Trägerwechsel im BAGS-Zuwendungsbereich der Drogenhilfe
Aus unterschiedlichen Gründen kommt es vor, dass Projekte, die öffentliche Zuwendungen erhalten, ihren Träger wechseln bzw. wechseln müssen, was Auswirkungen auf Ziele und Inhalte der Arbeit, aber auch auf den öffentlichen Haushalt haben kann. Kriterien und Verfahrensabläufe, die bei derartigen Fällen auf seiten des Zuwendungsgebers in der Vergangenheit maßgeblich waren und es zukünftig sind, sollten auch hinsichtlich des Drogenbereichs der BAGS transparent sein; dies ist bisher jedoch nicht der Fall.
Dies vorausgeschickt, frage ich daher den Senat.
Durch die Gewährung von Zuwendungen werden Projekte und Maßnahmen freier Träger gefördert bzw. finanziert, an deren Durchführung die Freie und Hansestadt ein erhebliches Interesse hat. Hierbei kann es zu Fallkonstellationen kommen, bei denen ein freier Träger das von ihm durchgeführte Projekt bzw. die von ihm durchgeführte Maßnahme nicht mehr weiterführen will oder kann. Es ist auch möglich, dass ein freier Träger sich als nicht mehr zuverlässig oder fachlich geeignet erweist oder daß er nicht mehr die Gewähr bietet, mit den ihm zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln sparsam und wirtschaftlich umzugehen.
Die zuständige Fachbehörde hat in solchen Fällen zunächst zu prüfen, ob das öffentliche Interesse die Fortführung des Projektes bzw. der Maßnahme gebietet. Soweit dies der Fall ist, hat sie weiter zu prüfen, ob ein ggf. vorgeschlagener Folgeträger über die erforderliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung verfügt und die Gewähr dafür bietet, mit öffentlichen Mitteln sparsam und wirtschaftlich umzugehen. Bei dieser Prüfung sind auch die bisher gemachten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit diesem Träger zu berücksichtigen. Falls kein Folgeträger benannt ist oder dieser aus den vorgenannten Gründen für die Übernahme des Projektes bzw. der Maßnahme nicht in Betracht kommt, regt die Fachbehörde andere in Frage kommende Träger zur Übernahme des Projektes bzw. der Maßnahme an.
Über den oben beschriebenen Ablauf hinaus gibt es keine standardisierten Verfahren oder allgemeingültigen Kriterien. Die Entscheidung, ob dem Träger, der sich zur Übernahme der Aufgabe bzw. des Projektes bereit erklärt, eine Zuwendung gewährt wird, wird durch die zuständige Amtsleitung getroffen. Diesen Vorgaben entsprechend, wird regelhaft auch im Bereich Drogen und Sucht verfahren.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.
1. a) Bei wie vielen Projekten im Zuwendungsbereich Drogen und Sucht der BAGS hat es in den letzten Jahren 1990 bis 1998 einen Trägerwechsel mit Fortführung der Zuwendung für das Projekt gegeben?
Bei zwei Projekten.
Zum 1. Januar 1997 wechselte die Trägerschaft für die Alkoholberatungs- und Behandlungsstelle im Hamburger Westen von der Kirchengemeinde Osdorfer Born zum neuen Träger Sozialdiakonischer Dienst e.V. für das „Suchtberatungs- und Behandlungszentrum Eidelstedter Platz" mit einem Zuwendungsvolumen von 827 000 DM für das Jahr 1997.
Zum 1. Januar 1998 wechselte die Trägerschaft über den Betrieb der drei Drogenambulanzen von der Ärztekammer Hamburg an den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK Hamburg) mit einem Zuwendungsvolumen von 2,3 Millionen DM in 1998.
1. b) Wie viele und welche Projekte sind 1990 bis 1998 wann und aus welchen Gründen aus dem BAGS-Zuwendungsbereich Drogen und Sucht herausgefallen?
Hier handelt es sich um vier Projekte.
Zum Haushaltsjahr 1995 wurde die Zuwendung an den Verein Aktives und kreatives Leben e.V. nicht mehr ausgekehrt, da dieser Verein seinerzeit Konkurs anmelden mußte.
1996 erhielten letztmalig die Beratungsstelle „Horizont" des Trägervereins Arbeitskreis Drogenhilfe Wilhelmsburg e.V. und Clean Future, Drogenfreie Selbsthilfe e.V. eine Zuwendung; im Haushaltsjahr 1997 letztmalig der Fachverband Ambulante Therapie (FAT) e.V.
Bei „Horizont" war ausschlaggebend, dass es dem Trägerverein und einzelnen Mitarbeitern des Projektes nicht gelang, den gegen sie erhobenen Verdacht vorsätzlich begangener, schwerwiegender wirtschaftlicher Unregelmäßigkeiten zügig zu entkräften. Wegen der dadurch bedingten unannehmbaren Beeinträchtigung der fachlichen Arbeit und des Ausmaßes bzw. der näheren Umstände rechtswidrigen Handelns, die zeitgleich auch Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen waren, war eine Fortführung der Zuwendungsförderung nicht mehr mit den §§ 23 und 44 LHO vereinbar.
Bezüglich des FAT e.V. ist der Zuwendungszweck entfallen.
Zum Projekt „Clean Future, Drogenfreie Selbsthilfe e.V." wird auf die Antwort zu 5.a) verwiesen.
1. c) Welche Projekte im Haushaltskapitel 4660 Drogen und Sucht wechselten in den Jahren 1990 bis 1998 jeweils wann und mit welchem Zuwendungsvolumen von welchem zu welchem Träger?
Siehe Antwort zu 1.a).
2. a) Hatten und haben Zuwendungsprojekte bei Trägerwechsel die Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Wahl ihres neuen Trägers? Wenn nein, in welcher Hinsicht und warum konkret nicht?
Ja. Allerdings erwächst hieraus nicht automatisch eine Rechtsnachfolge und damit für den Zuwendungsgeber eine Verpflichtung zur fortdauernden Zuwendungsgewährung.
2. b) Hat es bei den unter 1.c) angeführten Projekten Fälle gegeben, bei denen das Referat Drogen und Sucht der BAGS über die neue Trägerschaft entschieden hat? Wenn ja, in welchen Fällen mit jeweils welcher Begründung?
Nein. Im übrigen siehe Vorbemerkung.
2. c) Waren und sind die Verfahrensabläufe und Kriterien seitens der BAGS in solchen Fällen allen Trägern im Drogenhilfebereich transparent und bekannt? Wenn ja, wodurch und in welcher Form konkret?
Siehe Vorbemerkung.
3. a) Trifft es zu, daß, als es 1996 Probleme beim Träger der seit 1989 bestehenden Wilhelmsburger Drogenberatungsstelle „Horizont" gab, der Drogenhilfeträger „Jugendhilfe e.V." zur Übernahme von Trägerschaft, Räumlichkeiten und Mitarbeitern und zur Weiterführung der dortigen Drogenhilfearbeit bereit war und auch auf Zustimmung bei Mitarbeitern, Klienten und Initiativen vor Ort stieß? Wenn nein, in welcher Hinsicht konkret nicht?
Ja.
3. b) Wie hoch war die damalige Veranschlagung im Haushaltsplan der BAGS, und wie viele feste Stellen waren darin eingeschlossen?
Im Haushalt 1996 waren für dieses Projekt rund 968 TDM vorgesehen. Das Projekt verfügte in diesem Jahr über fünf volle und zwei halbe Fachkraft-Stellen sowie eine Viertelstelle für Verwaltung.
3. c) Trifft es zu, dass das Drogenreferat der BAGS entgegen dieser Bereitschaft und diesen Voten entschieden hat, die Trägerschaft und Übernahme der Drogenberatungsstelle inklusive der Haushaltsmittel und Stellen dem Träger „Jugend hilft Jugend e.V." zu übertragen? Wenn nein, in welcher Hinsicht konkret nicht und welchen anderen Trägern hat die BAGS ggf. diese Trägerschaft bzw. Übernahme angeboten? Wenn ja, mit welcher Begründung konkret?
Es trifft zu, dass die zuständige Fachbehörde auf der Grundlage der in der Vorbemerkung genannten Kriterien entschieden hat, dass der Verein Jugend hilft Jugend e.V. für den Betrieb einer Sucht- und Drogenberatungsstelle in den ehemaligen Räumen des Projektes „Horizont" durch Zuwendungen gefördert werden soll. Dies geschah ab 1. Juli 1996.
4. a) Trifft es zu, dass es hinsichtlich des Trägerwechsels und der Übernahme der Wilhelmsburger Drogenberatungsstelle arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen gegeben hat? Wenn ja, zwischen wem warum und ggf. mit welchem konkreten Ergebnis?
Ja. Von weitergehenden Angaben sieht der Senat im Hinblick auf schützenswerte Belange der Verfahrensbeteiligten ab.
4. b) Trifft es zu, dass das Drogenreferat der BAGS gemeinsam mit dem Träger „Jugend hilft Jugend e.V." die Auffassung vertreten hat, es handelte sich bei diesem Vorgang nicht um eine Betriebsübernahme? Wenn nein, in welcher Hinsicht nicht? Wenn ja, mit welcher Begründung?
Ja. Es wird die Auffassung vertreten, dass die tatsächlichen Umstände der Schließung der Beratungsstelle Horizont sowie die fachliche Konzeption des Alternativangebots durch Jugend hilft Jugend e.V. nicht die Annahme der Voraussetzungen des § 613a BGB rechtfertigen.
4. c) Trifft es zu, dass diese gerichtlichen Auseinandersetzungen auch zu Belastungen des Hamburger Haushalts geführt haben? Wenn nein, in welcher Hinsicht nicht? Wenn ja, aus welchem Grund in jeweils welchem Umfang und wann aus welchen Haushaltstiteln?
Ja. Dem Träger wurde zur Abwicklung der Rechtsstreitigkeiten aus dem Haushaltstitel 4660.684. eine Zuwendung in Höhe von 167 500 DM gewährt.
5. a) Seit wann waren dem Senat die von ihm Anfang des Jahres gegenüber dem Gesundheitsausschuß mitgeteilten „Unregelmäßigkeiten beim Selbsthilfeprojekt Clean Future" bekannt, an wen sind 1994 bis 1997 und bisher 1998 jeweils welche der hierfür ausgewiesenen Haushaltsmittel geflossen?
Bei dem Verein „Clean Future, Drogenfreie Selbsthilfe e.V.", einem aus dem Verein Therapiehilfe e.V. hervorgegangenen Projekt, ergaben sich von Beginn der Eigenständigkeit an Schwierigkeiten beim professionellen Umgang mit zugewendeten Haushaltsmitteln. Die Bemühungen einer fachlichen Unterstützung und Beratung seitens der zuständigen Behörde wurden durch einen häufigen Wechsel des Vorstands zusätzlich erschwert. Ab 1994 wurde deshalb die weitere Förderung mit der Auflage verknüpft, die Buchführung an eine externe professionelle Organisation zu vergeben.
Da spätere Unregelmäßigkeiten dennoch nicht verhindert werden konnten, wurden Zuwendungen an den Verein letztmalig für das Jahr 1996 gewährt. Der zuständigen Fachbehörde sind diese Unregelmäßigkeiten, die zur Einstellung der Zuwendungsgewährung geführt haben, am 30. August 1996 bekannt geworden.
Der Verein Therapiehilfe e.V. hat im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde 1997 die Abwicklung des Projektes am Standort Glashüttenstraße übernommen und sodann den Aufbau eines neuen Angebots mit dem Ziel vorangetrieben, ein Beratungs- und Freizeitangebot von Ex-Usern für Ex-User zu schaffen, das mittelfristig wieder als Selbsthilfegruppe geführt werden soll. Für die Jahre 1997 und 1998 wurden dementsprechend die für das Projekt „Clean Future, Drogenfreie Selbsthilfe" ausgewiesenen Mittel bereits dem Verein Therapiehilfe e.V. gewährt. Daß das Projekt gleichwohl noch gesondert im Projektplan des Haushaltsplans aufgelistet ist, soll verdeutlichen, dass die zuvor beschriebene Aufgabe weiter gefördert wird.
Ob es den Verein „Clean Future, Drogenfreie Selbsthilfe e.V." formell noch gibt, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant.
5. b) Trifft es zu, dass die Zuwendung durch die BAGS auch die Finanzierung von festen Stellen einschloß und einschließt? Wenn ja, in welchem Umfang und seit wann ist dies jeweils hier und bei welchen anderen Selbsthilfegruppen Drogenabhängiger der Fall?
Ja. Es handelt sich bei „Clean Future" um ein semiprofessionelles Projekt, das über den Charakter einer reinen Selbsthilfegruppe insofern hinausgeht, als es nicht nur für Mitglieder und an einer Mitgliedschaft Interessierte offen stand, sondern generell für alle ehemaligen Drogenabhängigen in Hamburg. Bei der Konzeption spielte auch die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für ehemalige Drogenabhängige eine Rolle; aus diesem Grund umfaßte die Förderung seit 1991 auch feste Stellen; zuletzt waren es vier Stellen. Reine Selbsthilfegruppen im Drogenbereich werden demgegenüber nicht mit festen Stellen gefördert.
5. c) Zu welchem Träger im Selbsthilfebereich wurde 1996 eine Stelle dem staatlichen Drogenbereich (Umfang rund 90 000 DM) übergeleitet?
Zur „Initiative für Humane Hilfe von Drogengebrauchern e.V." (IHHD). Dies war gebunden an die Übernahme der Stelleninhaberin aus dem öffentlichen Dienst in das Beschäftigungsverhältnis mit dem betreffenden freien Träger.
5. d) Gibt es die „Clean Future Drogenfreie Selbsthilfe" noch? Wenn ja, in eigenständiger und unveränderter oder seit wann in wessen neuer Trägerschaft, und wer hat ggf. über den Trägerwechsel entschieden? Wenn nein, seit wann nicht mehr und wie erklärt der Senat die Tatsache, dass sie ununterbrochen als Zuwendungsempfänger in den Haushaltsplänen der BAGS (inklusive 1999, dort gemeinsam mit „Therapiehilfe e.V."), seit Jahren jedoch nicht mehr in diversen Drogenhilfeverzeichnissen und auch nicht im soeben erschienenen „Kursbuch Sucht" auftaucht?
Siehe Antwort zu 5.a).
5. e) Treffen Informationen in der Presse zu („Wir nehmen Euch den Laden weg!", HH 19, 8/98), dass das Referat Drogen und Sucht und sein Leiter, der Drogenbeauftragte Dr. Bossong, zunehmend Druck auf Einrichtungen und Träger ausüben und dabei auch mit der Wegnahme von Projekten drohen? Wenn ja, mit welcher Begründung und hält der Senat dies für den angemessenen und fachlichen Umgang der Verwaltung mit freien Trägern?
Nein. Im übrigen siehe Vorbemerkung.
6. a) Entsprechen die Umstände und Abläufe der vorgenannten Fälle auch aus heutiger Sicht des Senats dem Verfahren, der Transparenz und den Kriterien, die in Fällen von Trägerwechseln seitens der Verwaltung anzuwenden sind? Wenn ja, mit welcher Begründung? Wenn nein, in welcher Hinsicht konkret nicht und welche Konsequenzen hat der Senat daraus ggf. gezogen bzw. gedenkt er zu ziehen?
Ja. Im übrigen siehe Vorbemerkung.
6. b) Gibt es im Drogenreferat der BAGS Listen o.ä., aus denen hervorgeht, welche Träger im Suchthilfebereich jeweils für neue Projekte grundsätzlich in Frage kommen, sind sie den Trägern bekannt, und werden diese Träger ggf. alle entsprechend informiert und in Überlegungen einbezogen?
Nein.