Lernschwäche im mathematischen Bereich (Dyskalkulie)

Anders als die Lese- und Rechtschreibschwäche ist die Rechenschwäche in unserer Gesellschaft bis heute ein weitgehend unbekanntes Phänomen geblieben. Ihre Erscheinungsformen können sehr unterschiedlich und vielfältig sein, dennoch haben sie ein gemeinsames Grundcharakteristikum: Die Betroffenen haben ein fehlerhaftes Verständnis von Zahlen, Mengen und Rechenoperationen. Dieses kann Folgeprobleme hervorrufen, einerseits im schulischen und späteren beruflichen Vorankommen, andererseits in Bezug auf das persönliche Wohlbefinden, da die Mathematik uns ständig im Alltag begegnet.

So kann der Betroffene durch seine Rechenschwäche an der vollständigen gesellschaftlichen Partizipation gehindert werden. In Deutschland leiden zwischen 4 und 7 % der Kinder und Jugendlichen, die eine Regelschule besuchen, an einer Rechenschwäche.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Wie definiert die zuständige Behörde eine Rechenschwäche?

Bei Hinweisen auf eine Rechenschwäche wird ­ entsprechend einem Vorschlag der Kultusministerkonferenz ­ von besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens gesprochen. Diese liegen dann vor, wenn eine Schülerin oder ein Schüler in der Grundschule die Ziele des Unterrichts im Fach Mathematik nicht erreicht hat, obwohl die Schwierigkeiten rechtzeitig erkannt wurden, geeignete Fördermaßnahmen statt gefunden haben und kein allgemeiner sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt.

2. Was schätzt der Senat, wie hoch die gegenwärtige Zahl der Hamburger Schülerinnen und Schüler ist, die an einer Rechenschwäche leiden?

Entsprechende Daten werden statistisch nicht erfasst.

3. Zur Unterstützung der frühzeitigen Feststellung einer Rechenschwäche in der Grundschule hat die Behörde für Bildung und Sport den Lehrerinnen und Lehrern die Arbeitshilfe „Beobachtung des Lösungsweges beim Rechnen in der Grundschule" zur Verfügung gestellt. Müssen die Grundschullehrer diesen Beobachtungsbogen bei Schülerinnen und Schülern, die auffällige Schwierigkeiten im Bereich der Mathematik aufweisen, verbindlich einsetzen?

Es handelt sich hierbei um eine Arbeitshilfe, deren Anwendung bei lernschwachen Schülerinnen und Schülern empfohlen wird. Verbindlich ist die Anwendung nur dann, wenn ein Antrag auf Außerunterrichtliche Lernhilfen (AUL) gestellt wird.

Welche Maßnahmen werden ergriffen, wenn sich durch den Beobachtungsbogen eine auffällige Rechenschwäche manifestiert?

Haben Grundschullehrerinnen und -lehrer die Möglichkeit, sich zur optimalen Förderung betroffener Schülerinnen und Schüler, außerschulisch, wie z. B. in REBUS-Zentren, qualifizierte Ratschläge zu besorgen?

Die Lehrkraft erhält anhand eines Beobachtungsbogens Auskunft über den Lernstand des Kindes und Einsicht in die individuellen Aneignungsprozesse. Diese ermöglichen weitere Differenzierungs- und Fördermaßnahmen. In den Grundschulen, an denen im Rahmen des Projekts „Kinder der Primarstufe auf verschiedenen Wegen zur Mathematik" (PriMa) ausgebildete Mathematik-Moderatorinnen bzw. -Moderatoren tätig sind, kann sich die Lehrkraft zusätzliche Unterstützung holen. Wenn Schülerinnen und Schüler trotz schulischer Förderung lang andauernde Probleme beim Rechnen zeigen, kann sich die Schule darüber hinaus unter Einbeziehung der Beratungslehrkraft an die Regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen (REBUS) wenden.

4. Gibt es außer der oben genannten Arbeitshilfe für Grundschullehrerinnen und -lehrer ein spezielles, behördlich anerkanntes Verfahren, um eine Rechenschwäche zu diagnostizieren?

Wenn ja, wie sieht dieses Verfahren aus, und kann es auch schon zur Prävention im vorschulischen Bereich angewandt werden?

Zur Diagnose einer Rechenschwäche wird bei REBUS im Rahmen des AULAntragsverfahrens der Test ZAREKI (Neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern) eingesetzt. Für eine Anwendung im Vorschulalter ist er nicht geeignet.

5. In Hamburg existieren außerschulische Therapieangebote im Bereich der Rechenschwäche (wie z. B. das Institut für Mathematisches Lernen ­ Praxis für Dyskalkulietherapie).

Wer verweist Kinder an ein außerschulisches Therapiezentrum?

Außerschulische Therapieangebote für Kinder mit Rechenschwierigkeiten werden von privater Seite angeboten und sind kostenpflichtig. Schulen bzw. REBUS können Eltern private Einrichtungen empfehlen, wenn die Kostenübernahme geklärt ist.

Wie viele Hamburger Schülerinnen und Schüler nehmen an einer außerschulischen Therapie im Bereich der Rechenschwäche teil?

Wie wird eine außerschulische Therapie finanziert?

Im Rahmen von AUL finanziert die zuständige Behörde zurzeit eine außerunterrichtliche Förderung für 79 Schülerinnen und Schüler.

Werden außerschulisch therapierte Schülerinnen und Schüler trotzdem an ihren Regelschulen noch im Klassenverband speziell gefördert?

Ja.

Besteht eine Kooperation zwischen den Schulen und den jeweiligen Therapiezentren?

Ja, im Rahmen von Einzelfällen.

6. Wie wird das Thema Dyskalkulie gegenwärtig in der Lehrerausbildung behandelt?

Das Thema wird in der zweiten Phase der Lehrerausbildung in den Fachseminaren unter dem Begriff „Rechenschwäche" behandelt. Fallbezogen wird es im Rahmen von Einzel- und Gruppenhospitationen sowohl im Fachseminar als auch im Hauptseminar thematisiert.

7. Gibt es Bestrebungen, eine Rechenschwäche in der Schule in der Notengebung oder in Bezug auf die Versetzung ähnlich wie im Bereich der Lese- und Rechtschreibschwäche künftig zu berücksichtigen?

Damit hat sich der Senat bisher nicht befasst.

8. Eine Rechenschwäche kann bei Kindern psychologische Folgen hervorrufen. Werden diese in den REBUS-Zentren abgeklärt und die Kinder dort entsprechend therapiert?

REBUS wird tätig, wenn die Rechenschwäche mit anderen Auffälligkeiten im Entwicklungsverlauf zu einer Verhaltens-, emotionalen oder seelischen Störung führt oder eine solche droht. Wenn eine Psychotherapie notwendig wird, leitet REBUS die Betroffenen im Einvernehmen mit den Eltern an entsprechende niedergelassene Psychotherapeuten weiter. Liegen REBUS gravierende Hinweise auf eine ­ auch drohende ­ seelische Behinderung vor, ist in Abstimmung mit den Eltern für Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch ­ Kinder- und Jugendhilfe

­ (SGB VIII) das Jugendamt einzubeziehen.

9. Existieren in Hamburg Bestrebungen, einen Erlass für Rechenschwäche herauszugeben oder den Legasthenie-Erlass auf den Bereich der Rechenschwäche auszuweiten oder zu übertragen?

Damit hat sich der Senat bisher nicht befasst.