Schulweghilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler

Die Behörde für Bildung und Sport (BBS) hat im November 2005 einen Entwurf zur Neufassung der Bestimmungen über Schulweghilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler vorgelegt. Zentraler Punkt dieses Entwurfes ist die offizielle Festschreibung des sog. „Zwei-Touren-Systems" bei der Organisation der Schulbusbeförderung. Die Schülerinnen werden bei diesem System nicht gleichzeitig zur Schule gebracht, sondern nacheinander: Die einen werden um 8 Uhr gebracht und um 14 Uhr wieder abgeholt, die andere werden gegen 9:30 Uhr gebracht und gegen 15.30 Uhr wieder abgeholt. Dies war zwar schon seit einigen Jahren Praxis, jedoch bisher nicht zwingend vorgegeben.

Schon seit längerer Zeit haben betroffene Eltern bzw. deren Verbände und in den Schulen Tätige dieses System kritisiert, da es zu stark zeitversetzten Anfangs- und Endzeiten des Unterrichts an den entsprechenden Schulen führt, z. T. sogar innerhalb einzelner Klassen. Dies schränkt die Möglichkeiten einer kontinuierlichen Unterrichtsgestaltung erheblich ein und führt den gesetzlichen Status der Schulen für Geistigbehinderte und der für Körperbehinderte als Ganztagsschulen ad absurdum. Durch das „Zwei-Touren-System" sowie durch die Tatsache, dass für Schulkinder der Sonderschulen kein Anspruch auf eine Hortbetreuung besteht ­ da es sich ja formal um Ganztagsschulen handelt ­, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern von Sonderschülern äußerst schwierig, wenn nicht sogar ausgeschlossen.

Von vielen Seiten wird daher seit längerer Zeit eine Neuorganisation der Schulbusbeförderung als „Ein-Touren-System" gefordert. Der o. g. Entwurf der BBS ist entsprechend auf einhellige Ablehnung gestoßen.

Die SPD-Fraktion hat dazu bereits mit mehreren Schriftlichen Kleinen Anfragen Auskunft begehrt (Drsn. 18/3235, 18/3362 und 18/3363), doch es blieben weiterhin einige Fragen offen, die für die Beurteilung der Möglichkeiten und Kosten einer alternativen Fahrten-Organisation von Bedeutung sind. Dabei nehmen wir insbesondere auf die Tatsache Bezug, dass in der im Zuge der Anfragen offen gelegten Leistungsbeschreibung, die der Ausschreibung der Fahrten zugrunde lag (Drs. 18/3362, Anlage 1), keine eindeutige Festlegung auf ein „Zwei-Touren-System" enthalten ist.

Aus diesem Anlass fragen wir den Senat:

Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Hamburger Schulwesens, Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Integrationsklassen und Sonderschulen die pädagogischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für ihre Förderung und Erziehung zu gewährleisten. Die Schulweghilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler wird entsprechend einer langjährigen Praxis und gemäß den einschlägigen Bestimmungen vom 1. Januar 2006 bezogen auf die Schulen für Geistigbehinderte und die Schulen für Körperbehinderte zeitversetzt im Zwei-Touren-System und in Bezug auf die An- und Abfahrtszeiten für ein Schuljahr verlässlich organisiert.

Alle Schulen sind gehalten, durch ihr pädagogisches Konzept sicherzustellen, dass Wartezeiten grundsätzlich vermieden werden. Die Ganztagsschulen stellen durch ihr pädagogisches Konzept außerdem sicher, dass Unterricht und ergänzende Angebote in ihrem Umfang dem Ganztagskonzept entsprechen (siehe Drs. 18/525).

Die pädagogische Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern steht dabei im Vordergrund und es wird eine angemessene Verbindung zwischen den pädagogischen und den organisatorischen Anforderungen des Schulbetriebs an diesen Schulen realisiert.

Die Schulbesuchsstunden an den Sonderschulen in Ganztagsform umfassen neben dem Unterricht eine Vielzahl individueller Förder-, Therapie- und Pflegemaßnahmen als unterrichtsbegleitende und ergänzende Angebote im Sinne des Ganztagsschulkonzeptes. Für jede behinderte Schülerin bzw. jeden behinderten Schüler wird ein individueller ­ an ihrer bzw. seiner Behinderung ausgerichteter ­ Tagesablauf gestaltet, bei dem die den Unterricht ergänzenden Maßnahmen mit den unterschiedlichen An- und Abfahrtzeiten abgestimmt werden.

An den Schulen für Körperbehinderte wird regelhaft im Zwei-Touren-System gefahren, um die umfangreichen Therapieangebote inklusive therapeutischem Schwimmen für jedes einzelne Kind sicherzustellen und zu organisieren.

Eine andere organisatorische Regelung der Tourenplanung müsste diese besonderen Bedingungen berücksichtigen und darüber hinaus Mehrausgaben in der Behindertenbeförderung vermeiden (siehe Drsn. 18/3235 und 18/3363).

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wie lautet der Ausschreibungstext für die Vergabe der Fahrtenaufträge an die Busunternehmen? Bitte in Gänze dokumentieren.

2. Wie viele Unternehmen haben sich auf die Ausschreibung beworben?

Wie viele erhielten den Zuschlag?

Dreizehn Busunternehmen haben ein Angebot eingereicht. Die Angebote von zwölf Busunternehmen wurden 1998 angenommen, ein Angebot wurde wegen fehlender Leistungsfähigkeit ausgeschlossen. Im Übrigen siehe Drs. 18/3362.

3. Bitte auflisten welche Unternehmen für die jeweils betroffenen Schulen die Touren zu Zeit durchführen.

4. Welche Kosten entstehen der Freien und Hansestadt Hamburg jährlich für die Schulweghilfe?

Im Haushaltsjahr 2005 betrugen die Kosten der Schulweghilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler insgesamt rund 4 848 000 Euro, davon Ausgaben in Höhe von 4 368 169,07 Euro bei dem Titel 3020.681.01 „Behindertenbeförderung" und Kosten in Höhe von rund 480 000 Euro für den Betrieb und das Fahrpersonal der behördeneigenen Schulbusse. Speziell für Schülerinnen und Schüler an den Schulen für Geistigbehinderte und an den Schulen für Körperbehinderte betrugen die Kosten der Schulweghilfe 2 122 228 Euro.

a) Welche Kosten entstehen jährlich pro betroffener Schule für jeweils wie viele Schülerinnen und Schüler?

5. Wie lauten die derzeit gültigen Verträge mit den beteiligten Busunternehmen? Bitte jeweils in anonymisierter Form (d. h. unter Schwärzung der jeweiligen Unternehmensbezeichnung) in Gänze dokumentieren.

Gesonderte Vertragsurkunden gemäß § 29 Verdingungsordnung für Leistungen ­ ausgenommen Bauleistungen ­ Teil A Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen wurden nicht gefertigt. Vertragliche Einzelheiten ergeben sich aus dem Muster eines Zuschlagsschreibens (siehe Anlage 2), den Verdingungsunterlagen sowie den Angeboten der Busunternehmen. Insbesondere die Leistungsbeschreibung enthält die wesentlichen vertraglichen Anforderungen (siehe Drs. 18/3362).

6. Wie lauteten die Leistungsangebote und die Angebotspreise der Unternehmen, die sich an der Ausschreibung beteiligt haben? Bitte vollständig und in Gänze jeweils in anonymisierter Form (d. h. unter Schwärzung der jeweiligen Unternehmensbezeichnung) dokumentieren.

Nach dem Geheimhaltungsgrundsatz des Wettbewerbsrechts und zur Vermeidung von Nachteilen für den hamburgischen Haushalt werden keine Angebotspreise genannt. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. sowie Drs. 18/3362.

7. Wie viele Schülerinnen und Schüler nehmen jeweils regelhaft an den Busfahrten teil? Bitte für jede regelmäßige Tour die konkrete Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufführen, und zwar differenziert nach erster und zweiter Tour am Morgen und am Mittag/Nachmittag. Bitte auch jeweils angeben, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Touren klassenweise zusammengestellt wurden, oder nach welchen anderweitigen Kriterien. Die Touren bitte jeweils so darstellen, dass deutlich wird, welche Zielorte (Schulen) mit wie vielen Touren zu welchen Zeiten angesteuert werden.

8. In welcher Weise wurden bei der Zusammenstellung dieser Touren die Schulen bzw. die betroffenen Eltern konkret mit einbezogen? Welche Mitspracherechte wurden wem hierbei konkret eingeräumt?

Einzelheiten zu den Touren ergeben sich aus der Anlage 1. Bei der Tourenplanung wird seitens der für die Behindertenbeförderung zuständigen Behörde vorrangig berücksichtigt, dass 60 Minuten Fahrzeit pro Tour nicht überschritten werden. Eine klassenweise Organisation der Touren ist nicht möglich, wenn die zu befördernden Schülerinnen und Schüler weit voneinander entfernt wohnen. Im Übrigen werden die Vorschläge der Schulen und der Eltern nach Möglichkeit berücksichtigt.

Zu den Schulen für Körperbehinderte erfolgt die Beförderung regelhaft im ZweiTouren-System. Die Klassen der Primarstufe fahren in der Regel mit der zweiten Tour, die Klassen der Sekundarstufe I fahren in der Regel mit der ersten Tour.

An den Schulen für Geistigbehinderte werden die Tourenvorschläge nach unterschiedlichen Kriterien zusammengestellt. Unter anderem sind folgende Kriterien von Bedeutung:

· Gewährleistung der vorgegebenen Schulbesuchsstunden, um den Auftrag einer Schule in einer gebundenen Ganztagsform zu erfüllen;

· organisatorische Abdeckung des zum Teil sehr hohen Pflegebedarfes und der therapeutischen Maßnahmen für die schwerst-mehrfachbehinderten Schülerinnen und Schüler;

· Berücksichtigung von Elternwünschen nach speziellen Zeiten für das Abholen oder Bringen ihrer Kinder wegen externer therapeutischer Maßnahmen, häuslichen Pflegebedarfs, Anschlussbetreuung und Problemen, die sich aus der Berufstätigkeit der Eltern ergeben.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.