Firma Medicent

Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Tanja Bestmann (SPD) vom 08.05. und Antwort des Senats

Betreff: Firma Medicent

Der Verein Medicent sowie die Medicent GmbH waren in jüngster Zeit häufig Gegenstand öffentlicher Berichterstattung. Aufgrund der Ausbildung zum Rettungssanitäter und seiner Ausbildungspraxis geriet Medicent in Kritik.

Die Behörde für Inneres (BfI) hat der Firma Medicent mit Schreiben vom 03.02.2006 mitgeteilt, dass die bei ihr durchgeführte Rettungssanitäterausbildung aufgrund gravierender Mängel bis auf weiteres nicht mehr von der BfI anerkannt wird.

Hierzu frage ich den Senat:

Im Gegensatz zu der Ausbildung zum/zur Rettungsassistenten/-assistentin auf der Grundlage des Rettungsassistentengesetzes (RettAssG) vom 10. Juli 1989 ist der/die Rettungssanitäter/-in kein einheitlich anerkanntes Berufsbild. Es bedarf keiner besonderen Berechtigung zur Durchführung der Rettungssanitäterausbildung in Hamburg.

Die Ausbildung unterliegt als solche auch keiner generellen behördlichen Anerkennung.

Eine Prüfung des Ausbildungsstandards erfolgt anlassbezogen aufgrund bestimmter gesetzlicher Vorschriften. So regelt § 21 des Hamburgischen Rettungsdienstgesetzes (HmbRDG) die Besetzung von Krankenkraftwagen und bestimmt, dass beim Krankentransport „mindestens ein Rettungssanitäter" den Patienten zu betreuen hat. Nach der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift sind Rettungssanitäter Personen, die eine Ausbildung nach den vom Bund-/Länderausschuss „Rettungswesen" am 20. September 1977 beschlossenen „Grundsätzen zur Ausbildung des Personals im Rettungsdienst" (520-Stunden-Programm) erfolgreich abgeschlossen haben. Anhand dieses Maßstabes prüft die zuständige Behörde die Qualifikation des von dem jeweiligen Rettungsdienstunternehmer auf einem Krankenkraftwagen eingesetzten Personals.

Der genannte Verein wurde in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 3. Februar 2006 darauf hingewiesen, dass bei Vorlage einer von dem genannten Verein ausgestellten Rettungssanitäterurkunde zur Bewilligung eines beabsichtigten Einsatzes eines Mitarbeiters als Rettungssanitäter auf einem Krankenkraftwagen im Interesse des Patientenschutzes zusätzlich die Vorlage der Originalnachweise bestimmter Ausbildungsabschnitte des „520-Stunden-Programms" erforderlich ist.

Eine allgemeine Ablehnung der Anerkennung der durch den genannten Verein durchgeführten Rettungssanitäterausbildungen im Rahmen der Anforderungen nach § 21 HmbRDG wurde durch die für den nicht öffentlichen Rettungsdienst zuständige Behörde nicht ausgesprochen.

Siehe im Übrigen auch Drs. 18/4198.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

I. Ausbildung zum Rettungssanitäter

1. Zu welchem Zeitpunkt hatte der Senat beziehungsweise die für das Rettungswesen zuständige BfI Kenntnis davon erlangt, dass die Ausbildung zum Rettungssanitäter der Firma Medicent nicht den Ausbildungsgrundsätzen entspricht und damit nicht anerkennungsfähig ist?

2. Wodurch wurden dem Senat beziehungsweise der BfI dieser Sachverhalt bekannt?

Siehe Vorbemerkung.

3. Hat der Senat beziehungsweise die BfI unverzüglich alle rechtlichen Schritte eingeleitet, um die Ausbildung zu untersagen? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?

Mangels besonderer Berechtigung zur Durchführung der Ausbildung zum Rettungssanitäter ist eine generelle Untersagung der Durchführung dieser Ausbildung rechtlich nicht möglich, vgl. Vorbemerkung.

4. Hat es Formen der Zusammenarbeit zwischen den Firmen afg Personal Hamburg und Medicent gegeben? Wenn ja, welche?

Entsprechende Informationen liegen der team.arbeit.hamburg/Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) nicht vor.

II. Gerichtsverfahren Medicent verklagt die Auszubildenden, die ihren Vertrag kündigen, u. a. auf die Zahlung von Schulungsgebühren in Höhe von 2900 Euro und von Vereinsgebühren.

1. Wie viele junge Menschen haben einen Ausbildungsvertrag zum Rettungssanitäter bei Medicent abgeschlossen?

2. Wie viele junge Menschen haben ihren Ausbildungsvertrag bei Medicent gekündigt?

Dem Senat liegen hierzu keine Informationen vor.

3. Bei wie vielen jungen Menschen versucht Medicent die Schulungsgebühren und die Vereinsgebühren gerichtlich einzutreiben?

Bei den Hamburger Amtsgerichten sind von insgesamt 106 Klagen des genannten Vereins sowie des genannten Unternehmens noch 23 Verfahren anhängig.

4. Wie viele Gerichtsverfahren wurden von Medicent zurückgezogen?

5. Gibt es bereits Urteile? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, wann ist mit den ersten Urteilen zu rechnen?

Die Art der Erledigung der in der Antwort zu II. 3. benannten Verfahren wird statistisch nicht gesondert erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten.

III. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen

Neben einer mangelhaften Ausbildung wird der Medicent GmbH, dem Medicent e. V. sowie dem Vereinschef Michael Sch. von Betroffenen ein betrügerisches Vorgehen vorgeworfen, etliche Strafanzeigen liegen vor.

1. Wann wurden wie viele Strafanzeigen gestellt?

2. Aus welchen Gründen wurden die Strafanzeigen gestellt?

3. Wann hat die Staatsanwaltschaft mit den Ermittlungen begonnen?

Im Wesentlichen wird durch die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Verantwortlichen des genannten Vereins und des genannten Unternehmens hinsichtlich dreier Tatkomplexe ermittelt:

Wegen des Verdachts des versuchten Betruges und der Urkundenfälschung ging bei der Staatsanwaltschaft Hamburg im Februar 2005 eine Strafanzeige ein.

In einem zweiten Verfahrenskomplex wegen des Verdachts des Betruges ging bei der Staatsanwaltschaft Hamburg eine erste Strafanzeige im September 2004 ein. Es folgten weitere Strafanzeigen, deren Anzahl sich in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht ermitteln lässt.

In einem dritten Verfahrenskomplex sind zwischen April und Dezember 2004 insgesamt vier Strafanzeigen wegen des Verdachts des Betruges erstattet worden. Darüber hinaus besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht der nicht rechtzeitigen Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 64 Absatz 1 GmbH-Gesetz).

4. Wann ist mit einem Ende der Ermittlungen zu rechnen?

Die Ermittlungen in den vorstehend aufgezeigten komplexen Sachverhalten dauern an. Der Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungen lässt sich nicht vorhersagen.

5. Welche Maßnahmen hat der Senat beziehungsweise die Justizbehörde unternommen, um ein zügiges Ermittlungsverfahren gegen die Firma Medicent durchzuführen?

Die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beschuldigten als Geschäftsführer des genannten Unternehmens werden im Bereich der ausschließlich für Wirtschaftsstrafverfahren zuständigen Hauptabteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg geführt und sind dort in einem Verfahren zusammengefasst worden. Die darüber hinaus anhängigen Ermittlungsverfahren werden zwecks einheitlicher Sachbearbeitung durch einen Staatsanwalt geführt.

6 In welcher Form ist der Firma Medicent der Krankentransport zu untersagen, wenn davon ausgegangen werden muss, dass hierbei nicht hinreichen qualifiziertes Personal eingesetzt wird?

7. Unter welchen Bedingungen können die Geschäftsräume von Medicent geschlossen werden?

Die Regelungen des Hamburgischen Rettungsdienstgesetzes sehen vor, dass bei Feststellung des Einsatzes von nicht hinreichend qualifiziertem Personal im Krankentransport trotz schriftlicher Abmahnung die Genehmigung zum Betrieb von Krankentransporten wegen Unzuverlässigkeit des Unternehmers zu widerrufen ist, § 15 Absatz 2 HmbRDG. Nach einem Widerruf der Genehmigung ist der Geschäftsbetrieb des jeweiligen Unternehmens einzustellen.

Strafrechtlich besteht die Möglichkeit der Anordnung eines vorläufigen Berufsverbots gegen einen Unternehmer gemäß § 70 Strafgesetzbuch (StGB), § 132 a Strafprozessordnung. Dies setzt einen dringenden Tatverdacht hinsichtlich der in § 70 Absatz 1 Satz 1 StGB verlangten rechtswidrigen Tat voraus und einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht die Voraussetzungen des § 70 Absatz 1 Satz 1 StGB bejahen und es für erforderlich halten wird, ein Berufsverbot anzuordnen.