„Chemische Zwangsjacke" für Jugendliche in der Feuerbergstraße?

Die Antworten des Senats auf die Drs. 18/1953 werfen zahlreiche Nachfragen zur Vergabepraxis von Psychopharmaka, insbesondere Neuroleptika wie Truxal und Risperdal, an die betreuten Jugendlichen in der Feuerbergstraße auf.

Neun der Zehn Jugendlichen, die Neuroleptika verabreicht bekommen haben, erhielten diese erst während ihrer Unterbringung in der Einrichtung. Es gilt zu klären, warum Jugendliche zum Teil über einen längeren Zeitraum (bis zu zehn Monate) diese Medikamente erhalten und ob in jedem Fall ein fachärztliche Behandlung gewährleistet wird.

Darüber hinaus ist eine neuroleptische Behandlung, die oft auch als „chemische Zwangsjacke" bezeichnet wird, besonders problematisch, wenn sie isoliert, also ohne begleitende psychotherapeutische und soziotherapeutische Maßnahmen eingesetzt wird. Dann gerät sie zum reinen Disziplinierungsmittel, ohne Perspektive für den einzelnen jugendlichen Patienten.

Ich frage den Senat:

1. Wie viele in der Feuerbergstraße untergebrachte Jugendliche erhalten z. Zt. die Medikamente Risperdal und Truxal? (Bitte mit Angabe des Medikaments, der Indikation und Dosierung.) Lfd. Nr.: Medikament Indikation Dosierung in ml (morgens-mittags-abends)

1. Wie viele Jugendliche erhielten seit Bestehen der Einrichtung Neuroleptika bzw. Psychopharmaka? (Bitte nach Art des Medikaments, Indikation, Dosierung, Dauer der Einnahme und Zeitpunkt der Erstverordnung auflisten.) Zehn Minderjährigen wurden bzw. werden Psychopharmaka verabreicht. Zu den Einzelangaben wird auf die anliegende Aufstellung verwiesen.

3. Wie viele von den unter Frage 2 genannten Jugendlichen sind aus der GUF bereits entlassen?

Sieben.

Ist der Behörde bekannt, ob die bereits entlassenen Jugendlichen, die während ihrer Unterbringung in der Feuerbergstraße mit Neuroleptika oder Psychopharmaka behandelt wurden, auch nach ihrer Entlassung die Einnahme dieser Medikamente fortsetzen? Wenn nein, welche Gründe führten zur Aussetzung der Medikamenteneinnahme?

Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass bei vier Minderjährigen keine weitere ärztliche Verordnung von Psychopharmaka erfolgte.

4. Werden bzw. wurden andere als die oben genannten Psychopharmaka bzw. Neuroleptika verabreicht? Wenn ja, welche, über welchen Zeitraum, mit welcher Indikation, an wie viele Jugendliche mit welcher Dosierung?

Siehe Antwort zu 2.

5. In der Drs. 18/1953 wird angegeben, dass Jugendliche in Eskalationssituationen zusätzliche Gaben von Neuroleptika/Psychopharmaka erhalten.

In wie vielen Fällen wurde seit Bestehen der Einrichtung in Krisensituationen den Jugendlichen zusätzlich eine bestimmte Dosis Neuroleptika/Psychopharmaka verabreicht? Um welche Medikamente handelte es sich dabei und in welcher Dosis wurden sie gegeben?

Wer ordnet in solchen Situationen die zusätzliche Gabe der genannten Medikamente an?

Ist im Falle einer zusätzlichen Gabe der oben genannten Medikamente grundsätzlich immer ein Arzt anwesend? Wenn ja, in wie vielen Fällen ist ein Jugendpsychiater anwesend?

Siehe Drs. 18/1953. Seit dem 22.03.2005 gab es keine Krisensituationen, in denen Psychopharmaka verabreicht wurden.

6. Haben die Jugendlichen und/oder ihre Vormünder der Verabreichung von Psychopharmaka/Neuroleptika zur längerfristigen Medikation zugestimmt? Wenn ja, wo ist diese dokumentiert?

Wenn ja, bitte für jeden Jugendlichen einzeln auflisten, wer die Zustimmung erteilt hat und ob die Jugendlichen ebenfalls ihr Einverständnis gegeben haben.

Bei der Aufnahme eines Minderjährigen wird die Zustimmung der Sorgeberechtigten eingeholt, ärztliche Behandlungen und ärztlich verordnete Maßnahmen, d. h. auch Medikamentengaben, durchführen zu können. Die Zustimmung wird in der Einrichtungsakte über den Minderjährigen dokumentiert. Ein spezielles Einverständnis für einzelne ambulante Behandlungen, zu denen die Medikamentengabe in der Einrichtung gehört, wird nicht eingeholt. Das Einverständnis gilt für die Dauer der Unterbringung bis auf Widerruf. Die Sorgeberechtigten werden in Elterngesprächen und im Rahmen von Erziehungskonferenzen über die gesundheitliche Entwicklung des Minderjährigen informiert. Das formelle Einholen des Einverständnisses des Minderjährigen erfolgt nicht. Er wird vom Arzt über das Medikament und seine Wirkungen aufgeklärt. Wenn der Minderjährige die Medikamenteneinnahme verweigert, versucht das Fachpersonal der Einrichtung pädagogisch darauf hinzuwirken, das Medikament freiwillig einzunehmen. Bleibt es bei der Verweigerung, wird die Einrichtungspsychologin informiert, die sich mit dem behandelnden Psychiater in Verbindung setzt. Dieser legt das weitere Vorgehen fest. Das Einrichtungspersonal wendet keine Zwangsmittel an.

Die Verweigerung wird in der Einrichtungsakte über den Minderjährigen dokumentiert.

Wenn nein, bitte begründen, warum keine Zustimmung zur Einnahme der Medikamente erfolgt ist.

Entfällt.

7. Enthalten diese Zustimmungen eine zeitliche Befristung? Wenn nein, warum nicht?

8. Haben die Jugendlichen und/oder ihre Vormünder ebenfalls eine Zustimmung für die zusätzliche Gabe von Neuroleptika/Psychopharmaka in Krisensituationen gegeben?

Wenn ja, wo ist diese dokumentiert? (Bitte genaue Angabe der Akten.)

Wenn nein, warum nicht?

Siehe Antwort zu 6. und 6.1.

9. Laut Antwort des Senats auf die Frage II. 1.3 der Drs. 18/1953 erfolgt die Einnahme der Medikamente auf ärztliche Anordnung.

In wie vielen Fällen handelte es sich hierbei um die Verordnung eines Allgemeinmediziners? Wo ist diese Verordnung dokumentiert?

In wie vielen Fällen handelte es sich um die Verordnung eines Jugendpsychiaters? Wo ist diese Verordnung dokumentiert?

Die Erstverordnung erfolgt ausschließlich durch einen jugendpsychiatrischen Facharzt. In einem Fall hat ein Allgemeinmediziner auf Basis der fachärztlichen Diagnose und Behandlungsempfehlung eine nachfolgende Verschreibung vorgenommen. Der jugendpsychiatrische Facharzt händigt der Einrichtung die Verordnung auf einem Erfassungsbogen aus, auf dem die Einrichtung jede Medikamentenabgabe festhält. Der Erfassungsbogen ist Bestandteil der Einrichtungsakte.

10. Sind der zuständigen Behörde Fälle bekannt, in denen Betreute die Einnahme verweigert haben?

Wenn ja, wie viele dieser Fälle gab es seit Bestehen der Einrichtung?

Wenn ja, wie wird in einer solchen Situation verfahren?

Wie wird die Freiwilligkeit einer solchen Behandlung gesichert?

Seit Bestehen der Einrichtung gab es sieben Minderjährige, die einmal oder mehrmals die Medikamenteneinnahme verweigert haben. Im Übrigen siehe Antwort zu 6., 6.1, 7., 8., 8.1 und 8.2 sowie Anlage.

11. Werden die Jugendlichen im Zeitraum der Einnahme der Neuroleptika regelmäßig von einem Jugendpsychiater untersucht?

Ja. Ein niedergelassener Kinder- und Jugendpsychiater besucht alle zwei Wochen die Einrichtung. Bei Bedarf finden die Besuche öfter statt, bei denen der Jugendpsychiater überprüft, ob die Medikation in der bisherigen Dosierung dem aktuellen Krankheitsbild entspricht. Entsprechend wird die Dosierung angepasst.