Als unabweisbar gilt ein Bedarf dann wenn in sachlicher und zeitlicher Hinsicht praktisch kein Entscheidungsspielraum besteht

Anlass und Zweck:

Mit dieser Drucksache bittet der Senat die Bürgerschaft um die nachträgliche Genehmigung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben nach § 37 Absatz 4 LHO.

Nach Artikel 68 Absatz 2 der Hamburgischen Verfassung in Verbindung mit § 37 LHO dürfen im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses mit Zustimmung des Senats über- und außerplanmäßige Ausgaben geleistet werden. Sie sollen durch Einsparungen bei anderen Ausgaben in demselben Einzelplan ausgeglichen werden und bedürfen der nachträglichen Genehmigung der Bürgerschaft. Diese Genehmigung ist spätestens innerhalb eines Vierteljahres, in Fällen von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung unverzüglich, einzuholen.

Voraussetzung für die Leistung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben nach § 37 LHO ist, dass diese unvorhergesehen und unabweisbar sind. Ein Bedarf ist als unvorhergesehen zu betrachten, wenn dem Grunde oder der Höhe nach so spät erkannt worden oder erkennbar geworden ist, dass Mittel im Haushaltsplan des Fälligkeitsjahres nicht mehr oder nicht in der erforderlichen Höhe ausgebracht werden konnten.

Als unabweisbar gilt ein Bedarf dann, wenn in sachlicher und zeitlicher Hinsicht praktisch kein Entscheidungsspielraum besteht. Das bedeutet, dass er sachlich unbedingt erforderlich sein muss und so eilbedürftig ist, dass eine Entscheidung der Bürgerschaft nicht mehr zeitgerecht herbeigeführt werden kann. Unabweisbar im Sinne dieser Vorschrift sind außerdem dem Grunde und der Höhe nach bestehende Rechtsverpflichtungen.

Der Senat hat mit Beschlüssen vom 30. Dezember 2005 und vom 13. Februar 2006 nach § 37 Absatz 1 LHO der Leistung von überplanmäßigen Ausgaben im Bereich des Einzelplans 4 ­ Behörde für Soziales und Familie ­ bei der Krankenhilfe in Höhe von insgesamt 4,9 Mio. Euro zugestimmt.

Die Buchungen des 13. Kassenlaufs ergaben, dass die im Deckungskreis 45 verfügbaren Ansätze in einem geringen Umfang nicht auskömmlich sein werden. Zur Begründung wird auf den Anhang verwiesen.

Es handelt sich um unvorhergesehene und unabweisbare Mehrbedarfe für gesetzliche Leistungen. Die Deckung dieser Mehrausgaben kann durch Minderausgaben an anderer Stelle im Einzelplan 4 erfolgen.

Mit dieser Drucksache bittet der Senat die Bürgerschaft nach § 37 Absatz 4 LHO um die nachträgliche Genehmigung dieser Ausgaben. Die Unabweisbarkeit der Mehrausgaben sowie ihre Deckung im Einzelnen werden im Anhang zum Petitum dieser Drucksache dargestellt und erläutert.

2. Petitum:

Der Senat beantragt, die Bürgerschaft wolle gemäß § 37 Absatz 4 LHO die im Anhang zum Petitum aufgeführten Mehrausgaben und entsprechende Ansatzänderungen im Haushaltsplan 2005 genehmigen.

Nachträgliche Genehmigung von über- und außerplanmäßigen Ausgaben nach §37 Absatz 4 LHO.

Mehrbedarfe in der Sozialhilfe (Deckungskreis 45) Hauptursache für die Mehrbedarfe in der Sozialhilfe ist, dass die Krankenkassen im Laufe des Monats November 2005 deutlich höhere Ausgaben für Krankenbehandlungskosten im Erstattungswege geltend gemacht hatten als in den Vormonaten des Jahres 2005. Im 1. Quartal 2005 betrugen die Ausgaben noch monatsdurchschnittlich rund 8,8 Mio. Euro, um dann wieder auf rund 3,6 Mio. Euro im Oktober abzusinken. Bei einer gleich bleibenden Abrechnungspraxis der Krankenkassen auf diesem Niveau hätten die Mehrausgaben in der Krankenhilfe durch entsprechende Minderausgaben bei den Hilfen zum Lebensunterhalt für Sozialhilfeempfänger und bei den Kosten für Unterkunft und Heizung für Leistungsempfänger nach dem SGB II kompensiert werden können. Auf diese Entwicklung ist bereits im Rahmen der Ausschussberatungen über den Haushaltsverlauf 2005 im Einzelplan 4 hingewiesen worden (vgl. Drucksache 18/3555). Tatsächlich rechneten die Krankenkassen jedoch im November 2005 deutlich höhere Krankenbehandlungskosten von insgesamt rund 10 Mio. Euro ab, die in ihrer Höhe so nicht zu erwarten gewesen waren. Auch nach Ausschöpfung aller Deckungsmöglichkeiten innerhalb des Deckungskreises wird daher mit einem verbleibenden Mehrbedarf in Höhe von 4,9 Mio. Euro bei den Ausgaben für Krankenhilfe gerechnet.

Für Krankenhilfe waren 2005 unter Berücksichtigung von aus 2004 übertragenen Haushaltsresten Mittel in Höhe von 36,8 Mio. Euro verfügbar.

Die Ist-Ausgaben 2005 belaufen sich nach dem aktuellen Stand auf rund 67,2 Mio. Euro. Die Mehrausgaben von 30,4 Mio. Euro können bis auf 4,9 Mio. Euro durch Minderausgaben an anderer Stelle des Deckungskreises 45 aufgefangen werden.

Minderausgaben haben sich insbesondere bei den Hilfen zum Lebensunterhalt für Sozialhilfeempfänger und bei den Kosten für Unterkunft und Heizung für Leistungsbezieher nach dem SGB II ergeben. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger liegt deutlich unter den der Veranschlagung zugrunde gelegten Annahmen; bei den Kosten der Unterkunft haben sich deutlich geringere Ausgaben pro Leistungsberechtigtem ergeben als in der Planung angenommen.

Für die überplanmäßigen Ausgaben bei der Krankenhilfe in 2005 sind im Wesentlichen zwei Faktoren maßgebend:

­ Ursächlich ist zum einen die Abrechnungspraxis der Krankenkassen, die seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar 2004 fast alle Leistungsberechtigten nach dem SGB XII betreuen. Die Krankenkassen rechnen die Leistungen quartalsweise und nachträglich ab, so dass im Jahre 2005 noch in erheblichem Umfang Leistungen aus 2004 zu begleichen waren. Dieser Effekt führte in 2005 zu höheren Ausgaben als geplant. Wegen des Wechsels der Mehrzahl der Leistungsberechtigten in die Zuständigkeit der ARGE war die Haushaltsveranschlagung 2005 reduziert worden (von 106,6 Mio. Euro auf 35,7 Mio. Euro), ohne dass die periodenfremden Zahlungen bei der Veranschlagung für 2005 berücksichtigt wurden. Dieser abrechnungsbedingte Effekt wird sich fortsetzen, aber in 2006 voraussichtlich abschwächen, da die Mehrzahl der in 2004 Leistungsberechtigten in den Zuständigkeitsbereich des SGB II gewechselt ist.

­ Zum anderen hat sich die Umsetzung von Hartz IV zum 1. Januar 2005 nachhaltig auf die Pro­Kopf-Ausgaben bei der Krankenhilfe ausgewirkt.

Erwerbsfähige Sozialhilfeberechtigte erhalten seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II und sind in der Gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Demgegenüber sind in der Sozialhilfe die Empfänger von Grundsicherung im Alter nach dem IV. Kapitel SGB XII sowie Leistungsberechtigte, die nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II sind, verblieben.

Dadurch hat sich die Anzahl derjenigen, die Krankenhilfe beziehen erheblich verringert und ihre Zusammensetzung verändert. Die Leistungsberechtigten sind überwiegend älter als der bisherige Durchschnitt in der Sozialhilfe und weisen ­ entsprechend ihrer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit ­ ein deutlich höheres Krankheitsrisiko auf (Annahme einer um mindestens 60 % höheren Morbiditätsrate gegenüber 2004 auf Grund einer Sonderauswertung der AOK Hamburg). Die Pro-Kopf-Ausgaben sind dementsprechend gestiegen.

Zudem stiegen die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneien in 2005 (rd. 15 % ihres Ausgabevolumens) um 19,1 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gründe für den Anstieg lagen vor allem in der Senkung des von der Pharmaindustrie zu gewährenden Herstellerrabattes von 16 auf 6 %. Die Kostensteigerungen wirken sich auf den Träger der Sozialhilfe in gleicher Weise aus.