfegedanken ­ keine Ausweitung polizeilicher Befugnisse vorgenommen, sondern Rechtssicherheit für Polizei und Bürger erreicht: Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass in extremen Ausnahmesituationen zur Entgegnung eines anders nicht abzuwehrenden Angriffs auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit eines Opfers ein gezielter, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirkender Schuss auf den Täter abgegeben werden kann. Diese äußerste Form, die Angriffsunfähigkeit zu bewirken, ist jedoch nur dann zulässig, wenn kein anderes Mittel zur Rettung des Opfers zur Verfügung steht (ultima ratio). Trotz langjähriger intensiver Bemühungen im Inund Ausland existiert gegenwärtig noch keine Waffe oder sonstiges Mittel, das in den in Betracht kommenden Gefahrenlagen die sofortige Angriffsunfähigkeit in gleicher Weise wie der Rettungsschuss gewährleisten könnte.

Soweit neben der Lebensgefahr von der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit als Zulässigkeitsvoraussetzung gesprochen wird, sind die in § 226 StGB (Schwere Körperverletzung) genannten Verletzungsfolgen (Verlust des Sehvermögens, eines wichtigen Körperglieds u. a.) gemeint.

Die Regelung ist dabei noch etwas enger formuliert als der Text aus dem Musterentwurf eines bundeseinheitlichen Polizeigesetzes (Beschluss der IMK vom 25. November 1977), an den sich andere Länder mit einer entsprechenden Regelung im Polizeigesetz gehalten haben. Der neue § 24 Absatz 2 Satz 2 orientiert sich am § 46 Absatz 2 Satz 2 des Bremischen SOG. Hier gab es einen Konsens zwischen SPD, CDU und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bremen unter Beteiligung namhafter Rechtsprofessoren, der auch Eingang in das Hamburgische SOG finden sollte.

Die Wahrung des verfassungsrechtlich zwingenden Zitiergebots (vgl. Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes) ist an der konkreten Stelle der Ermächtigungsgrundlage vorgenommen und nicht an der Generalnorm des § 31 SOG (Einschränkung von Grundrechten). Dies unterstreicht, dass die Norm die Einschränkung des Grundrechts nicht bezweckt. Mit dem Wort „insoweit" wird betont, dass sie grundsätzlich ungewollte Folge polizeilichen Handelns ist. Damit zieht diese Regelung des verfassungsrechtlichen Rahmen noch etwas enger, weil klargestellt wird, dass mit dieser Regelung die Einschränkung des Grundrechts auf Leben gerade nicht gesetzlich intendiert ist, sondern nur unter den genannten Prämissen unvermeidbare Folge sein kann.

Mit § 24 Absatz 2 Satz 2 des Entwurfs wird sichergestellt, dass kein Beamter zur Abgabe des Schusses gezwungen werden darf. Eine Einbindung in eine polizeiliche Befehlskette für die Letztentscheidung über den unter Umständen tödlichen Schuss verbietet sich. Der Ausschluss des § 20 Absatz 1 Satz 1 führt dazu, dass ein Einsatzführer den Todesschuss nicht anordnen darf, sondern ihn der unmittelbaren Gewissensentscheidung des handelnden Beamten überlassen muss.

Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass eine intensive Überprüfung der Abgabe eines finalen Rettungsschusses nicht davon abhängig ist, ob die Befugnis im Gesetzestext ausdrücklich erwähnt ist oder nicht. Wer die Befugnis überschreitet, wird sich strafrechtlich und disziplinarrechtlich hierfür verantworten müssen.

§ 24 Absatz 3 sowie Folgeänderungen in §§ 25, 26, 31

Im Rahmen von § 24 war bislang eine Ausnahme vom Verbot der Gefährdung Unbeteiligter für die Fälle vorgesehen, dass sich die Gefährdung beim Schusswaffengebrauch gegen eine Menschenmenge oder eine bewaffnete Gruppe nicht vermeiden lässt. Dieses ist angesichts der Schwere des Eingriffs zu unkonkret. Deshalb wird hier in Anlehnung an die gelungene Regelung des Bremischen Polizeigesetzes eine Konkretisierung angestrebt, die entscheidend auf die Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr abstellt. Dies stellt auch eine Angleichung an andere Polizeigesetze der Länder dar. Durch die gefundene Formulierung wird den vielfältigen Gefährdungssituationen umfassender als bisher Rechnung getragen und außerdem dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in besonderer Weise entsprochen.

Bei den Änderungen in § 25, § 26 und § 31 handelt es sich um redaktionelle (Folge-) Änderungen. § 25 Absatz 3 ist zu streichen, da die gesetzliche Verankerung des finalen Rettungsschusses die bisher notwendige Berufung auf das Nothilferecht ersetzt.

Die Bestimmungen über Notwehr, Nothilfe, Notstand können ­ wie dargelegt ­ keinesfalls öffentlich-rechtliche „Hilfsermächtigungen" sein, denn strafrechtliche Rechtfertigungsgründe und öffentlich-rechtliche Ermächtigungsgrundlagen für hoheitliches Handeln sind wesensverschieden. Deshalb ist es als Konsequenz der ausdrücklichen Regelung des finalen Rettungsschusses konsequent und rechtsstaatlich zwingend, den bisherigen Hinweis aus § 25 Absatz 3 zu streichen.

Der nach dem Zitiergebot erforderliche Hinweis auf die Einschränkung des Grundrechts auf Leben wird aus § 31 gestrichen, da er sich direkt in § 24 Absatz 2 findet.

Zu § 4 Absatz 1 PolDVG ­ „Identitätsfeststellung" § 4 Absatz 1 PolDVG Identitätsfeststellung (Auszug)

Die Polizei darf die Identität einer Person feststellen

1. soweit es im Einzelfall erforderlich ist zur Abwehr einer bevorstehenden Gefahr, zur Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben oder einer Aufgabe der Amts- oder Vollzugshilfe

2. wenn diese sich an einem Ort befindet

a) bei dem es sich nach ortsbezogenen Lagebeurteilungen der Polizei um einen Kriminalitätsbrennpunkt handelt,

b) bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder verübt werden oder

c) bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort Personen befinden, die gegen aufenthaltsrechtliche Straf- oder Ordnungswidrigkeitenvorschriften verstoßen oder

d) bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort gesuchte Straftäter verbergen.

3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in diesem Objekt oder in unmittelbarer Nähe Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen oder das Objekt gefährdet sind (...). Statt Generalverdacht gegen alle im Rahmen einer Schleierfahndung im gesamten Stadtgebiet wird eine maßvolle Präzisierung der bestehenden Rechtsgrundlagen für verdachtsunabhängige Kontrollen an Kriminalitätsbrennpunkten und an Orten des öffentlichen Verkehrs vorgeschlagen, da sich diese Vorschriften teilweise in der Praxis als nicht hinreichend praktikabel erwiesen haben. Diese Bestimmungen werden ergänzt durch die weitergehenden verdachtsunabhängige Kontrollen in Bereichen, in denen Hamburg quasi „Grenzgebiet" ist: Auf Bahnhöfen und Flughäfen sind im Rahmen des Bundesgrenzschutzgesetzes ähnliche Kontrollen möglich; im Hafen sollen Identitätsfeststellungen künftig aufgrund des Hafensicherheitsgesetzes erlaubt werden. Diese Instrumente sind insgesamt richtig, notwendig und ausreichend.

Die durchgängige Änderung von „aufhält" in „befindet" greift die Rechtsprechung des OVG Hamburg (Urteil vom 23.08.2002; 1 Bf 301/00) auf, wonach die bisherige Formulierung des „sich Aufhaltens" an einem Ort mehr bedeutet als sich dort lediglich zu „befinden". Begrifflich setzt das Gericht das „sich aufhalten" mit dem „verweilen" gleich und hält es insofern von der Eingriffsermächtigung nicht gedeckt, wenn jemand einer Identitätskontrolle unterzogen wird, der zielgerichtet ohne Anzeichen eines verzögerten Ganges den „gefährlichen Ort" lediglich passiert. Vor diesem Hintergrund müsste die Polizei nach der derzeit geltenden Rechtslage im Einzelfall darlegen, dass z. B. Drogendealer an dem betreffenden Ort tatsächlich „verweilt" haben. Um möglichen zukünftigen Auslegungsproblemen in der Praxis zu begegnen, ob jemand einen gefährlichen Ort lediglich nur passierte oder aber ­ mit einem nach außen deutlich werdenden verharrenden Element ­ über die Straße schlenderte und demzufolge überprüft werden durfte, wird in der Neuregelung der Begriff „aufhält" durch „befindet" ersetzt.

Da die Ziffer 2. b) nur an Straftaten von erheblicher Bedeutung anknüpft, ist es sachgerecht, in Ergänzung der bestehenden Ortshaftung (als Anknüpfungspunkt für die Zulässigkeit der Identitätsfeststellung) auch an einen allgemeinen sog. „Kriminalitätsbrennpunkt" als weitere Örtlichkeit anzuknüpfen.