Verbraucherschutz

Plausible Erklärungen für diese Bandbreiten vermochte die Verwaltung nicht anzubieten. Allein mit einem strukturell bedingten unterschiedlichen Gefährdungspotenzial der in den einzelnen Bezirken zu überwachenden Gesamtheit der Betriebe und einem daraus resultierenden unterschiedlichen Zeitaufwand lässt sich diese Spreizung nicht begründen. Bei einer Bandbreite der arbeitstäglich durchgeführten Kontrollen zwischen 4,7 und 1,9 müssen auch eine unterschiedliche Aufgabenwahrnehmung und Auslastung der Lebensmittelkontrolleure in Betracht gezogen werden.

Angesichts der Verwaltung nicht vorliegender valider Daten kann eine Ermittlung des Stellenbedarfs an Lebensmittelkontrolleuren derzeit daher nur überschlägig und modellhaft erfolgen. Der Rechnungshof hat dafür

- die Anzahl der 2004 geleisteten Kontrollen und damit eine durchschnittliche Kontrollfrequenz von weiterhin knapp zwei Überwachungen pro Betrieb und Jahr,

- ausschließlich den von der Verwaltung angegebenen maximalen Zeitaufwand von zwei Stunden je Kontrolle sowie

- den Umstand, dass die Lebensmittelkontrolleure sich fast ausschließlich mit lebensmittelrechtlichen und damit verbundenen gewerberechtlichen Kontrollen befassen, zugrunde gelegt. Auf dieser Basis ergibt sich ein möglicher Stellenüberhang bei den Lebensmittelkontrolleuren im zweistelligen Bereich.

Mehrere Bezirksämter haben geltend gemacht, sie hätten im Jahr 2004 die aus ihrer Sicht nötigen Kontrollen nicht vollständig bewältigen können. Sie wenden ein, dass den Kontrolleuren lediglich ein Arbeitszeitanteil von 45 % für Lebensmittelkontrollen zur Verfügung stehe; 30 % der Arbeitszeit entfielen auf Gewerbekontrollen, 25 % auf Innendienstarbeiten.

Der Rechnungshof hat darauf hingewiesen, dass die behaupteten Defizite bei den Kontrollen nicht nachvollziehbar sind, weil es bislang an einer risikoorientierten Einstufung der zu überwachenden Betriebe und damit an Soll-Vorgaben für die Kontrollhäufigkeit fehlt. Der von den Bezirksämtern genannte 30%ige Arbeitsanteil für allgemeine Gewerbekontrollen erweist sich als nicht realistisch, weil fast alle von den Lebensmittelkontrolleuren zu überwachenden Betriebe dem Lebensmittelbereich zuzuordnen sind.8 Ein Innendienstanteil von 25 % der Arbeitszeit erscheint weit überhöht, zumal die Abarbeitung der Überwachungsergebnisse im angegebenen maximalen Zeitaufwand pro Überwachung von zwei Stunden enthalten ist. Nach alledem ist es nicht plausibel, warum die danach möglichen mindestens vier Überwachungen je Kontrolleur und Tag in fünf Bezirksämtern z.T. deutlich unterschritten wurden.

8 Ausnahmen stellen nur die Pfandleiher und Waffenhändler dar.

Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Jahresbericht 2006

Möglicher Stellenüberhang

Der Rechnungshof hat die Verwaltung daher aufgefordert, den dargestellten Bandbreiten näher nachzugehen und in diesem Zusammenhang

- die Zahl der zu überwachenden Betriebe und die durchgeführten Kontrollen9 ­ einstweilen mit „Hamlet" (vgl. Tz. 150) ­ nach Art, Umfang, Tiefe und Zeitbedarf zu erfassen,

- die erhobenen Daten risikoorientiert, aufgabenkritisch und mit Blick auf die mögliche Straffung von Abläufen systematisch zu hinterfragen und die sich daraus ergebenden Kennzahlen kontinuierlich bezirksübergreifend zu vergleichen (Benchmarking),

- die geforderten Daten auch für eine laufende Steuerung der Aufgabenwahrnehmung einzusetzen,

- auf dieser Grundlage zu einer praktikablen Feststellung des Personalbedarfs zu gelangen und

- einen sich danach ergebenden Überhang an Personal abzubauen.

Die Verwaltung räumt ein, dass ihre aktuelle Datenlage ausreichende quantitative und qualitative Kennzahlen und damit eine fundierte Aussage zur notwendigen Ausstattung mit Lebensmittelkontrolleuren derzeit nicht zulasse.

Die Bezirksämter haben erklärt, dass sie zurzeit aussagefähige Betriebszahlen ermittelten. Die Risikobewertung der Betriebe als Voraussetzung für die Bestimmung von Soll-Kennzahlen laufe derzeit.

Die Finanzbehörde stimmt dem Rechnungshof zu, dass zumindest Orientierungspunkte für die Ausstattung der Bezirksämter mit Lebensmittelkontrolleuren vorliegen müssen. Sie habe zwischenzeitlich ein Gutachten zur Optimierung der Verbraucherschutzämter insgesamt in Auftrag gegeben. Auf dessen Grundlage solle eine einheitliche Binnenstruktur der Verbraucherschutzämter bis Mitte 2007 geschaffen und damit die Möglichkeit verbunden werden, aussagefähige Kennzahlen- und Ausstattungsvergleiche sowie ein effektives Benchmarking zwischen den Bezirksämtern zu entwickeln.

Aufgabenwahrnehmung in den Bezirksämtern

Vier Bezirksämter setzen Außendienstkoordinatoren ein, die u.a. die Kontrollbezirke und die zu kontrollierenden Betriebe festlegen sowie die einheitlich in Betrieben zu ziehenden so genannten Planproben10 auf die Lebensmittelkontrolleure verteilen.

Neben anlassbezogenen Verdachts- und Verfolgsproben entnehmen die Lebensmittelkontrolleure die nach Art und Umfang von der Arbeitsgemeinschaft „Planproben" (BWG, Institut für Hygiene und Umwelt und Bezirksämter) gemeinsam festgelegten so genannten Planproben (vgl. dazu Tz. 149). kontrolleur oder die Lebensmittelkontrolleure gemeinsam. Bereits 1997 hatte der Rechnungshof den Verzicht auf den Einsatz besonderer Außendienstkoordinatoren empfohlen.11 Der Senat hat seine damalige Zusage, die Stellen für die Leitung des Außendienstes abzubauen12, bislang nur z.T. umgesetzt.

Auch bei seiner aktuellen Prüfung hat der Rechnungshof keine Vorteile des Einsatzes besonderer Außendienstkoordinatoren feststellen können und deshalb seine Empfehlung bekräftigt.

Die Verwaltung hat dargelegt, dass die Außendienstkoordinatoren als Abschnittsleiter für den Außendienst weitere Tätigkeiten wahrzunehmen hätten, die schon wegen ihres qualitativen Anspruchs eine Übertragung auf Lebensmittelkontrolleure nicht zuließen.

Der Rechnungshof hat auf die frühere und z.T. erfüllte Zusage des Senats hingewiesen: drei Bezirksämter kommen zwischenzeitlich ohne diese Stellen aus.

Die von den Bezirksämtern anlassbezogen genommenen und zur Untersuchung weitergeleiteten Proben (vgl. Tz. 149) weisen erheblich voneinander abweichende Beanstandungsquoten auf. So führten Proben aus einem Bezirksamt zu 16 %, die aus einem anderen Bezirksamt zu 29 % und damit fast doppelt so häufig zu Beanstandungen. Dieser auffälligen Spreizung der Probenergebnisse sind weder die Bezirksämter noch die BWG nachgegangen.

Der Rechnungshof hat die Verwaltung aufgefordert, die der Spreizung zugrundeliegenden Ursachen, die auch in einer unterschiedlich effektiven Vorgehensweise der Lebensmittelkontrolleure begründet sein könnten, zu ermitteln und die gebotenen Konsequenzen ­ etwa in Form zusätzlicher Schulungen ­ zu ziehen.

Die Bezirksämter sehen verschiedene mögliche Ursachen und wollen die Entwicklung weiter beobachten.

Auch in der Quote der verfolgten Ordnungswidrigkeiten unterscheiden sich die Bezirksämter erheblich: Sie reicht von 1,4 % der Betriebe in einem Bezirksamt bis zu 26,4 % in einem anderen.

Diese auffälligen Unterschiede sind von der Verwaltung insbesondere mit unter den Bezirken unterschiedlichen Strukturen der zu überwachenden Betriebe begründet worden. Sie hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass jeder Einzelfall für sich betrachtet werden müsse und Maßnahmen nur individuell getroffen werden könnten.

Die nicht näher belegten Strukturunterschiede vermögen die aufgezeigte Bandbreite nicht vollständig zu erklären. Vielmehr lässt die Bandbreite auch entweder auf unterschiedliche Erfolge im Erkennen von Ordnungswidrigkeiten oder aber bei ihrer Verfolgung und damit in jedem Fall auf eine Ungleichbehandlung der Betriebe schließen. Auf die rechtsstaatliche Bedenklichkeit einer solchen 11 Jahresbericht 1998, Tz. 399.

Bürgerschaftsdrucksache 16/2529 vom 25.05.1999, S. 18.

Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg Jahresbericht 2006