Prüfungs- und Studienordnungen

Nach Auffassung des Rechnungshofs kann sich dieses Kriterium nicht nur auf das durch die Prüfungs- und Studienordnungen vorgegebene, an der Regelstudienzeit orientierte Mindest-Angebot beziehen. Hinter dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung steht vielmehr der Anspruch, das Lehrangebot in den betreffenden Fächern uneingeschränkt zu erhalten und den Studierenden das gewohnte Maß an freier Studiengestaltung einschließlich Auswahlmöglichkeiten zu gewährleisten. Das Spektrum an Lehrveranstaltungen muss trotz der Gewährung von Forschungssemestern ungekürzt und in der bisherigen Breite, Tiefe und Vielfalt des Lehrstoffes erhalten bleiben.

Durch die Gewährung von Forschungssemestern wird das Lehrangebot der Hochschullehrer insgesamt verringert. Der Ausfall in der Lehre während des Forschungssemesters wird in der Regel nicht durch zusätzliche Angebote von Kollegen aufgefangen. Auch der Antragsteller selbst sichert regelmäßig das Lehrangebot nicht, da er keine zusätzlichen Veranstaltungen vor oder nach dem Forschungssemester anbietet.

Nach Umsetzung der Hochschullehrer-Langfristplanung und der damit in einigen Bereichen einhergehenden Stellenreduzierungen erscheint fraglich, ob bei Fächern mit hoher Lehrnachfrage weiterhin wie bisher verfahren werden kann. Um Einbußen an Lehrkapazität zu vermeiden, wird es notwendig werden, Vertretungen ganz oder teilweise zusätzlich zu der eigenen Lehrverpflichtung zu übernehmen. Alternativen dazu ­ z. B. Einschränkung des Angebots an Wahlpflichtfächern oder Öffnung von Veranstaltungen ­ würden im Ergebnis zu Beeinträchtigungen der Qualität des Gesamtlehrangebots führen, die im Interesse der Studierenden nicht hingenommen werden sollten.

Die geprüften Anträge auf Gewährung von Forschungssemestern enthielten ­ wenn überhaupt ­ in der Regel nur sehr allgemeine Aussagen zur Vertretung in der Lehre. Die zu vertretenden Veranstaltungen und die Namen der Vertreter wurden nur in seltenen Ausnahmefällen genannt. Da außerdem Ersatzveranstaltungen nicht als solche gekennzeichnet und nicht immer unter der gleichen Bezeichnung wie im Vorsemester angeboten wurden, war es nicht möglich, durch Auswertung der Veranstaltungsverzeichnisse den vollständigen Ersatz der durch Forschungssemester ausfallenden Veranstaltungen nachzuvollziehen.

Der Rechnungshof hat angeregt, in den Richtlinien zu regeln, dass die zu vertretenden Veranstaltungen und die Vertreter im Antrag auf Genehmigung eines Forschungssemesters benannt werden müssen. Sollte eine Vertretung nicht erforderlich sein, weil der Antragsteller z. B. selbst einen entsprechenden Ausgleich in den vorausgegangenen oder nachfolgenden Semestern gewährleistet, Parallelangebote bestehen oder die Veranstaltung ohnehin im Wechsel mit einem Kollegen gehalten wird, sind diese Gründe aufzuführen. Erst durch diese Informationen kann der Sprecher des jeweiligen Fachbereichs feststellen, ob das Lehrangebot sichergestellt ist, und eine Aussage über die ordnungsgemäße Vertretung treffen (s. Tz. ff.).

- Der Rechnungshof hat einigen Anträgen entnommen, dass Veranstaltungen während der Forschungssemester von wissenschaftlichen Mitarbeitern übernommen werden sollten. Wissenschaftlichen Mitarbeitern kann gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 nur in begründeten Fällen die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre übertragen werden. Nach Auffassung des Rechnungshofs sind Vertretungen grundsätzlich von Lehrpersonen zu leisten. Sollte ausnahmsweise eine Lehrvertretung durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter durchgeführt werden, ist dies besonders zu begründen.

Obwohl das für die Zeit des Forschungssemesters auch die Befreiung von der Prüfungstätigkeit zulässt, macht die Universität davon regelmäßig keinen Gebrauch. In Fällen, in denen Hochschullehrer z. B. durch einen Auslandsaufenthalt an der Abnahme von Prüfungen verhindert sind und eine Befreiung von dieser Verpflichtung unumgänglich ist, sollte zukünftig von den Antragstellern erklärt werden, wer während des Forschungssemesters Prüfungen abnimmt.

- Im Gegensatz zu den Bestimmungen in Hochschulgesetzen anderer Länder ist im nicht geregelt, dass die Gewährung von Forschungssemestern keinen zusätzlichen Mittelbedarf verursachen darf. Eine solche Bedingung war in einer früheren Richtlinie der Universität über die Gewährung von Forschungssemestern aus dem Jahr 1975 festgelegt, ist aber aus nicht nachzuvollziehenden Gründen gestrichen worden. Zwar hat die Universität versichert, dass sie sich weiterhin diesem Gedanken verpflichtet fühle und keine zusätzlichen Ausgaben ­ z. B. für bezahlte Lehraufträge als Ersatz für ausfallende Lehrveranstaltungen ­ tätige. Wegen der schon unter Tz. 178 festgestellten fehlenden Angaben konnte der Rechnungshof aber nicht feststellen, ob tatsächlich keine zusätzlichen Ausgaben geleistet worden sind.

Der Rechnungshof hat angeregt, bei der Neufassung der Richtlinien wieder die Bestimmung aufzunehmen, dass durch die Gewährung von Forschungssemestern keine zusätzlichen Ausgaben entstehen dürfen.

Nachweis der Notwendigkeit der Freistellungen

- In den Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass die Freistellung von den Verpflichtungen in Lehre und Selbstverwaltung ein Mittel der gezielten Förderung bestimmter Forschungsvorhaben ist, deren Durchführung anderenfalls nicht oder nicht in der gleichen Zeit möglich wäre. Daraus muss gefolgert werden, dass der Antragsteller nachzuweisen hat, warum er sein Forschungsvorhaben nicht im Rahmen seiner Dienstaufgabe, zu der neben der Lehre in einem gleichen Verhältnis auch die Forschung gehört, durchführen kann.

Nach den Richtlinien braucht der Antragsteller zu dieser Frage jedoch keine Ausführungen zu machen. In den Anträgen werden daher durchgehend auch keine entsprechenden Begründungen dazu abgegeben.

Der Rechnungshof hat gefordert, den Anforderungskatalog in den Richtlinien entsprechend zu ergänzen.

Die Bestimmung des wonach eine Freistellung in angemessenen Zeitabständen erfolgen kann, wird durch die Richtlinien dahingehend konkretisiert, dass in der Regel innerhalb von dreieinhalb Jahren nur ein Forschungssemester gewährt wird. Damit hat Bremen gegenüber anderen Bundesländern die großzügigste Regelung. Freistellungen werden dort innerhalb von vier bzw. viereinhalb Jahren nach Ablauf des letzten Forschungssemesters gewährt.

Der Rechnungshof hat anerkannt, dass diese Art der Forschungsförderung dazu beitragen kann, positive Impulse für die Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Forschungsressourcen zu geben und somit auch zur Steigerung des Drittmittelaufkommens führen kann. Neben den Bemühungen um die Forschung hat die Universität jedoch auch die Verpflichtung, die Lehre zu sichern und für eine bestmögliche Ausbildung der Studierenden zu sorgen. Hierzu bedarf es eines möglichst breiten Lehrangebots durch Professoren. Um dieses sicherzustellen, sollte auch im Hinblick auf die geplante Hochschullehrer-Langfristplanung die Gewährung von Forschungssemestern an die Zeitintervalle der anderen Bundesländer angepasst werden. Die Richtlinien sollten entsprechend geändert werden.

Ebenfalls sollte in die Richtlinien aufgenommen werden, welcher Zeitraum nach Ablauf des Forschungssemesters bis zur Pensionierung mindestens noch für Lehrtätigkeit zur Verfügung stehen muss, um sicherzustellen, dass die gewonnenen Erkenntnisse den Studierenden noch zugute kommen.

Stellungnahmen der Fachbereiche zu den Freistellungsanträgen

- Nach den Richtlinien prüfen die Sprecher der jeweiligen Fachbereiche die Freistellungsanträge auf ihre Begründetheit und legen sie mit einer Stellungnahme spätestens drei Wochen vor Beginn der Beratungen über die Lehrangebotsplanung des folgenden Semesters dem Rektor zur Entscheidung vor.

Die Stellungnahmen der Sprecher waren sehr unterschiedlich. So wurden inhaltliche Stellungnahmen zu dem Forschungsvorhaben durchweg relativ kurz bis gar nicht abgegeben. Dieses wurde von einem Sprecher z. B. damit begründet, dass er als Nicht-Fachmann zu den Anträgen wenig sagen könne.

Der Rechnungshof hat angeregt zu regeln, wie aussagefähig die Stellungnahme sein muss und von wem sie zu erstellen ist, sofern sich der Sprecher dazu nicht in der Lage sieht. Darüber hinaus sollte zukünftig auch dazu Stellung genommen werden,

· warum das Forschungsvorhaben des Antragstellers nicht im Rahmen seines Dienstumfangs abgewickelt werden kann (s. Tz. 184),

· ob für das Forschungssemester eine Teilfreistellung ausreicht,

· warum ein Forschungssemester vor Ablauf der Regelwartezeit bewilligt werden soll.

Ebenso sollte bei der Prüfung der weiteren Voraussetzungen zur Gewährung des Forschungssemesters ­ z. B. zeitliche Belastung durch Mitwirkung in der Selbstverwaltung ­ ein einheitlicher Standard für die abzugebenden Begründungen erreicht werden. Hierbei könnte ein einheitlicher Prüfbogen für die Beurteilung der Anträge hilfreich sein.

Sofern die Fachbereiche ihrem Prüfungsauftrag im Sinne der Vorschläge des Rechnungshofs sorgfältig nachkommen, kann zur Verwaltungsvereinfachung und Straffung des Verfahrens auf eine der bisher anschließend von zwei Dezernaten durchgeführten nochmaligen Prüfungen verzichtet werden.

Genehmigung durch den Rektor

- Nach den Richtlinien ergeht die Entscheidung des Rektors unter dem Vorbehalt eines entsprechenden Beschlusses des Fachbereichsrats.

Der Rechnungshof hat angeregt, die Richtlinien dahingehend zu ändern, dass die Genehmigung zur Freistellung durch den Rektor ­ wie von einem Fachbereich bereits praktiziert ­ erst nach der abschließenden Beschlussfassung über die Lehrplanung durch den Fachbereich eingeholt wird. Dies hätte den Vorteil, dass über den Antrag zunächst innerhalb des Fachbereichs abschließend beraten würde.

Darüber hinaus wären die Sprecher in der Lage, in ihren Stellungnahmen auch zur Frage der ordnungsgemäßen Vertretung des Fachs in der Lehre abschließend Stellung zu nehmen, was in 48 der geprüften Fälle nicht der Fall war.

- In den Freistellungsbescheiden des Rektors wird durchgängig auf die Berichtspflicht über das Forschungssemester hingewiesen. Gleichzeitig werden die Kriterien genannt, die dieser Bericht mindestens erfüllen muss.

In einer Vielzahl von Fällen sind die Berichte weit nach Abschluss des jeweiligen Forschungssemesters oder erst mit einem neuen Antrag erstellt worden. Dieses mag darin begründet sein, dass die Richtlinien den Zeitpunkt der Vorlage des Berichts nicht konkretisieren, sondern ihn lediglich als Begründungsunterlage für das kommende Forschungssemester fordern. Auch in den Bewilligungsbescheiden des Rektors wird auf keinen früheren Termin hingewiesen.

Der Bericht sollte zukünftig zeitnah nach Ablauf des Forschungssemesters vorgelegt werden, um die Forschungsergebnisse frühestmöglich der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ggf. die wissenschaftliche Diskussion hierüber anzuregen.

Einzelfeststellungen

- Die Prüfung hat ergeben, dass im Einzelfall ein zu großzügiger Maßstab bei der Prüfung der Voraussetzungen angelegt wurde. Triftige Einwände von Sprechern und/oder der Verwaltung wurden bei ausreichendem Beharrungsvermögen der Antragsteller in keinem Fall aufrechterhalten. So wurden Forschungssemester gewährt, obwohl sich die inhaltlichen Bedenken ­ keine starke Belastung in der Lehre, unterdurchschnittliche Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung, Fehlen der Betreuung von Examensarbeiten, unterdurchschnittliche bis keine Publikationstätigkeit ­, die bereits zu einer Ablehnung früher beantragter Forschungssemester geführt hatten, nicht wesentlich verändert hatten. In einem weiteren Fall wurde bereits nach drei Semestern erneut ein Forschungssemester gewährt, obwohl keine besonders begründete Ausnahmesituation vorlag.

Zu dieser Genehmigungspraxis mag die Vorstellung der Beteiligten beigetragen haben, dass es sich beim Forschungssemester um einen erworbenen Anspruch handele.