Ingenieurskammer
Abbau bestimmter Regeln nicht in jedem Falle auch den Regelungsbedarf mindert, der dann weiterhin besteht und der dann gegebenenfalls in nachgelagerten Verfahren, sei es nun die repressive Überwachung oder sei es im Gerichtsverfahren, wo es um Nachbarschaftskonflikte geht, also dann der Regelungsbedarf wieder zum Vorschein kommt.
Die Ingenieurskammer hat zu diesem Anlass festgestellt das mögen viele von Ihnen hier anders sehen , dass aus ihrer Sicht oder nach ihrer Erfahrung durch die Regelungen, die das Wohnungsbauerleichterungsgesetz eingeführt hat, keine Beschleunigung des Verfahrens eingetreten sei. Es ist vielleicht eine Minderung des Aufwandes aufseiten der Verwaltung erfolgt, aber eine zeitliche Beschleunigung ist sozusagen aus deren Sicht nicht festgestellt worden. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, können von den Außenstehenden im Einzelnen auch gar nicht betrachtet werden, aber die Erfahrung lehrt, dass Bearbeitungsfristen zum Beispiel dadurch hinausgeschoben worden sind, indem eben kurz vor Ablauf der Frist die Bauverwaltung gesagt hat, die Unterlagen sind nicht vollständig, schicken Sie mir noch mal die Flurkarte Soundso oder den Gebäudeschnitt Soundso, und dann wurde eben damit die Fristverlängerung wieder eingeleitet.
Wenn jetzt, wie das in den §§ 61 und 62 ist, statt der Formulierung „die Unterlagen müssen vollständig oder prüffähig sein" eben der Begriff der Mangelfreiheit eingeführt wird, dann stößt das auch aus rechtssystematischen Gründen auf große Bedenken.
Was ist mangelfrei? Eine Bauvorlage, die mangelfrei ist, braucht gar nicht mehr geprüft werden, könnte man sagen. Dann braucht man das ganze Verfahren nicht. Insofern kann man jedem Bauvorhaben so lange Mängel sozusagen andefinieren und damit die Fristen aussetzen, bis es eben genehmigungsfähig ist. Da schlagen wir also vor, auf diese Formulierung zu verzichten, weil, solange die bleibt, ein Effekt der Beschleunigung an der Stelle unter Umständen wirklich dann ausgehebelt wird durch die Verwaltungspraxis.
Außerdem macht die Ingenieurskammer darauf aufmerksam, dass der Begriff der Mangelfreiheit im Zivilrecht eine Rolle spielt, und es wird befürchtet, dass wenn dann behördlich bescheinigt wird, dass die Bauvorlage mangelbehaftet sei, das sozusagen Haftungsansprüche des Bauherrn gegenüber den Planverfassern auslösen würde.
Aber das müssen die Juristen beurteilen, ob das wirklich so ist.
Wenn wir gefragt werden, wo wir zusätzlich zu dem, was hier angestrebt wird, sinnvolle Verfahrungsbeschleunigungen sehen und vorschlagen, schlagen wir zwei Dinge vor. Erstens, für die Beantragung eines Vorbescheides müssen ebenfalls Fristen gesetzt werden. Hier werden im Vorfeld häufig Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für ein Bauvorhaben aufgeworfen, die, wenn sie zügig geklärt werden, dann das eigentliche Genehmigungsverfahren erheblich entlasten und auch wiederum beschleunigen können. Wir raten häufig Bauherren sozusagen, bevor sie in die Mühsal einer Baugenehmigung eintreten, mit der Bauvoranfrage eben grundsätzliche Fragen zu klären. Die Wirkung dieser Bauvoranfrage verpufft natürlich, wenn dort Bearbeitungszeiten von bis zu anderthalb Jahren dann anstehen.
Bei dem Vorbescheid müsste allerdings der Hinweis auf den § 70 Abs. 1 bis 3 gerade nicht erfolgen, denn auch da wird wieder die Mangelfreiheit und Vollständigkeit der Unterlagen gefordert und das bezogen auf die formlose Bauvoranfrage macht keinen Sinn.
Der zweite Punkt, den wohl die Kammern auch in der Vergangenheit zu solchen Anlässen immer angemahnt haben, ist, dass sie sagen, der Personalabbau und auch die Verwaltungsrationalisierung darf nicht dazu führen, dass Beratungskapazitäten zwischen Bauverwaltung und Bauherrn eingeschränkt werden. Die Erfahrung zeigt, dass unter Umständen ein Beratungsgespräch im Vorfeld eines Genehmigungsverfahrens von anderthalb Stunden vier Wochen Planungs- und Prüfungsarbeit auf beiden Seiten ersetzen kann, gerade bei komplizierten Verfahren in Altbaubeständen. Und wir haben als Sanierungsträger sehr häufig damit zu tun, kann man also für beide Seiten sehr viel Zeit und Mühe sparen, wenn man diese Beratungsmöglichkeiten, die von den Bauprüfämtern auch unterschiedlich zwar angeboten werden, auch wahrnimmt. Das machen leider unsere Architektenkollegen ihrerseits auch viel zu wenig und reiten sich damit selber auch in Probleme hinein.
Die Verfahren mit Konzentrationswirkung werden ausdrücklich begrüßt, während die Skepsis gegenüber den vereinfachten Verfahren das ist hier schon vielfach angesprochen worden bleibt, weil damit sozusagen die Haftung für die Richtigkeit der Bauvoranlagen sehr stark auf die Planverfasser übergeht. Die Kammern sind jedenfalls nach intensiver Diskussion eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass sie ihren Mitgliedern davon abraten, in der Regel von dem vereinfachten Verfahren Gebrauch zu machen, sondern das Konzentrationsverfahren anzuwenden.
Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Dr. Pfadt. Dann bitte ich Herrn Stüven vom Grundeigentümer-Verband um seinen Beitrag.
Herr Stüven: Ja, vielen Dank. Guten Abend, meine Damen und Herren. Mein Name ist Heinrich Stüven, ich bin Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbandes hier in Hamburg und wir haben ja im Vorwege durchaus ja auch in der Öffentlichkeit die Novellierung der Bauordnung stark kritisiert, wobei ich aber zunächst einmal vielleicht noch mal sagen möchte, das ist ja bei den Medien ganz häufig der Fall, dass die positiven Nachrichten eigentlich nicht rüberkommen. Also, wir begrüßen mit Nachdruck erst mal die Novellierung auch der Bauordnung und wir sehen insbesondere einen großen Vorteil darin, dass hier auch eine Kundenorientierung, nämlich im § 62 geschaffen wird, und wir sehen dieses Verfahren eigentlich als das Hauptverfahren in bauordnungsrechtlichen Wegen überhaupt an.
Ich kann mich hier Prof. Wickel also ohne weiteres anschließen in dem, was er gesagt hat, und ich bin kein Freund davon nach dem Motto, es ist zwar schon alles gesagt worden, aber noch lange nicht von jedem. Also, insoweit kann ich mich hier wirklich dem anschließen, das, was an Abstandsflächen zunächst an Problematiken steht, würde ich es genauso sehen. Es ist aus städtebaulicher Sicht überhaupt gar nicht meines Erachtens vertretbar, dass man die Abstandsflächen derart reduziert. Wenn man die Abstandsflächen in Baugebieten reduzieren möchte, kann dies über B-Pläne durchaus geschehen, und wir sollten also nicht in den Bestand hier eingreifen, weil das ganz sicherlich und mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz erhebliche nachbarschaftliche Konflikte also auch geben wird.
Wir haben leider Gottes auch in der Bauordnung, und das ist ja unser Hauptkritikpunkt auch immer gewesen, eine sehr starke Absenkung materieller Standards. Und diese materielle Absenkung der Standards wird leider Gottes durch die Bauordnung nicht aufgefangen. Wenn wir bisher in Hamburg kein Nachbarschaftsrecht haben, so haben wir uns durchaus damit auch engagieren und arrangieren können, wenn jetzt aber das Nachbarrecht in Hamburg gänzlich unter den Tisch fällt und überhaupt keine Regelungen mehr existieren, dann, denke ich, haben wir hier in Hamburg ganz erhebliche Probleme und diese Probleme werden in ganz erheblichem Maße wachsen. Wenn dann Regelungen in der Bauordnung, so wie sie jetzt neu also auch gekommen sind wir werden sicherlich nachher im Einzelnen noch mit darauf eingehen , wenn aber dann Regelungen auch noch da sind, dass man also beispielsweise die Genehmigungsfreiheit für einen durchbrochenen Zaun bis 1,50 Meter hat und eine Mauer wiederum bis 2 Meter ebenfalls auch ohne Genehmigung erfolgen kann, dann frage ich mich allen Ernstes also, was soll eine derartige Regelung irgendwo dann in der Anlage zu § 60.
Der unglaubliche Nachteil dieser Bauordnung, so wie sie jetzt im Entwurf vorliegt, ist natürlich, dass die präventive Bauaufsicht nicht mehr vorgenommen wird und wir zum repressiven Charakter kommen. Auch dort hat Prof. Wickel also auch schon darauf hingewiesen, auch da kann ich mich dem nur anschließen. Wenn wir Bauvorhaben haben und irgendwann werden Garagen irgendwo in den Vorgärten stehen, die städtebaulich vielleicht auch nicht mehr verträglich sind, dann möchte ich den Verwaltungsrichter sehen, der sagt, jawohl, wir lassen das Ding wieder abreißen. Die Entscheidungen gehen also dahin, die Ermessungsentscheidung wird immer für den Bestand ausfallen und wird niemals dahin gehen, jedenfalls in den meisten Fällen nicht dahin gehen, dass wir hier einen Abriss also auch dann über das Gericht erwirken können. Das wird zu ganz erheblichen nachbarschaftlichen Streitigkeiten auch wieder führen. Und ich denke, das sollen wir uns in der Stadt nicht antun. Vielen Dank.
Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Stüven. Dann bitte ich jetzt Herrn Dr. Hopp als Letzten in dieser Runde um seinen Beitrag.
Herr Dr. Hopp: Vielen Dank. Mein Name ist Hopp, Kanzlei Zenk Rechtsanwälte. Ich bin vom Hamburgischen Anwaltsverein gebeten worden, hier eine Stellungnahme abzugeben, weil ich schon seit einigen Jahren im Bereich des öffentlichen Bau- und Planungsrechts als Anwalt tätig bin. Ich kann mich insgesamt, kurz gefasst, nur der positiven Stellungnahme von Herrn Prof. Ortloff anschließen. Auch aus meiner Sicht ist es so, dass sowohl die Ziele als auch die Grundkonzeption der novellierten Bauordnung sehr zu begrüßen sind. Es gibt natürlich wie immer noch Kritik im Detail. Da hat jeder vielleicht auch andere Vorstellungen, da gibt es im Einzelnen noch Nachbesserungsbedarf, den ich vor allem bei den Fristen sehe, aber im Übrigen halte ich das durchaus für eine sehr gelungene Novellierung.
Zunächst einmal ist hervorzuheben, dass ja die Verfahrensbeschleunigung hier auch im Vordergrund steht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass häufig gerade bei gewerblichen Bauprojekten immer eine gewisse Kluft besteht zwischen dem enormen Zeitdruck, unter dem die Realisierung solcher Projekte steht einerseits und dem doch teilweise noch etwas schwerfälligem Prüfungsprogramm in den bauaufsichtlichen Verfahren, und hier sehe ich schon einen guten Ansatz, dass die neue Bauordnung hier dazu beitragen wird, diese Kluft zu überwinden, hier einen Beitrag dazu leistet, dass man wirklich auch zu schnelleren Verfahrensabläufen kommt.
Jetzt zu den Instrumenten. Das Wesentliche in materieller Hinsicht ist sicherlich die schon mehrfach angesprochene Abstandsflächenregelung. Die sehe ich als ein Kernstück dieser Novellierung an. Insbesondere ist zu begrüßen, dass hier eine deutliche Vereinfachung stattgefunden hat, weil eben die zahlreichen Ausnahmetatbestände, mit denen man bisher viele Probleme in der Praxis hatte, was die Abgrenzung, den Anbindungsbereich und so weiter anging, jetzt entfallen. Stattdessen gibt es eine grundsätzliche Reduktion der Abstandsfläche auf 0,4 H, wie es auch die Musterbauordnung vorsieht. Das wird sicherlich viele Rechtsstreitigkeiten durchaus vermeiden helfen, nämlich Rechtsstreitigkeiten um die Anwendung dieser bisherigen Ausnahmevorschriften. Deswegen, glaube ich, dass diese Neuordnung durchaus auch zur Rechtssicherheit beträgt und nicht unbedingt zu einer Vermehrung von Streitigkeiten, wie es zum Teil befürchtet worden ist. Denn ich glaube andererseits auch, dass die materiellen Änderungen gar nicht so groß ausfallen werden, wie es zum Teil befürchtet ist, denn wir haben heute ja schon viele Ausnahmevorschriften, wie das Schmalseitenprivileg ja ohnehin 0,5 H als Abstand, und wenn es nun eine Reduktion von 0,5 H auf 0,4 H gibt, ist es nicht so dramatisch, zumal sich auch die Berechnungsmodi zum Teil ändern. Etwa bei Dächern ist es so, dass flache Dächer in Zukunft stärker zu Buche schlagen als bisher, sodass es sogar sein kann im Einzelfall, dass ein etwas größerer Abstand herauskommt als nach dem alten Recht. Also, sehe ich insgesamt diese Abstandsflächenregelung von den Auswirkungen her als nicht dramatisch an, keineswegs wird es zu einer Vermehrung von Streitigkeiten kommen, weil die Leute das Gefühl haben, dass ihnen der Nachbar zu sehr auf die Pelle rückt. Ich glaube eher, dass insgesamt ein Mehr an Rechtssicherheit geschaffen wird und dadurch wahrscheinlich eher weniger Rechtsstreitigkeiten stattfinden. Müsste ich eigentlich bedauern als Anwaltsvertreter, aber ich sehe es eigentlich insgesamt positiv.
Und der zweite Punkt, der hier auch mehrfach angesprochen ist, ist die grundsätzliche Neugestaltung der verfahrensrechtlichen Vorschriften. Hier ist zunächst zu nennen, die Schaffung der Baugenehmigung mit Konzentrationswirkung. Das ist ja offensichtlich eine Anlehnung an das Modell, was in Brandenburg verfolgt worden ist mit der Bauordnung von 2003. Hier findet im Grunde eine Annäherung der Baugenehmigungen an das Modell der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen statt. Das hat natürlich aus Sicht der Investoren große Vorteile. Sie bekommen eine Genehmigung aus einer Hand, haben nicht mehr die Notwendigkeit, verschiedene Genehmigungen einzuholen. Der Nachteil liegt auch auf der Hand. Es bedeutet natürlich ein Mehr an Prüfungsaufwand für die Bauaufsichtsbehörden. Und da setzt mein Detailkritikpunkt an, dass ich sage, diese Frist, die dort gesetzt ist von drei Monaten für dieses Verfahren, erscheint mir zumindest bei größeren gewerblichen Bauvorhaben unrealistisch zu sein. Der Entwurfsverfasser scheint auch nicht ganz daran geglaubt zu haben, dass man die Frist immer einhalten kann, denn es ist ja dort keine Sanktion vorgesehen für den Fall, dass die Frist überschritten wird.