Wahlberechtigung, Information und Wahlbeteiligung von Obdachlosen

Die Sicherstellung der Beteiligungschancen von obdachlosen Menschen an Bürgerschafts- und Bundestagswahlen ist Aufgabe der Hamburger Verwaltung. Besondere Schwierigkeiten bei der Benachrichtigung dieser Personengruppe und bei der Gewährung des ortsnahen Zugangs zu Wahllokalen erfordern auch besondere Maßnahmen der zuständigen staatlichen Stellen.

In Hamburg sind obdachlose Menschen bei Bürgerschaftswahlen dann wahlberechtigt, wenn sie sich seit mindestens drei Monaten in Hamburg aufhalten und sich in das Wählerverzeichnis haben eintragen lassen.

Bei Bundestagswahlen hingegen stellt sich neben dem Nachweis, sich am Tag der Erstellung des Wählerverzeichnisses in Hamburg aufgehalten zu haben, das zusätzliche Erfordernis, dass an keiner anderen Stelle ein Antrag auf Wahlbeteiligung gestellt wird oder wurde.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Wie viele wahlberechtigte Obdachlose gab es bei der Bürgerschaftswahl 2004 und der Bundestagswahl 2005 in Hamburg? Sind keine genauen Angaben möglich, bitte Schätzungen bzw. die Zahl registrierter Obdachloser mit Wahlberechtigung angeben.

Genaue Angaben sind nicht möglich.1995 wurde die Zahl der in Hamburg lebenden Menschen ohne festen Wohnsitz auf ca. 6000 Personen geschätzt ­ s. Drs. 15/6132.

In einer Erhebung im Jahre 2002 wurde ermittelt, dass in Hamburg ca. 1280 obdachlose Menschen lebten, darunter ca. 1080 Deutsche.

2. Wie hoch war die Wahlbeteiligung der obdachlosen Wahlberechtigten in Hamburg bei den beiden oben genannten Wahlen? Sind keine genauen Angaben möglich, bitte die Anzahl der tatsächlich abgegebenen Stimmen obdachloser Menschen angeben.

Zur Bundestagswahl 2005 haben sich 110 obdachlose Menschen in das Hamburger Wählerverzeichnis aufnehmen lassen, zur Bürgerschaftswahl 2004 waren es ca. 80.

3. Welche über die in der Einleitung genannten hinausgehenden Voraussetzungen müssen vorliegen, damit obdachlose Menschen in Hamburg bei Bürgerschaftswahlen wahlberechtigt sind und wählen können?

Keine. Ein zweiter Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis wird bei Eingabe der Personalien in das elektronisch geführte Wählerverzeichnis erkannt und nicht bearbeitet.

Welche Angaben müssen Obdachlose machen bzw. welche Nachweise müssen sie vorlegen, um an Bürgerschaftswahlen teilzunehmen?

Die wahlberechtigte Person muss einen schriftlichen Antrag stellen, der bis zum Ende der Auslegezeit des Wählerverzeichnisses bei der örtlichen Wahldienststelle eingegangen sein muss. Nachweise sind dabei nicht beizufügen. Statt dessen bestätigt die wahlberechtigte Person mit ihrer Unterschrift, dass sie von den Strafvorschriften der §§ 107a und § 107b Strafgesetzbuch Kenntnis genommen hat, wonach bestraft wird, wer z. B. unbefugt wählt oder wer durch falsche Angaben sein Aufnahme in das Wählerverzeichnis erwirkt.

Als Personalien sind anzugeben: Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und die Örtlichkeit der Übernachtung. Antragsformulare liegen in zahlreichen Stellen der niedrigschwelligen Versorgung dieser Personengruppe aus und werden von diesen ausgefüllt an die örtliche Wahldienststelle weitergeleitet. Hierauf wird durch Aushänge in den Einrichtungen sowie durch eine ganzseitige Anzeige in der Straßenzeitung „Hinz &Kunzt" hingewiesen. Die gewünschten Wahlunterlagen (Wahlbenachrichtigungskarte zur Wahl im nächstgelegenen Wahllokal des Übernachtungsplatzes oder Briefwahlunterlagen) werden von der Wahldienststelle an diese Einrichtung zur Aushändigung an den Wahlberechtigten gesandt

4. Welche über die in der Einleitung genannten hinausgehenden Voraussetzungen müssen vorliegen, damit obdachlose Menschen in Hamburg bei Bundestagswahlen wahlberechtigt sind und wählen können?

Keine. Die zuletzt zur Bundestagswahl 1998 geltende Vorschrift, wonach die Übernachtung am 35. Tag vor der Wahl maßgeblich war und diese Übernachtung der zuständigen Stelle in der Gemeinde angezeigt worden sein musste, ist seit der Bundestagswahl 2002 entfallen.

Welche Angaben müssen Obdachlose machen bzw. welche Nachweise müssen sie vorlegen, um an Bundestagswahlen teilzunehmen?

Siehe Antwort zu 3.1.

5. Wie wird überprüft, ob diese Angaben bzw. Nachweise der Obdachlosen richtig sind?

6. Wo werden die Angaben gemacht bzw. die Nachweise vorgelegt und wo findet die Überprüfung statt?

Siehe Antwort zu 3.

7. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um im Vorfeld von Bürgerschaftswahlen und Bundestagswahlen möglichst viele obdachlose Menschen zu informieren?

Siehe Antwort zu 3.1.

8. Wie viele wahlberechtigte obdachlose Menschen werden prozentual nach Schätzung des Senats durch diese Maßnahmen tatsächlich erreicht?

Siehe Antwort zu 2.

9. Was gedenkt der Senat noch zu unternehmen, um die Wahlbeteiligung Wohnungsloser zu erhöhen?

Die Maßnahmen der zuständigen Behörde, wohnungslose Menschen vor Wahlen auf ihr Wahlrecht und das dafür einzuhaltende Verfahren aufmerksam zu machen, haben sich als wirksam erwiesen. So ist die Zahl der wohnungslosen Menschen, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, von der Bundestagswahl 2002 (ca. 100

Personen) zur Bundestagswahl 2005 (110 Personen) angestiegen.

10. Gibt es speziell für obdachlose Menschen vorgehaltene Wahllokale zur Stimmabgabe bei Bürgerschafts- und Bundestagswahlen? Wenn ja, wo?

Nach einem seit der Bürgerschaftswahl 1997 eingeführten „Hamburger Modell" sollte den obdachlosen Wahlberechtigten des Bezirks Hamburg-Mitte zusätzlich die Ausübung der Wahl in einem „Obdachlosenwahllokal" aufgrund eines dort hinterlegten Wahlscheins ermöglicht werden. Dieses Modell wurde an wechselnden Standorten, zumeist in der Obdachlosentagesstätte „Herz As" praktiziert, fand aber sowenig Zuspruch, dass die Wahlauszählung zur Gewährleistung einer geheimen Wahl zumeist in nächstgelegenen Wahllokal stattfinden musste. Seit der Bürgerschaftswahl 2004 wird es nicht mehr angewendet. Das hat sich auf die Beteiligung von obdachlosen Menschen an Wahlen aber nicht negativ ausgewirkt (s. auch Antwort zu 9).