Erklärung. Es wurde deutlich dass das Ereignis bereits einige Stunden zurücklag

Entscheidung: Die Überprüfung des Hinweises wird am nächsten Morgen durch das zuständige Fachkommissariat des Staatsschutzes erfolgen.

Erklärung: Es wurde deutlich, dass das Ereignis bereits einige Stunden zurücklag. Aus dem Gesprächsinhalt ergab sich kein akuter Gefährdungssachverhalt und keine zeitliche Dringlichkeit für weitere Sofortmaßnahmen.

07.45 Uhr: Eingang des Berichts des Polizeikommissariats 16 beim stellvertretenden Leiter der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamts Hamburg über die Angabe eines Zeugen bei der Besatzung eines Funkstreifenwagens, der angibt, am Vortag gegen 20.27 Uhr ein Gespräch zwischen drei jungen Arabern mitgehört zu haben, in dem von einer illegalen Aktion, die von Allah gutgeheißen wird, gesprochen wird. Gemäß des Berichtes wurde die Videoaufzeichnung des von den drei Arabern genutzten Busses sichergestellt.

Mir ist es wichtig, auch diese Version aus der Sicht der ermittlungsführenden Dienststelle zu hören, nicht dass ich Sie hier langweilen will mit Wiederholungen. Das halte ich für sehr bemerkenswert und wichtig.

07.55 Uhr: Der Dienststellenleiter des Bereichs „Lage, Analyse, Gefahrermittlung" des Staatsschutzes wird im Rahmen der Vorbereitung auf die morgendliche Lagebesprechung des Staatsschutzes auf den Bericht über den geschilderten Sachverhalt aufmerksam. Erklärung: Es findet noch eine zusätzliche Lagebesprechung auf Arbeitsebene statt. Damit ist nicht die Frühbesprechung gemeint, die beim Präsidenten stattfindet.

Dieser Bericht enthält einen Hinweis auf ein mögliches Sprengstoffattentat, auf die diesbezügliche Beobachtung des ägyptischen Zeugen am 24.08.2005 gegen 20.30 Uhr an der Bushaltestelle Holstenstraße der Buslinie 3 sowie auf die zeitliche Eingrenzung „morgen werden wir vor Allah Helden sein" in arabischer Sprache.

Maßnahmen: Sofortige Information des stellvertretenden Leiters des Staatsschutzes in der Morgenlage.

08.00 Uhr: In der Morgenlage wird der Bericht vorgetragen. LKA 86 wird beauftragt ­ das ist die zuständige ermittlungsführende Dienststelle ­, unverzüglich die Einsichtnahme der Videoaufnahmen und die Befragung des Zeugen zu veranlassen.

08.20 Uhr: Berichterstattung des Kriminalkommissars vom Dienst an die Leitung der Staatsschutzabteilung.

08.30 Uhr: Morgenlage beim Führungs- und Lagedienst. Der stellvertretende Leiter der Abteilung Staatsschutz weist auf den Eingang der beiden Berichte hin, aus denen sich zeitlich dringende Ermittlungen ergeben, und hinterfragt die Zeitabläufe.

09.00 Uhr: Ein Kriminalbeamter des Staatsschutzes ermittelt in der Polizeieinsatzzentrale, dass die Videobänder aus dem Bus, die die drei Verdächtigen zeigen, gesichert worden sind und wo sie abgeholt werden können.

Ca. 09.30 Uhr: Der stellvertretende Leiter der Abteilung Staatsschutz wird aufgrund des Hinweises zusammen mit dem stellvertretenden Leiter des Landeskriminalamtes zum Polizeivizepräsidenten gebeten. In dieser Besprechung weist der stellvertretende Leiter der Abteilung Staatsschutz darauf hin, dass der Hinweis zwar nicht in die allgemeine Phänomenologie islamistischer Straftäter passt, es aufgrund der konkreten Personenbeschreibung, der Eindringlichkeit des Zeugen ­ zweimaliges Informieren der Polizei ­, der Tatsache, dass einige Beobachtungen sachlich unterlegt waren ­ Funkstreifenwagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ­ und der möglichen zeitlichen Dringlichkeit sowie der Gefährdungseinschätzung für die Bundesrepublik Deutschland trotzdem erforderlich ist, diesem Hinweis umgehend nachzugehen. Hierfür ist zwingend die Identifizierung der beobachteten Personen notwendig.

Der stellvertretende Leiter der Abteilung Staatsschutz thematisiert die Notwendigkeit, frühzeitig alle Bundesbehörden und benachbarte Behörden außerhalb der Polizei zu informieren. Nach kurzer Diskussion wird einvernehmlich entschieden, keine Informationen an Behörden und Institutionen weiterzugeben, bevor die Glaubwürdigkeit aus einer Vernehmung heraus bestätigt wird und die Lichtbilder aus dem Bus der Linie 3 ausgewertet sind. Diese Entscheidung betrifft ausschließlich nicht die notwendigen Ermittlungen des Staatsschutzes.

Im Anschluss an die Besprechung beim Polizeivizepräsidenten, sucht der stellvertretende Leiter der Abteilung Staatsschutz die Dienststelle LKA 86 auf und weist Dienststellen- und Sachgebietsleiter auf die Richtigkeit der Glaubwürdigkeitsprüfung des Zeugen hin und informiert über die Ergebnisse der Besprechung beim Polizeivizepräsidenten. Er weist noch einmal auf die zeitliche Dringlichkeit der Maßnahmen, aber auch auf eine sorgfältige Prüfung des Zeugen und der sächlichen Beweismittel hin. Es hört sich so an, als wenn wir das sonst nicht tun, aber das ist eine Nachschärfung, dass wir besonders Wert darauf gelegt haben an dieser Stelle, sehr sensibel zu sein.

09.30 Uhr: Ein Kriminalbeamter des LKA 86 nimmt Kontakt zu den Pinneberger Verkehrsbetrieben auf, um die Abholung der Videoaufzeichnungen abzusprechen.

09.37 Uhr: Einweisung der Kriminalbeamten, die den Zeugen zur Vernehmung abholen und durch den Kriminalkommissar vom Dienst vernehmen sollen.

09.45 Uhr: Telefonische Kontaktaufnahme mit dem Zeugen durch einen Kriminalbeamten des LKA 86 und Absprache hinsichtlich seiner Vernehmung.

09.50 Uhr: Kontakt zur Leitstelle der S-Bahn und Veranlassung der Sicherung der Videoaufnahmen vom S-Bahnhof Holstenstraße. Die Leitstelle teilt mit, dass das Videomaterial erst am folgenden Tag zur Verfügung gestellt werden könne. Tatsächlich wurde das Videomaterial jedoch bereits um 16.00 Uhr am gleichen Tag zur Verfügung gestellt.

10.05 Uhr: Abholung des Zeugen durch LKA 86 zum Polizeipräsidium. Ausführliche Einsichtnahme in die Lichtbildkarteien durch den Zeugen. Der Zeuge kann niemanden wiedererkennen in der Lichtbildkartei. Im Anschluss wird der Zeuge genau zu seinen Beobachtungen vernommen. Der Zeuge beschreibt noch einmal seine Wahrnehmung bezüglich der drei Verdächtigen.

11.00 Uhr: Ein Kriminalbeamter des LKA 86 verlässt das LKA, meine CD-ROM mit Videoaufnahmen aus dem Metrobus der Linie 3 abzuholen. Der Beamte ist darüber informiert, dass es sich bei den gesuchten Personen um eine männliche Dreiergruppe aus dem islamischen Kulturkreis handeln soll, von denen einer einen Rucksack trug.

Er nimmt bei der Pinneberger Verkehrsgesellschaft GmbH schon Einsicht in die Aufnahmen, überzeugt sich von der Brauchbarkeit des Videomaterials für Identifizierungszwecke. Der Angestellte der Pinneberger Verkehrsgesellschaften erkennt die Haltestelle, an der die Dreiergruppe einstiegt, als die Haltestelle S-Bahnhof Holstenstraße. Nach seiner Rückkehr ins Präsidium sichtet der Kollege die Aufnahmen mit anderen zuständigen Staatsschutzbeamten, die mit ihm übereinstimmen, dass sich drei Personen, auf die die Personenbeschreibung des Zeugen zutrifft, im Bus befanden. Zur Vorlage beim Zeugen und für die Fahndung nach den Verdächtigen werden von der Fototechnik der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle Videoprints von diesen Aufnahmen gefertigt.

Zum gleichen Zeitpunkt wird durch Anrufe, so beim Objektmanager der Neuen Flora als auch bei der Geschäftsführung des dortigen Spar Marktes geklärt, dass in beiden Einrichtungen kein Videomaterial über den Vorplatz bzw. über die Straßenfront vorhanden ist.

(Zwischenruf) Hätte ja sein können.

12.25 Uhr bis 13.25 Uhr: Ein Kriminalbeamter versucht den Busfahrer der Linie 3 telefonisch zu erreichen. Ziel ist die Befragung des Busfahrers, ob er die Personen kennt bzw. ob die Personen regelmäßig diese Buslinie benutzen. Der Busfahrer kann nicht erreicht werden.

12.35 Uhr: Abgabe der ersten schriftlichen Führungsinformation an den stellvertretenden Leiter des Landeskriminalamtes zur Weitergabe an den Polizeivizepräsidenten.

Aus der Vernehmung des Zeugen ergibt sich, dass dieser als glaubwürdig eingeschätzt wird, allgemeinpolizeiliche und staatsschutzrelevante Erkenntnisse zu seiner Person liegen nicht vor. Aber durch die Geschehnisse und seinen Schlafmangel sind Konzentrationsmängel beim Zeugen vorhanden. Das kann nicht unerwähnt bleiben.

Anschließend Terminvereinbarung beim Polizeivizepräsidenten für 13.00 Uhr unter Hinweis auf die Führungsinformation.

13.00 Uhr: Aus der Sicht der ermittlungsführenden Dienststelle. Besprechung beim Polizeivizepräsidenten. Lageeinschätzung: Die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Hinblick auf dessen Wahrnehmungen wird weitgehend bestätigt. Die Videoaufzeichnung belegt, dass in dem Bus der Linie 3 am 24.08.2005, ca. 20.30 Uhr, in der Holstenstraße drei Personen eingestiegen sind, auf die die Personenbeschreibung des Zeugen zutrifft. Nach wie vor spricht aufgrund der allgemeinen phänomener Erkenntnisse mehr dafür, dass es für die Beobachtung des Zeugen eine plausible Erklärung gibt, als dass eine konkrete Anschlagsplanung bevorsteht. Gleichwohl ist dieses nicht auszuschließen. Eine abschließende Gefährdungseinschätzung ist erst nach der Ermittlung und Vernehmung der abgebildeten drei Personen möglich.

In dieser Einsatzbesprechung wird festgelegt, dass die Ermittlungen weiter im Staatsschutz geführt werden und die Einsatzführung vorerst dort verbleibt. Für den Fall weitergehender polizeilicher Maßnahmen, die über den Ermittlungsbereich hinausgehen, wird vereinbart, dass der Führungsstab der Polizei Hamburg sich auf eine Einsatzführung vorbereitet. Vor dem Hintergrund der vorläufigen Gefährdungseinschätzung wird beschlossen, gegenwärtig keine Warnmeldungen, insbesondere im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs, auszusprechen.

13.15 Uhr: Die Übersichtsaufnahmen aus dem Bus liegen vor.

13.30 Uhr: Dem Zeugen werden Videoprints aus dem Bus vorgelegt. Er erkennt sofort die darauf abgebildeten drei Personen als die von ihm beschriebenen Verdächtigen.

13.45 Uhr: Einzelaufnahmen der Verdächtigen, die für die Fahndung geeignet sind, liegen vor.

13.50 Uhr: Weitergabe der Lichtbilder der Verdächtigen an operative Kräfte im Landeskriminalamt.

13.50 Uhr: Der Polizeivizepräsident, der stellvertretende Leiter des Landeskriminalamtes und der stellvertretende Leiter der Abteilung Staatsschutz sehen im Beisein des Leiters des LKA 86 bei der Kriminaltechnik die Videoaufzeichnung aus der Überwachungskamera des Linienbusses ein.

Logisch, dass man als Verantwortlicher ein Interesse hat, zu sehen, wie sehen die denn aus.

Ca. 14.00 Uhr: Einsatzbesprechung des Staatsschutzes. Aus der Besprechung beim Polizeivizepräsidenten werden die Informationen umgesetzt. Die Besondere Aufbauorganisation des Staatsschutzes wird aufgerufen. Folgende Einsatzabschnitte werden eingerichtet: Ermittlungen, operative Maßnahmen, Dateien, Entschärfer und Führungsgruppe. Der Einsatzabschnitt „Hinweisaufnahme" wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingerichtet, die Mitarbeiter halten sich für den Bedarfsfall zur Verfügung. Alle Kräfte des Staatsschutzes verbleiben bis auf weiteres im Dienst. Der im Urlaub befindliche Dienststellenleiter des LKA 801 ist vorinformiert.

So geht das in der Polizei.