Sprachkenntnisse von Aussiedlern
Die Kenntnis der deutschen Sprache ist ein vom Bundesvertriebenengesetz gefordertes Bestätigungsmerkmal wie auch Abstammung, Erziehung und Kultur bei der Prüfung der deutschen Volkszugehörigkeit. In den Jahren 1995/96 hat das Landesamt für Aussiedler, Flüchtlinge und Lastenausgleich Sprachprüfungen durchgeführt und bei unvollkommener Beherrschung der deutschen Sprache den Antrag auf Anerkennung als Spätaussiedler abgelehnt, obgleich bekannt war, dass zu Zeiten der kommunistischen Herrschaft und auch aufgrund der Vertreibung der deutschen Volkszugehörigkeit aus ihren Siedlungsgebieten die deutsche Sprache nicht mehr gepflegt werden durfte bzw. konnte.
Nachdem die Bundesregierung in den letzten Jahren zahlreiche Schulen in Kasachstan und Rußland zur Erlernung der deutschen Sprache gegründet hat und auch den Aussiedlern empfohlen wird, diese Schulen unbedingt zu besuchen, sind die deutschen Sprachkenntnisse zahlreicher Betroffener besser geworden.
Nunmehr legt das Amt für Aussiedler aber Wert auf Dialektelemente, die der Spätaussiedler nur von Eltern oder Verwandten übermittelt bekommen haben kann. Bei Sprachkenntnis der Hochsprache wird dagegen unterstellt, dass die Sprache nicht von Verwandten erlernt, sondern diese Kenntnisse auf einer Schule oder Universität erlangt wurden. Die Möglichkeit, daß nach dem Besuch von Sprachkursen Dialektelemente zurückgetreten sein könnten, wird nicht berücksichtigt.
Ich frage den Senat:
1. Welche Kriterien der Sprache sind dem Landesamt für Aussiedler, Flüchtlinge und Lastenausgleich für die Anerkennung der Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 Bundesvertriebenengesetz maßgeblich?
Für die Anerkennung der Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sind hinsichtlich der Sprache die Vorschriften des § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BVFG maßgeblich. Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren ist, ist nach dieser Vorschrift dann deutscher Volkszugehöriger, wenn ihm die Eltern, ein Elternteil oder andere Verwandte bestätigende Merkmale wie Sprache, Erziehung oder Kultur vermittelt haben. Hierzu haben Bund und Länder gemeinsam Kriterien in „Vorläufigen Richtlinien zur Durchführung des BVFG" festgelegt, die im gesamten Bundesgebiet anzuwenden sind. Danach liegt das Bestätigungsmerkmal Sprache dann vor, wenn die deutsche Sprache als Muttersprache oder als bevorzugte Umgangssprache (erlernt von den Eltern, einem Elternteil oder anderen Verwandten) beherrscht wird.
Das typische Merkmal dafür ist die Benutzung der deutschen Sprache in Form eines Dialekts. Mit der antragstellenden Person muss ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache über Themen des alltäglichen Lebens geführt werden können. Falls festgestellt wird, dass nur einzelne deutsche Wörter gesprochen werden können, ist dies grundsätzlich nicht ausreichend für eine Anerkennung als Spätaussiedler, es sei denn, es wird glaubhaft gemacht, dass eine Vermittlung der deutschen Sprache nicht möglich bzw. zumutbar war, oder es kann nachgewiesen werden, dass eine Vermittlung der deutschen Kultur/Erziehung vorliegt.
2. Werden die Mitarbeiter durch einen Kriterienkatalog des Landesamtes dahin gehend informiert, dass Hochdeutsch grundsätzlich als später erlernt und somit nicht als Merkmal für die deutsche Volkszugehörigkeit bewertet werden soll?
Die für die Anerkennung der Spätaussiedlereigenschaft zuständige Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat neben den Kriterien der Vorläufigen Richtlinien (siehe Antwort zu 1.) keinen zusätzlichen Kriterienkatalog entwickelt.
3. Inwieweit wird der Senat auf die Tatsache reagieren, dass die Spätaussiedler durch die Sprachkurse im Heimatland bereits gute Kenntnisse in Hochdeutsch besitzen?
Das BVFG und die hierzu erlassenen Richtlinien des Bundes treffen eindeutige Aussagen dazu, daß die deutsche Sprache in der Familie erlernt sein muß. Ausschließlich durch Sprachkurse in den Herkunftsländern erlangte Kenntnisse der deutschen Sprache können danach nicht zu einer Anerkennung als Spätaussiedler führen.
4. Genügen für die Anerkennung als Spätaussiedler einige erhalten gebliebene Dialektelemente?
Nein, sofern keine sonstigen Merkmale zur Bestätigung der deutschen Volkszugehörigkeit vorliegen.
Nach den Vorläufigen Richtlinien zur Durchführung des BVFG können jedoch auch geringfügige Deutschkenntnisse bei gleichzeitigem Vorliegen von kulturellen Elementen für das Bestätigungsmerkmal Kultur/Erziehung bedeutsam sein.
Die Voraussetzungen nach § 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BVFG gelten in Ausnahmefällen auch dann als erfüllt, wenn die Vermittlung bestätigender Merkmale wegen der Verhältnisse im Herkunftsgebiet nicht möglich oder nicht zumutbar war.
5. Beabsichtigt der Senat, künftig auf landeseigene Sprachprüfungen zu verzichten, wenn das Ergebnis einer Sprachprüfung durch deutsche Beamte im Herkunftsland vorliegt?
Es gibt derzeit zwischen Bund und Ländern noch nicht abgeschlossene Überlegungen zur Abschaffung der landeseigenen Sprachprüfungen. Der Senat hat sich hiermit noch nicht befaßt.