Gastgewerbe

Rechte Szene in Harburg ­ Eskalation der Gewalt auf der „Ackerparty"

Wie in jedem Jahr hat auch am 21. Juni 2005 im Waldstück Am Schafshagenberg in Harburg eine Freiluft-Abitur-Fete stattgefunden. Eine Zunahme von Straftaten im Umfeld der Veranstaltung und ein enormer Teilnehmerzuwachs hatte die Kommunalpolitik und das Bezirksamt vor einigen Jahren dazu bewogen, gemeinsam mit den Veranstaltern die Gestaltung der Fete (u. a. Anfangszeit, unerlaubtes gastronomisches Gewerbe, Ausschank von Spirituosen) zu verändern.

In den vergangenen Monaten und Wochen ist es zu verstärkter auch öffentlich sichtbarer Präsenz von rechtsextremen und rechtsradikalen Gruppen in Harburg gekommen. Aufmärsche, Infostände und Demonstrationen von Rechtsextremen und Rechtsradikalen haben inzwischen zur Gründung eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses unter Beteiligung aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien gegen diese Entwicklung geführt.

Berichten von Teilnehmern/-innen der Veranstaltung zu Folge ist auf der Veranstaltung am 21. Juni zu Auseinandersetzungen zwischen „Rechten" und „Linken" gekommen.

Dies vorausgeschickt fragen wir den Senat:

1. Sind die Berichte zutreffend, dass es während der Veranstaltung und/oder im Umfeld der Veranstaltung (also auch vor Veranstaltungsbeginn bzw. nach Ende der eigentlichen Veranstaltung) zu Auseinandersetzung und/oder Zusammenstößen gekommen ist?

a) Wenn ja, wie stellten sich diese dar?

b) Wenn ja, wie ist die Polizei dagegen vorgegangen?

Nach Erkenntnissen der Polizei kam es nach Beendigung der Veranstaltung gegen Uhr zwischen einer Gruppe von ca. 10 Personen, die nach polizeilicher Beurteilung der rechten Szene zuzurechnen waren, und einer anderen Gruppe von 15 bis 20 Personen zu einer verbalen Auseinandersetzung. Die Polizei trennte die beiden Gruppen und konnte so eine Eskalation vermeiden.

2. Wie stellte sich die Lage aus Sicht der Polizei vor der Veranstaltung dar?

Hat sich diese im Laufe der Veranstaltung verändert? Bitte detaillierte Darstellung.

Die Veranstaltung war als Abiturfeier geplant. Eine entsprechende Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes lag vor. Sie verlief störungsfrei, siehe auch Antwort zu 1.

3. Ist es zutreffend, dass ein Personenkreis von ca. 20 Personen, die sich ihrem Äußeren nach zur rechten Szene zugehörig fühlen, unter Polizeischutz von der Veranstaltung gebracht wurde? Handelt es sich hierbei um Personen, die dem Verfassungsschutz bzw. der Polizei als zur Szene gehörend bekannt sind?

Nein.

4. Sind während der Veranstaltung und/oder im Umfeld der Veranstaltung (also auch vor Veranstaltungsbeginn bzw. nach Ende der eigentlichen Veranstaltung) Anzeigen erstattet worden?

Ja.

5. Wie schätzt der Senat das von der rechten Szene ausgehendes Gefahrenpotential im Bezirk Harburg (bitte unterteilt nach Ortsamtbereich Süderelbe, Kerngebiet Harburg, Stadtteil Marmstorf, Ortsamtsbereich Wilhelmsburg) ein?

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden besteht die aktive rechtsextremistische Szene im Bezirk Harburg aus dem NPD-Kreisverband Harburg, verschiedenen Skinheadcliquen und einzelnen Neonazis. Die NPD hat ihre Aktivitäten nach der Wahl eines neuen Kreisvorsitzenden verstärkt. Sie wirbt sowohl neue Mitglieder, versucht aber auch außerhalb der Partei das Interesse insbesondere junger Menschen für rechtsextremistische Themen zu wecken und sie in ihre Aktivitäten einzubinden.

Dabei arbeitet sie mit Neonazis und Skinheads zusammen. Die Neonazis in Harburg verfügen über Kontakte zu Kameradschaften in Hamburg und dem Harburger Umland.

Das Gewaltpotenzial bilden überwiegend Skinheads. Sie sind in Harburg und angrenzenden Stadtteilen, wie Wilstorf oder Neugraben sowie in umliegenden Gemeinden in Niedersachsen auffällig. Eine detaillierte Aufteilung nach Ortsamtsbereichen ist nicht möglich. Im Vordergrund stehen für Skinheads Aktivitäten wie Besuche von Konzerten und öffentlichen Festen. Sie nehmen jedoch z. T. auch an politischen Aktionen wie Demonstrationen oder Mahnwachen teil. Insbesondere unter Alkoholeinfluss oder beim Zusammentreffen mit politischen Gegnern sind bei Skinheads spontane Gewalttaten nicht auszuschließen.

6. Hat der Senat vor dem Hintergrund der oben beschriebenen und bekannten Ereignisse der letzten Wochen eine Neubewertung der Bedrohungslage durch rechtsextreme Gruppen im Bereich Harburg und im Bereich Süderelbe vorgenommen?

a) wenn ja, wie stellt sich diese dar?

b) wenn nein, warum nicht?

7. Inwieweit ist dem Senat bekannt, dass rechtsextreme und rechtsradikale Gruppen insbesondere im Bezirk Harburg verstärkt versuchen, neue jüngere Mitglieder zu werben? Erkennt der Senat einen Zusammenhang zwischen dieser Vermutung und der Ereignissen der letzten Wochen und Monate?

Seit Anfang des Jahres 2005 haben die öffentlichen Aktivitäten von Rechtsextremisten im Bezirk Harburg zugenommen. Auslöser dafür war nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden eine Auseinandersetzung am 26. Dezember 2004 in der Wilstorfer Straße zwischen Skinheads und jugendlichen Anwohnern, bei der ein Skinhead durch Messerstiche verletzt wurde. Seitdem wurden mehrfach Demonstrationen, Infotische und Mahnwachen durchgeführt. Diese Aktivitäten haben nicht nur Anziehungskraft für Harburger Rechtsextremisten, sondern auch auf solche aus anderen Hamburger Stadtteilen und dem niedersächsischen Umland. Zum Teil militante Gegenproteste politischer Gegner lösen weitere Reaktionen von Rechtsextremisten aus. Durch die fortdauernden öffentlichen Aktivitäten findet nach Beobachtung der Sicherheitsbehörden zumindest vorübergehend eine Stärkung der rechtsextremistischen Szene in Harburg statt, die insbesondere für junge Menschen dadurch an Anziehungskraft gewinnt.

Die rechtsextremistische Harburger Szene ist jedoch weiterhin auf die Organisationsfähigkeit und die Beteiligung besser strukturierter rechtsextremistischer Bereiche aus Hamburg und den umliegenden Gebieten angewiesen. In Harburg ist zumindest mittelfristig damit zu rechnen, dass sich die öffentlichen Aktivitäten von Rechtsextremisten fortsetzen werden, die sich in Einzelfällen auch offensiv gegen politische Gegner richten können, wie z. B. durch den Besuch von Veranstaltungen. Die Anwendung von Gewalt durch Skinheads beim Aufeinandertreffen mit politischen Gegnern oder unter Alkoholeinfluss auch auf Festen ist nicht auszuschließen.

8. Wie beurteilt der Senat im Hinblick auf die oben dargestellten Vorfälle die von der rechten Szene für den 2. Juli angemeldete Demonstration in Schnelsen?

Für den Aufzug am 2. Juli 2005 ist mit einer überregionalen Mobilisierung der rechtsextremistischen Szene zu rechnen, da diese Gegenaktivitäten politischer Gegner und von Anwohnern erwartet.