Wohnungsbau

Nun wird ja hier sehr oft diskutiert, ob man dann nicht schaffen kann, dass man Baugebiete ausweist und dann die Leute, den Mittelstand, den man in diesen Stadtteilen so dringend braucht, automatisch in diese Baugebiete ziehen wird.

Das ist in Hamburg zumindest in einem Stadtteil, in dem ich wohne, ein Projekt, dass man 700 Wohneinheiten auf einem Gelände schaffen will und dann hofft, dass der Stadtteil dadurch sozial aufgewertet wird. Meine zwei Fragen in dem Zusammenhang:

Gibt es da eigentlich Erfahrungen vielleicht aus anderen Städten, in denen so etwas funktioniert hat? Und das Zweite, wäre es dann nicht auch notwendig, das Programm der sozialen Betreuung dieses Stadtteils dann weiterzuführen?

Vorsitzender: Ja, wer möchte antworten? Herr Habermann-Nieße.

Herr Dr. Habermann-Nieße: Zwei Beobachtungen kann ich dort formulieren. Die eine ist, dass in Hannover-Vahrenheide gerade ein Hochhaus mit 270 Wohnungen abgerissen wurde. Und dort wird jetzt eine Reihenhausgruppe nachentwickelt und die Reihenhausgruppe vermarktet sich nicht schlecht. Das sind nämlich die Personen, die auch in solchen Quartieren gewohnt haben, da sie ja in der Regel auch gemischt genutzte Quartiere waren, die Großwohnsiedlungen auch der Siebzigerjahre. Es waren ja nicht reine Geschosswohnungsbauanlagen. Die haben da mit einem Mal den Raum wiedererobert, den sie sowieso immer, diese Rolle, die sie neben der Großwohnanlage gehabt haben, die nehmen die jetzt mit einem Mal ein. Das scheint zu klappen.

Das zweite Beispiel, das ich habe, ist: Wir arbeiten gerade mit unserem Büro im Stadtumbau West in Wilhelmshaven. Und dort ist ein großes Quartier mit 8000 Einwohnern mit ungefähr 3000, 4000 Wohnungen. Das wird im Moment von dem Nachfolger des kommunalen Wohnungsunternehmens in Eigentumswohnungen umgewandelt. Das ist ein Quartier von 1936, zweigeschossige Bauweise. Und wir haben jetzt mehrere Stadtteilkonferenzen dort durchgeführt und die Leute sagen, es war ein Glück, dass jetzt verkauft wird, unsere Kinder konnten jetzt in diesem, zugegeben in Wilhelmshaven sehr schwachen, Wohnungsmarkt mit einem Mal in der Nähe unserer Eltern Eigentum erwerben.

Das hat uns ein bisschen überrascht und das hat dem Stadtteil auch eine stabilisierende Funktion gegeben. Wir reden eigentlich immer bei Stadtteilentwicklungskonzepten in sozialen Quartieren auch von Diversifizierung der Eigentümerstruktur. Darüber haben wir auch einmal vor Jahren hier in Hamburg im Amt für Wohnungswesen einen Kongress gemacht. Das scheint mir auch ein Thema zu sein, das in der Zukunft nicht untragfähig ist.

Vorsitzender: Frau Duden eine Nachfrage?

Abg. Frau Duden: Ja, ich habe eine Nachfrage dazu. Und insbesondere würde ich das unter die Überschrift „Beschwerdemacht" stellen. Es ist ja oft so, dass man in diesen Stadtteilen Sachen durchsetzen kann, die man in anderen Stadtteilen nicht durchsetzen kann, weil die Bewohner es nicht gewohnt sind, ihre Stellungnahmen klar rüberzubringen. Und in diesem Zusammenhang würde ich gerne noch einmal fragen, es ist ja oft so, dass man, wenn man Schulen und Standorte schließt oder auch Bücherhallenstandorte oder auch andere Standorte, dann allzu leicht auch in diese Gebiete geht. Und dann müsste man doch eigentlich, wenn man Bildung in diesen Stadtteilen so wichtig findet, davon ausgehen, dass man auch dort alle Schulangebote und zum Beispiel auch sehr viel Stadtteilkulturangebote weiterhin aufrecht hält. Das ist in Hamburg im Augenblick nicht immer durchgängig gut zu erkennen.

Vorsitzender: Das war eben ein Statement, aber ­ dann Herrn Brinkmann, der die Hamburger Verhältnisse auch sicherlich noch besser kennt.

Herr Brinkmann: Ja, ich wollte noch eine Anmerkung machen zu der vorherigen Frage von Frau Duden. Natürlich ist es notwendig. Und es zielt auch ein bisschen auf Herrn Lieven. Allein das Programm bewirkt relativ wenig. Wir brauchen ganz dringend und das hat sich nicht nur in Hamburg gezeigt, auch anderswo, die ganz enge Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft. Wenn die Investitionsprogramme der Wohnungswirtschaft in solchen Stadtteilen nicht mit dem Programm abgestimmt werden, dann haben wir ein dickes Problem, meine Damen und Herren. Das geht alle

Bereiche an, die die öffentliche Hand unterstützt. Und dann ist es natürlich ein großes Malheur, wie im Sommer hier passiert, dass in Stadtteilen Schulen geschlossen werden, in denen vorher Wohnungen für Familien gebaut worden sind. Das habe ich als etwas schwierig empfunden, gelinde gesagt, wie das passieren konnte.

Auf der anderen Seite ist diese Intention, mit dem Programm etwas zu bewirken, natürlich umso besser dann, je früher man anfängt. Die Wohnungswirtschaft hat langfristige Investitionsprogramme in solchen Gebieten und überlegt sich genau, wann und wie sie investiert. Und je früher man in die Abstimmung mit der Wohnungswirtschaft geht und sich im Klaren darüber ist, welche Funktion ein Quartier für den Stadtraum insgesamt hat, desto besser gelingt es, dass solche Maßnahmen erfolgreich sind. Je später man anfängt, desto größere Probleme hat man, überhaupt etwas zu erreichen.

Und dann gebe ich Andreas Pfadt Recht, dann wird es nur noch darum gehen, zu lindern statt zu verbessern und aufzuwerten. Danke.

Vorsitzender: Vielen Dank. Dann hatte Frau Köncke eine Frage.

Abg. Frau Köncke: Wir haben ja jetzt so eine überraschende Übereinstimmung darüber, dass aktive Stadtteilentwicklung ganz wichtig ist. Und etwas anderes haben wir auch nicht erwartet, da stehen wir natürlich auch alle zu. Ich muss sagen, ich bin doch ein bisschen enttäuscht so über die Statements, die hier gebracht worden sind. Wir haben ja doch relativ lange eine Erfahrung über sozusagen Stadtteilentwicklung. Es wurde gesagt, es wurde viel evaluiert, es wurde viel ausgewertet. Und da hätte ich mir jetzt eigentlich gewünscht, dass auch deutlicher gemacht wird, wo sind eigentlich neue Ansatzpunkte, wo sind eigentlich Grenzen der sozialen Stadtteilentwicklung.

Wenn ich mir jetzt einfach den Punkt „Integration" herausnehme, wir kommen sicherlich noch genauer darauf, aber der Punkt zum Beispiel „Integration", was bedeutet eigentlich Integration, wo sind die Grenzen der Integration, wie weit wollen wir das eigentlich auch, was sind da eigentlich unsere Ziele. Da hätte ich mir von Ihnen jetzt eigentlich gewünscht, in der ersten Runde zu sagen, so das haben unsere Erfahrungen gebracht und daran wollen wir weiter arbeiten. Also, ich hätte mir ein bisschen was Konkreteres darin gewünscht. Aber vielleicht, Herr Dr. Mayer, Sie hatten gerade ausdrücklich zur Evaluation gesprochen, vielleicht können Sie da noch einmal vielleicht ein, zwei Punkte herausgreifen.

Vorsitzender: Also, wir hatten ja den Fragenkatalog so gefasst, dass wir noch konkreter werden können, insofern würde ich nicht so früh persönlich von Enttäuschung reden wollen. Wir werden ja noch viel Gelegenheit haben, Fragen beantwortet zu bekommen. Jetzt war Dr. Mayer konkret angesprochen und dann hatte sich außerdem Herr Dr. Pfadt gemeldet.

Herr Dr. Mayer: Ja, ich hatte ja in der Evaluation einige Dinge auch beschrieben, was bisher Praxis ist in den Stadtteilen, was in den bisherigen Quartieren, also die, die ich untersucht habe, gemacht wurde, was für Projekte da gemacht wurden. Und das ist auf jeden Fall auch eine Erfahrung, was es zum Beispiel in diesem Bereich „Integration" von Migranten für Möglichkeiten gibt, Projekte zu machen. Frau Becker hatte ja gesagt, man sagt allgemein, auch für andere Bundesländer, das ist ein Bereich, der in Zukunft größerer Schwerpunkt sein soll. Das würde ich auch sagen. Er ist noch nicht überall Schwerpunkt, auch noch nicht in allen Quartieren. Aber es gibt eben durchaus Erfahrungen, welche Art von Projekten man da machen kann. Und das ist mir auch in der Programmdrucksache aufgefallen, viele Dinge, mit denen gute Erfahrungen gemacht wurden in der Praxis und die sozusagen selbstverständlich sind, werden jetzt gar nicht mehr erwähnt. Diese ganzen Standards, die sich in Hamburg bewährt haben, wie zum Beispiel, dass mit Quartier-Entwicklungskonzepten gearbeitet wird, dass diese externen Quartiersmanager eingesetzt werden, dass diese Beiräte existieren und wie die funktionieren, das sind Dinge, die sozusagen schon selbstverständlich sind und da sind gewisse Standards da. Das kann man verbessern und man kann auch in der Praxis immer darüber nachdenken, wie man das in einzelnen Fällen noch besser machen kann. Aber das sind praktisch Standards, die schon selbstverständlich sind und die deswegen jetzt in einer Programmformulierung eigentlich, außer, dass sie erwähnt werden, gar nicht mehr ausgeführt und auch gar nicht mehr geregelt werden müssen. Sondern da sind, glaube ich, Standards entstanden, hinter die man auch nicht mehr zurückfällt.

Vorsitzender: Herr Dr. Pfadt und dann Frau Dr. Becker.

Herr Dr. Pfadt: Wir teilen Ihre Enttäuschung deshalb nicht, weil wir finden, dass bestimmte Problembereiche, die in den Quartiersentwicklungen gelöst werden müssen, sich nicht schon im Detail in dieser Programmdrucksache niederschlagen können.

Also gerade so ein Bereich wie Integration, es wäre falsch, wenn in der Programmdrucksache da schon konkrete Ziele, Maßnahmen und so etwas ausgeführt worden wären, weil unsere Erfahrung ist, dass man mit vorgegebenen Rezepten immer schwerer auf die unterschiedlichen Problemlagen reagieren kann. Es ist richtig, dort das Ziel zu setzen und wie das im Einzelnen umgesetzt wird, wird ja dann über die Quartiersentwicklungskonzepte und über den Dialog vor Ort sich weisen. Die Zielsetzung ist ohnehin ambitioniert und anspruchsvoll genug und da ist es nicht ein Problem der Drucksache oder ihrer Formulierung, sondern es ist letztlich unser Problem, die wir das dann vor Ort auch umsetzen müssen, ob wir das gebacken kriegen.

Insofern hat sich unsere positive Stellungnahme zum Programm ja auch darauf bezogen, dass sie in Teilen offener als die vergangene formuliert worden ist, sowohl, was die Bürgerbeteiligung betrifft, kann man enttäuscht sein, dass da so wenig drinsteht, aber ich würde zum Beispiel davon abraten, dass da ein Beteiligungsmodell propagiert würde, das dann alle anzuwenden haben. Das widerspricht allen Erfahrungen.

Und genauso würde es allen Erfahrungen widersprechen, ein Integrationsmodell oder Ähnliches dort festzulegen. Das muss der Praxis vorbehalten bleiben.

Vorsitzender: Ja, vielen Dank, Herr Dr. Pfadt. Frau Dr. Becker bitte.

Frau Dr. Becker: Ich würde gern die beiden wichtigen Bereiche Integration und Bildung, auf die Sie ja auch reagiert haben, noch einmal aufgreifen. Das sind ja beides gesellschaftliche Zukunftsaufgaben. Wir stehen vor einer Riesenbildungsmisere, wir stehen vor einem inzwischen akzeptierten Einwanderungsland, das darauf auch jetzt mit den Maßnahmen reagieren muss. Und es ist überaus deutlich geworden, dass für die Lösung von Integrationsproblemen und Bildungsproblemen der Stadtteil eine ganz grundlegende, wichtige Funktion hat. In dem neuesten Bericht zu der Lage der Ausländerinnen und Ausländer steht wunderbar zu Beginn drin, dass die Bedeutung des Stadtteils, das ist im Juni 2005 jetzt erschienen, für den sozialen Zusammenhalt und die Integration inzwischen allgemein auch auf allen unseren Ebenen, aber auch auf europäischer Ebene erkannt worden ist. Was aber bisher noch wenig funktioniert, und deswegen haben wir auch unser nächstes Info zur „Sozialen Stadt" unter das Stichwort „Integration" gestellt, ist die Vernetzung einerseits von Integrationspolitik der Beteiligten in Bezug auf Integration mit Stadtteilpolitik. Und das Gleiche gilt für Bildung auch. Die Bildungspolitik ist teilweise überhaupt noch nicht sozialräumlich bezogen und die Vernetzung und Verknüpfung zwischen diesen stadtteilentwicklungspolitischen Ansätzen und den bildungs- bzw. integrationspolitischen Ansätzen muss gestützt werden. Und ich denke, in vielen Gebieten der „Sozialen Stadt" sind bundesweit bereits wunderbare Beispiele entstanden. Vielleicht nur ein Hinweis, sowohl in Hessen als auch in Nordrhein-Westfalen, die haben ihre Evaluierungsstudie auf verschiedene Bestandteile konzentriert, spielt Bildung im Stadtteil bei Evaluierung eine Sonderrolle, wird also gezielt daraufhin angesehen.

Einen Hinweis möchte ich vielleicht geben, in unserer Informationsplattform, das ist unser Internetforum zur „Sozialen Stadt", gibt es eine Praxisbeispieldatenbank, in der man unter den entsprechenden Handlungsfeldern sehr gute Beispiele herausfinden kann, wo man auch sieht, was kann in den Stadtteilen gemacht werden. Vielleicht nur ein paar Punkte, die fand ich sehr interessant. Der Herr Jasper aus Nordrhein Westfalen hat im Rahmen eines Gesprächs über die Integration von Migrantinnen und Migranten und die Leistungsmöglichkeiten von „Soziale Stadt", dort war auch beteiligt das BMF SFJ mit dem LOS-Programm, was ganz wesentliche zusammenzuführende Programme sind, noch einmal gesagt, unter dem Gesichtspunkt, nämlich Integration stärken, die wichtigsten Integrationsfaktoren sind einfach Bildung, Sprache und Beschäftigung, was, wie wir aber wissen, gerade ein sehr schwieriger Bereich ist. Er hat darauf hingewiesen: Öffnung der Schulen ist ein ganz wesentlicher Bereich in Richtung Integration, nämlich auch für die Mütter. Es gibt diese wunderbaren Programme: „Mama lernt Deutsch", die dann sehr häufig in den Schulen angesiedelt sind.