Erhebung von Erschließungsbeiträgen: Angemessenheit und Transparenz sind das Ziel!

Zur Refinanzierung der Kosten, die der Stadt durch die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen (Straßen, Wege, Plätze u. Ä.) entstehen, erhebt sie von den Anliegern gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Baugesetzbuches (BauGB) und des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) Erschließungsbeiträge. Zudem werden für spätere Erweiterungen Ausbaubeiträge erhoben. Von dem beitragsfähigen Erschließungsaufwand trägt Hamburg 10 %, 90 % sollen über Erschließungsbeiträge von den Anliegern refinanziert werden. Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 133 Abs. 2 BauGB mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen, für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind.

Anlässlich einer Eingabe im Eingabenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wurde deutlich, dass die zuständige Behörde in manchen Fällen die endgültige Herstellung, deren Mindestanforderungen in § 49 HWG geregelt sind und die durch so genannte „Bauprogramme" der Bezirke ergänzt werden, erst Jahrzehnte nach dem Beginn der erstmaligen Herstellung von Teilen der Erschließungsanlage erreicht und mit den Anliegern abrechnet.

Konsequenz dieser langwierigen Erschließungsverfahren ist zum einen, dass die Stadt ihre durch Vorleistungen erbrachten Aufwendungen vielfach erst Jahrzehnte später erstattet bekommt, ihr somit Zinsverluste entstehen sowie Mittel für weitere Erschließungsmaßnahmen entgehen. Zum anderen führt dieses Verfahren bei den betroffenen Eigentümern zu Unverständnis, da sie sich über viele Jahre an einen erreichten Ausbaustandard gewöhnt haben und diesen als ausreichend erachten oder sogar davon ausgehen, dass die Erschließung bereits vollständig erfolgt ist.

Es erscheint deshalb sinnvoll und angebracht, Erschließungs- und Ausbaubeiträge zeitnah mit dem Abschluss der jeweiligen Bauarbeiten festzusetzen.

Gemäß §§ 133 Abs. 2 BauGB und 48 HWG können Erschließungsbeiträge auch selbständig für die erstmalige Herstellung von Teilabschnitten der Erschließungsanlage erhoben werden (Kostenspaltung). Dieses Instrument scheint bisher kaum eingesetzt zu werden. Ebenso wenig wie die Möglichkeit des § 133 Abs. 3 BauGB, wonach von den Beitragspflichtigen Vorausleistungen bis zur Höhe des voraussichtlich endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden könnten, sobald auf einem Grundstück ein Bauvorhaben genehmigt wird oder mit der Herstellung einer Erschließungsanlage begonnen worden ist.

Auch Standard und Umfang der als Ergänzung zu den Mindestanforderungen des § 49 HWG vorgesehenen bezirklichen Bauprogramme stehen vielfach in der Kritik, da die Bürgerinnen und Bürger die Planungen der Verwaltung als unmittelbar betroffene Nutzer der Straßen nicht immer nachvollziehen können.

Hinzu kommt oft noch eine mangelhafte Information der Betroffenen. Dies hat die Bürgerschaft auf Initiative der SPD-Fraktion nicht zuletzt zum Anlass genommen, den Senat zu einer Änderung der bisherigen Praxis zu bewegen (vgl. Drsn. 18/928, 18/1931).

Auch der Rechnungshof hat sich bereits 1999 in seinem Jahresbericht mit der endgültigen Herstellung von Erschließungsanlagen befasst und kritisierte die schleppende Abrechnungspraxis. Um die für eine Beitragserhebung erforderliche endgültige Herstellung von Straßen gezielt voranzutreiben, empfahl der Rechnungshof, ein Straßenzustands- und Beitragskataster zu erstellen, auf dessen Grundlage ein am optimalen Mitteleinsatz und Einnahmeerfolg orientiertes Handlungskonzept mit entsprechender Prioritätenrangfolge beabsichtigter Straßen- und/oder Ausbaumaßnahmen aufgestellt werden kann. Zudem empfahl er zu prüfen, ob in einzelnen Fällen eine Reduzierung des Bauprogramms bis auf die Mindestanforderungen nach § 49 HWG in Betracht kommt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Der Senat hat zu dem Gegenstand der Fragestellung bereits mit den Drsn. 18/2498, 18/2641, 18/2701 und 18/3427 Stellung genommen. Hierauf wird ergänzend verwiesen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

A. Allgemeine Fragen

1. Welche Schritte unternimmt der Senat, um die Erschließungsanlagen, für die bislang keine Erschließungsbeiträge erhoben wurden, mit den Beitragspflichtigen zügig abzurechnen?

Die unfertigen Straßen bzw. Straßenabschnitte werden durch die zuständigen Tiefbaudienststellen der Bezirksämter im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen in Abstimmung mit den örtlichen bezirklichen Gremien nach Prioritäten endgültig hergestellt. Kriterien für die Prioritätenzuordnung sind die Wirtschaftlichkeit, d. h. das Verhältnis zwischen aufzuwendenden Erschließungsinvestitionen und deren Refinanzierung durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen sowie Parameter wie u. a. Verkehrssicherheit, Entwässerungsmissstände und Probleme mit dem ruhenden Verkehr. Nach der Mitteilung über die endgültige Herstellung rechnet das Landesabgabenamt der zuständigen Behörde anschließend gegenüber den Beitragspflichtigen ab.

2. Wie wird vorgegangen, wenn Anlieger finanziell nicht in der Lage sind, Erschließungsbeiträge in der vorgesehenen Frist zu zahlen? Wie lange wird ggf. gestundet? Welche Möglichkeiten der Ratenzahlung gibt es? Zu welchem Zinssatz?

Zur Vermeidung von unbilligen Härten können nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse Stundungen/Ratenzahlungen und Verrentungen gewährt werden. Stundungen und Ratenzahlungen sollen einen Zeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten.

Eine Verrentung kann bis zu zehn Jahren Laufzeit gewährt werden. Die Höhe der Stundungs-/Ratenzahlungszinsen richtet sich nach § 238 AO (= 0,5 % für jeden vollen Monat), die der Verrentungszinsen nach § 135 Abs. 3 BauGB (= 2 % über dem Basiszins nach § 247 BGB, das sind z. Zt. 3,37 % Zinsen). Darüber hinaus gehende Billigkeitsmaßnahmen sind in besonders gelagerten Ausnahmefällen möglich (z. B. zinslose Stundung).

3. Gab es in den vergangenen Jahren Fälle, wenn ja wie viele, in denen durch Vollstreckungsmaßnahmen Beiträge beigetrieben wurden? Wenn ja, wie viele und durch welche Gründe im Einzelnen? Hat die Zahlungsunfähigkeit zu Verwertungen von Grundstücken geführt? Wenn ja, zu wie vielen?

In einem geringen Bruchteil (weit unterhalb 1 %) der jährlich durchschnittlich 2000

Beitragsveranlagungen werden Vollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück als ultima ratio durchgeführt, sofern die Beitragsforderung nicht anderweitig beigetrieben werden konnte und die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Hierbei ist die Stadt in aller Regel nicht Antragsteller des Zwangsvollstreckungsverfahrens, sondern tritt mit ihrer Forderung bereits laufenden Zwangsvollstreckungsverfahren bei.

4. Sieht der Senat eine Ungleichbehandlung von solchen Beitragspflichtigen, die bereits Erschließungsbeiträge für ihre Erschließungsanlagen gezahlt haben, und solchen, für deren zum Teil seit Jahrzehnten bestehenden Erschließungsanlagen bislang keine Erschließungsbeiträge erhoben wurden?

­ Wenn ja, welche Konsequenzen zieht er daraus?

­ Wenn nein, warum nicht?

Nein. Die beitragsrechtlichen Sachverhalte sind an jeder Straße anders, sodass eine Vergleichbarkeit in der Regel nicht besteht. Im Ergebnis muss jedoch einmal für jedes erschlossene Grundstück ein Erschließungsbeitrag gezahlt werden.

5. Führt die zuständige Behörde bereits das vom Rechnungshof empfohlene Straßenzustands- und Beitragskataster?

­ Wenn ja, seit wann und mit welchem Ergebnis?

­ Wenn nein,warum nicht?

Vgl. Drs. 18/3427. Seit der Aufstellung des Straßenkatasters im Jahre 1999 wurde die Zahl der unfertigen Straßen kontinuierlich von 2100 auf derzeit 1300 verringert.

6. Wurden nach dem Bericht des Rechnungshofes in vertretbaren Fällen die Bauprogramme bis auf die Mindestanforderungen des § 49 HWG reduziert, um so die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die endgültige Herstellung zu ermöglichen und zudem die Kosten für die Anlieger gering zu halten?

­Wenn ja, in welchen Fällen und inwieweit wurden bereits Erschließungsbeiträge festgesetzt?

­Wenn nein, warum nicht? Inwieweit wird die zuständige Behörde hiervon noch Gebrauch machen?

7. Wurde nach dem Bericht des Rechnungshofes von der zuständigen Behörde geprüft, welche Fälle sich für eine Abrechnung im Wege der Kostenspaltung gemäß § 48 HWG eignen?

Es ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der angespannten Haushaltslage die Bauprogramme für die Herstellung der Straßen im gesamten Stadtbereich grundsätzlich an den Mindestanforderungen des § 49 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) orientieren. Dabei werden die Mindeststandards aus technischer Sicht durch die anzuwendenden Planungshinweise für die Herstellung von Stadtstraßen in Hamburg (PLAST) und die Entwurfsrichtlinien für den Ausbau von Straßen konkretisiert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.