Mehr als fragwürdige Methoden im Umgang mit Gefangenen

Der ehemalige Gefangene Torsten M. (der wie aus der Anlage ersichtlich mit der Mitteilung persönlicher Daten zur Beantwortung dieser Anfrage einverstanden ist) war in der Zeit von September 2003 bis März 2005 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel inhaftiert.

Nach Aussagen von Torsten M., führte er während seiner Haftzeit mehrere Protestaktionen durch, um auf seine Vollzugssituation aufmerksam zu machen ­ zumeist Hungerstreike. Die Sanktionen von Seiten der Anstalt auf seine Protestaktionen habe er immer ohne Gegenwehr angenommen. In keinem Falle sei er gewalttätig geworden oder habe eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt dargestellt. Auch ein Wohngruppenbeamter aus Haus IV, in dem Torsten M. zeitweise untergebracht war, habe ihm ein tadelloses Haftverhalten bestätigt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die im Folgenden beschriebenen Behandlungen des ehemaligen Gefangenen mehr als fragwürdig.

I. Am 20. Juni 2004 habe Torsten M. die Zaunsicherung des Freistundenhofes überstiegen, um einen über die Absperrung geflogenen Fußball zurückzuholen, da der Hofgang ohne Aufsicht von Vollzugsbeamten erfolgt sei. Fortan sei der Hofgang wochenlang mit Hand- und später auch mit Fußfesselung erfolgt, ohne dass der Gefangene über den Grund und die Dauer der Maßnahme informiert worden wäre. Am 7. Juli 2004 habe der Hofgang erstmals unter Aufsicht stattgefunden. Dennoch sei bei Thorsten M. eine Handfesselung auf dem Rücken vorgenommen worden.

II. Am selben Tag verlangte Torsten M. Reinigungsutensilien, um seinen Haftraum auf der Sicherheitsstation D 1 zu säubern. Als auf die Bitte nicht reagiert wurde, habe er begonnen, mit Wasser aus den sanitären Anlagen seiner Haftzelle, den Boden zu reinigen, wobei auch Wasser auf den Stationsflur gelangte. Daraufhin hätten die Stationsbeamten die gewaltsame Verlegung in einen anderen Haftraum beschlossen, obwohl der Gefangene gegen diese Maßnahme keinen Widerstand leistete: Thorsten M. sei gewaltsam zu Boden gebracht worden und während der Fesselung von Bediensteten mit Füssen getreten worden. Ein anderer Beamte hätte den Gefangenen am Hals gewürgt und ihn mit den Worten "Ich bringe dich um ­ ich mach dich kalt" beschimpft. Danach sei Thorsten M. ein Kissenbezug o. a. über den Kopf gezogen worden und in eine Sicherheitszelle mit Fesselung am Bett verlegt worden.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Am 22.06.2004 überstieg Herr Torsten M. den Sicherungszaun eines Freistundenhofes des Hauses II der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel. Der Freistundenhof wird über Videokameras im so genannten Monitorraum des Hauses II überwacht.

Nachdem Herr Torsten M. gegenüber anderen Gefangenen geäußert hatte, weitere Aktionen würden folgen, ordnete der Sicherheitsdienstleiter für Torsten M. Einzelfreistunde mit Fesselung der Hände vor dem Körper an. Die Fesselung wurde am 23.06. und 24.06.2004 an den Händen auf dem Rücken durchgeführt. Vom 25.06.2004 an wurden die Hände vor dem Körper gefesselt. Trotz der Fesselung gelang es Herrn Torsten M. während der Freistunde am 23.06.2004, sich am Sicherungszaun des Freistundenhofes bis zur Höhe des Sicherungsdrahtes hochzuziehen. Er wurde daraufhin aus Sicherheitsgründen zunächst mit den Händen auf dem Rücken, vom 25.06.2004 an mittels eines zusätzlichen Bauchgurtes gefesselt, der es ihm ermöglichte, die Hände vor dem Körper zu belassen, ohne die Arme ausbreiten zu können.

In der Folgezeit verunreinigte er seine Hände und die Handfesseln mit seinem eigenen Kot. Er erklärte, er schaffe es mit Leichtigkeit zu entweichen, wenn er es wolle.

Der Sicherheitsdienstleiter ordnete deshalb an, Herrn Torsten M. aus Sicherheitsgründen während der Freistunde bis auf weiteres sowohl an den Händen als auch an den Füßen zu fesseln. Herr Torsten M. wurde über die Gründe für diese Maßnahmen informiert.

Am 04.07. und 05.07.2004 nahm Herr Torsten M. trotz der Fesselung an Händen und Füßen Gehwegplatten im Freistundenhof auf und verteilte sie auf dem Freistundenhof.

Vom 06.07.2004 an wurde Herr Torsten M. deshalb während der Freistunde erneut auf dem Rücken gefesselt und ständig und unmittelbar durch Bedienstete beaufsichtigt. Am 11.08.2004 hob der Sicherheitsdienstleiter die Anordnung der Fesselung auf, da es in der Zwischenzeit keine Vorkommnissen gegeben hatte.

Am 06.07.2004 setzte Herr Torsten M. seinen Haftraum vorsätzlich unter Wasser. Er wurde daraufhin aufgefordert, seinen Haftraum zu verlassen. In dieser Situation trat er überraschend nach den anwesenden Bediensteten und traf den Bediensteten V. mit erheblicher Wucht am linken Bein. Herr Torsten M. wurde deshalb unter Anwendung unmittelbaren Zwangs in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände (§ 88 Abs. 2 Nr. 5 Strafvollzugsgesetz) untergebracht und dort an die Bettstatt gefesselt. Herrn Torsten M. wurde weder ein Tuch über den Kopf gezogen noch wurde ihm mit dem Tode gedroht. Der Bedienstete V. war aufgrund des Angriffs bis zum 16.07.2004 arbeitsunfähig.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wie wird die wochenlange Hand- und Fußfesselung während des Hofgangs begründet? Aus welchem konkreten Anlass wurde diese Maßnahme eingeleitet?

2. Reicht das Übersteigen eines Zaunes ­ um einen Fußball zurückzuholen

­ aus, um die wochenlang andauernde Fesselung zu rechtfertigen?

2. Wenn ja, welche Gefahren wurden im konkreten Fall des Torsten M. mit der Anordnung dieser Maßnahme verbunden?

Wenn nein, welche anderen Gründe gab es für die Fesselung an Händen und Füßen?

3. Von welcher Person wurde diese Maßnahme angeordnet? Welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang der Sicherheitsinspektor der JVA Fuhlsbüttel?

4. Für welchen Zeitraum wurde diese Maßnahme vorgesehen?

5. Aus welchem Grunde wurde der Gefangene nicht über den Anlass und die voraussichtliche Dauer der Fesselung während des Hofgangs informiert?

6. Ist es üblich, dass Gefangene ihren Hofgang ohne Beaufsichtigung tätigen?

Wenn ja, aus welchen Gründen kann auf die Beaufsichtigung verzichtet werden?

Wenn nein, aus welchem Anlass erfolgte der Hofgang des Torsten M. zumeist ohne Beaufsichtigung?

7. Aus welchem Grunde wurde bei Torsten M., trotz Beaufsichtigung während des Hofgangs, am 7. Juli 2004 eine Handfesselung auf dem Rücken vorgenommen?

8. Unter welchen Bedingungen (Aufsicht, Fesselung) fanden in der Folgezeit die Hofgänge des Torsten M. statt?

Siehe Vorbemerkung.

1. Ist der Anstaltsleitung der in der Vorbemerkung unter II. beschriebene Vorfall bekannt? Wenn ja, aufweiche Weise und von wem wurde die Anstalt von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt?

Die Anstaltsleitung wurde von den beteiligten Mitarbeitern telefonisch und schriftlich informiert.

2. Entspricht der oben in Grundzügen beschriebene Vorgang den Informationen der Anstaltsleitung über dieses Vorkommnis? Wenn nein, wie hat sich nach Informationen der Anstaltsleitung der Vorfall genau zugetragen?

3. Entspricht es dem üblichen Verfahren bei Haftraumverlegungen, dass Gefangene, welche sich nicht zur Wehr setzen, von Seiten der Bediensteten mit Misshandlungen und Tötungsdrohungen bedacht werden?

Wenn nein, wie begründen die an dem Vorfall beteiligten Bediensteten diese von ihnen angewendete „Sonderbehandlung" des Gefangenen Torsten M.?

Wenn nein, wie erklärt sich die Anstaltsleitung dieses Vorkommnis?

4. Entspricht es dem üblichen Verfahren bei Haftraumverlegungen, dass Gefangenen, welche sich nicht zur Wehr setzen, von Seiten der Bediensteten Kissenbezüge o. a. über den Kopf gezogen bekommen?

Wenn nein, wie begründen die an dem Vorfall beteiligten Bediensteten diese von ihnen angewendete „Sonderbehandlung" des Gefangenen Torsten M.?

Wenn nein, wie erklärt sich die Anstaltsleitung dieses Vorkommnis?

Siehe Vorbemerkung.

5. Wurde der Vorgang durch eine Videokamera erfasst?

Nein.

Wenn ja, bestätigen die Videoaufzeichnungen den in der Vorbemerkung unter II. in Grundzügen beschriebenen Vorfall?

Wenn nein, wie hat sich der oben beschriebene Vorfall auf Grundlage der Videoaufzeichnungen zugetragen?

Entfällt.

6. Wurden in dieser Sache bereits Ermittlungen eingeleitet?

Wenn ja, welche Art von Ermittlungen wurden gegen welche Personen eingeleitet?

Ja. Aufgrund zweier Strafanzeigen des Torsten M. führt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen acht Vollzugsbedienstete als Beteiligte des Vorfalls vom 06.07.2004 sowie gegen den Sicherheitsdienstleiter der JVA Fuhlsbüttel strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt und der Freiheitsberaubung.

Wenn nein, wie begründet die Behörde ihre Untätigkeit?

Entfällt.

7. Wurden in dieser Sache die Ermittlungen bereits abgeschlossen?

Nein.

Wenn ja, zu welchen konkreten Ergebnissen haben sie geführt?

Entfällt.

Wenn nein, wann werden die Ermittlungen voraussichtlich abgeschlossen sein?

Der Abschluss der Ermittlungen ist gegenwärtig nicht absehbar.

8. Kam es durch diesen Vorfall bereits zu disziplinar- oder strafrechtlichen Konsequenzen für das an dem Vorfall beteiligte Personal? Wenn ja, welche?

Nein.

9. Mit welchen Maßnahmen gedenkt die Justizbehörde künftig derartiges Fehlverhalten und Übergriffe von Bediensteten auf Gefangene zu vermeiden?

Entfällt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.