Keine Fortgeltung der Vereinbarungen

Die BSF hat alle derzeit bestehenden Vereinbarungen mit den Verbänden sowie den Einrichtungsträgern zum 31.12.2004 gekündigt. Da uns die Vereinbarungen nicht vorliegen, unterstellen wir im Folgenden, dass es sich um ordentliche Kündigungen handelt, die zu einer wirksamen Beendigung der Vereinbarungen per 31.12.2004 führen.

Mit den Kündigungen verbindet die BSF die Erwartung, dass die Träger ab dem 01.01.2005 keine Entgelte mehr auf der Basis der Entgeltvereinbarungen verlangen können. Dieser Erwartung könnte entgegenstehen, dass sowohl § 78d Abs. 2 S. 4 SGB VIII als auch § 19 Abs. 2 S. 3 KibeG bestimmen, dass die Entgeltvereinbarungen jeweils nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums bis zum In-Kraft-Treten neuer Vereinbarungen weiter gelten. Dies würde bedeuten, dass die Träger der freien Jugendhilfe bis zum Abschluss neuer Vereinbarungen auf der Grundlage der bisherigen Vereinbarungen abrechnen könnten. Dann würde sich genau die Kostenbelastung realisieren, die durch die Kündigung abgewendet werden soll.

Das Risiko ist im Ergebnis jedoch begrenzt. § 78d Abs. 2 S. 4 SGB VIII findet keine Anwendung, weil sich der hamburgische Landesgesetzgeber gerade nicht dafür entschieden hat, die §§ 78b ff. SGB VIII gemäß § 78a Abs. 2 SGB VIII für den Bereich der Kindertagesbetreuung für anwendbar zu erklären. Das HmbKitaG, das Rechtsgrundlage für die aktuellen Vereinbarungen ist, enthält keine Regelung über die Fortgeltung von Vereinbarungen.

Damit ist allein klärungsbedürftig, ob § 19 Abs. 2 S. 3 KibeG Anwendung findet.

Gemäß § 19 Abs. 2 S. 3 KibeG gelten „die trägerbezogenen Entgeltvereinbarungen" weiter und zwar „nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums". Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wird der Fall einer Kündigung nicht geregelt. Andererseits wird auch das Recht zur Kündigung selbst nicht gesetzlich geregelt. Ein gesetzliches Kündigungsrecht enthält § 59 Abs. 1 S. 2 SGB X. Verträge können danach gekündigt werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Dieses Kündigungsverlangen soll gegenüber dem Verlangen nach Neuverhandlungen nachrangig sein. Den Kommentierungen zu § 78d SGB VIII ist indes nicht zu entnehmen, wie ein Fall der ordentlichen (vertraglich vorgesehenen) Kündigung zu behandeln ist.

Wir meinen, dass gekündigte Vereinbarungen nicht gemäß § 19 Abs. 2 S. 3 KibeG fortgelten. Die Vorschrift bezieht sich nur auf das Weitergelten nach Ablauf des vereinbarten Vereinbarungszeitraums, nicht hingegen auf Kündigungen. Hinzu kommt, dass § 19 Abs. 2 S. 3 KibeG nur für Vereinbarungen gilt, die auf der Grundlage des KibeG abgeschlossen werden. Die Anwendung auf Vereinbarungen auf der Basis des HmbKitaG hätte rückwirkenden Charakter. Eine solche Rückwirkung ist nicht ausdrücklich bestimmt. Sie wäre auch nicht ohne weiteres zulässig, da sich eine Fortgeltung auch belastend auf Träger der freien Jugendhilfe auswirken könnte.

Angesichts der nicht ganz eindeutigen Gesetzesformulierung besteht allerdings ein geringes Restrisiko, dass sich die Träger der freien Jugendhilfe auf eine Fortgeltung der gekündigten Entgeltvereinbarungen berufen könnten. Um dieses Risiko auszuschließen, könnte im Gesetz klargestellt werden, dass sich § 19 Abs. 2 S. 3 nicht auf vor dem InKraft-Treten des KibeG abgeschlossene Verträge und außerdem nicht auf den Fall der Kündigung bezieht.

b) Kostenerstattung aufgrund erteilter Bewilligungen

Wir haben verstanden, dass Bewilligungen aufgrund des HmbKitaG derzeit jeweils für ein Jahr erteilt werden. Diese Bewilligungen gelten grundsätzlich auch dann fort, wenn das HmbKitaG außer Kraft und das KibeG in Kraft tritt. Inhalt der Bewilligung ist ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß einer bestehenden Entgeltvereinbarung zwischen dem freien Träger und der FHH. Dabei ist der Fall, dass während des Bewilligungszeitraums eine solche Vereinbarung endet, nicht ausdrücklich geregelt. Wird die bestehende Vereinbarung durch eine neue Vereinbarung abgelöst, so dürfte sich der Kostenerstattungsanspruch der Höhe nach aus der neu abgeschlossenen Vereinbarung ergeben (§ 22 Abs. 3 KibeG). Dies gilt auch für ab dem 01.01.2005 neu erteilte Bewilligungen.

Problematisch ist hingegen der Fall, dass es nicht zum Abschluss neuer Vereinbarungen kommt.

Für Bewilligungen ab dem 01.01.2005 gilt dann § 7 KibeG, der den Anspruch auf Kostenerstattung regelt. Nach § 7 Abs. 1 setzt der Anspruch auf Kostenerstattung voraus, dass mit dem Träger der in Anspruch genommenen Tageseinrichtung entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen worden sind. Sind solche Vereinbarungen bis zum 01.01.2005 nicht zustande gekommen, so entfällt nach § 7 Abs. 1 KibeG der Anspruch auf Kostenerstattung. Die Bewilligung läuft leer.

Davon unabhängig bestehen aber die Ansprüche der Kinder aus § 6 KibeG auf Förderung und insbesondere auf einen Kindergartenplatz. Mit dem Anspruch auf Förderung wäre nicht vereinbar, dass die Anspruchsberechtigten zwar vorhandene Tageseinrichtungen in Anspruch nehmen könnten, die Kosten aber selbst zu tragen hätten. Dies könnte den eigentlichen Anspruch wirtschaftlich vereiteln. Im Ergebnis dürfte dem Leistungsanspruch deshalb ein (möglicherweise der Höhe nach begrenzter oder begrenzbarer) Kostenerstattungsanspruch folgen. Dies folgt für den bundesgesetzlich geregelten Anspruch auf einen Kindergartenplatz mittelbar aus § 24 SGB VIII, für Krippen- und Hortplätze möglicherweise aus dem allgemeinen Förderungsanspruch (§ 6

KibeG). Im Rahmen des vorliegenden Gutachtens sind wir den hiermit zusammenhängenden Rechtsfragen auftragsgemäß nicht nachgegangen.

Als Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch kommt außerdem § 7 Abs. 2 KibeG in Betracht. Die Vorschrift sieht vor, dass eine Kostenerstattung ausnahmsweise auch dann gewährt wird, wenn mit dem Träger der Einrichtung keine Vereinbarung abgeschlossen worden ist. Gemäß § 8 Abs. 3 KibeG ist in den Fällen des § 7 Abs. 2 das durchschnittliche Leistungsentgelt in Hamburg zum Zeitpunkt des Beginns der Inanspruchnahme der Leistungsart zu erstatten. Kommen keine Vereinbarungen mit den freien Trägern zustande, so bestünde das Risiko, dass der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 2 KibeG zum Regelfall werden könnte. Es wäre damit zu rechnen, dass die Leistungsberechtigten in großem Umfang Kostenerstattungsansprüche auf der Basis der durchschnittlichen Kosten geltend machen würden. Wenn die meisten freien Träger Betreuungsplätze zu den bisherigen Entgelten anbieten, müssten diese wohl als durchschnittliche Kosten angesehen werden.

Die Kosten der Kinderbetreuung wären damit auch nicht mehr ansatzweise kontrollierbar.

c) Selbstbeschaffungsrecht Kostenerstattungsforderungen können auch bestehen, wenn eine Bewilligung trotz eines bestehenden Antrages nicht erteilt wurde und sich der Leistungsberechtigte die Leistung eines Dritten zunächst selbst beschafft und im Nachhinein vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Erstattung seiner Kosten verlangt. Ob dies möglich ist, wird unter dem Stichwort Selbstbeschaffungsrecht diskutiert.