Informationsreise einer Delegation des Ausschusses nach Toulouse (Frankreich)

Vom 3. bis 5. Mai hielten sich sieben Mitglieder des Europaausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft im Rahmen einer Informationsreise in Toulouse auf.

Mitglieder der Delegation waren die Abgeordneten Günter Frank (SPD), Rolf Harlinghausen (CDU), Hans-Heinrich Jensen (CDU), Rolf Dieter Klooß (SPD), Hans Lafrenz (CDU), Alexander-Martin Sardina (CDU) und Manuel Sarrazin (GAL). Die Delegation wurde von einem Mitarbeiter der Bürgerschaftskanzlei begleitet.

Hamburg pflegt zu der Region Midi-Pyrenees, deren Hauptstadt Toulouse ist, offizielle Beziehungen. So schlossen der Präsident der Region Martin Malvy und der Erste Bürgermeister Ole von Beust am 20. Januar 2004 eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Conseil Regional Midi-Pyrenees. Dieses Abkommen sollte auf das bestehende Kompetenznetz der Luft- und Raumfahrt Hamburgs, Norddeutschlands und französischer Regionen aufsetzen und die Kooperation in den Bereichen Lehre und Forschung, Wirtschaft sowie Schule und Berufsausbildung vorantreiben.

Ziel der Parlamentsdelegation war es, sich über den aktuellen Stand der Beziehungen Hamburgs zu der Stadt Toulouse und der Region Midi-Pyrenees zu informieren und darüber hinaus einen Beitrag zu der Belebung und Intensivierung der Kontakte zu leisten.

Dazu wurden Gespräche mit der politischen Ebene sowohl der Stadt Toulouse als auch der Region Midi-Pyrenees geführt. Zudem wurden Gesprächstermine mit dem Netzwerk der Universitäten der Region, mit dem Unternehmen Airbus France sowie mit Vertretern des deutsch-französischen Wirtschaftsklubs Toulouse Midi-Pyrenees wahrgenommen.

Am 3. Mai wurde die Delegation von zwei stellvertretenden Bürgermeistern von Toulouse, Frau Dounot-Sobraques und Herr Georges Estibal, im Rathaus offiziell empfangen. Frau Dounot-Sobraques ist u. a. zuständig für kulturelle Angelegenheiten.

Herr Estibal ist verantwortlich für luftfahrtpolitische Fragen und Kontakte zur Industrieund Handelskammer und zu den Berufskammern von Toulouse. Nach einem gemeinsamen Fototermin mit der Lokalpresse gingen die Abgeordneten auf die Beziehungen Hamburgs speziell zur Stadt Toulouse ein. Der Vorsitzende betonte, dass es aus Sicht Hamburgs enge, aber dennoch ausbaufähige Beziehungen zu Toulouse im wirtschaftlichen und im wissenschaftlichen Bereich sowie bei der Ausbildungskooperation gebe.

Man strebe an, die bestehenden Kontakte nicht nur mit der Region, sondern auch mit der Stadt Toulouse zu intensivieren. Herr Estibal erklärte, dass die Stadt und die Region drei wirtschaftliche Standbeine besäßen, nämlich die Luft- und Raumfahrt, den

Gesundheitssektor sowie die Landwirtschaft. Er regte an, Kontakte herzustellen zwischen der in Toulouse ansässigen Vereinigung privater und öffentlicher Unternehmen und seinem etwaigen Pendant in Hamburg, um so Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten. Zu den kulturellen Aktivitäten in Toulouse befragt, führte Frau DounotSobraques aus, dass mit ca. 110 Mio. Euro ein vergleichsweise hoher Anteil von 16 % der Haushaltsmittel für die zahlreichen kulturellen Initiativen und Veranstaltungen in der Stadt eingesetzt werde. Ein Beispiel für ein interdisziplinäres kulturelles Projekt sei die Kooperation zwischen der Oper von Toulouse und der Cite de l?Espace, einem überregional bekannten Space-Erlebnispark. Auf die Frage nach einer engeren Zusammenarbeit mit Hamburg wies sie darauf hin, dass sich die Städte Hamburg und Toulouse bereits aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe und Wirtschaftskraft auf unterschiedlicher Augenhöhe befänden. Der geeignetere Ansprechpartner für Hamburg sei aus Sicht der Stadt Toulouse daher eher die Region Midi-Pyrenees. Dennoch seien nach ihrer Auffassung durchaus punktuelle gemeinsame Aktionen z. B. auch im kulturellen Bereich vorstellbar. So führe die Stadt Toulouse bereits unter Beteiligung von Regionen Spaniens und Portugals die mit einem vielseitigen artistischen Begleitprogramm angereicherte literarische Veranstaltung „Le marathon des mots" durch, bei der Autoren aus den betreffenden Regionen aus ihren Texten läsen. Diesbezüglich sei denkbar, auch mit Hamburg zusammen zu arbeiten. Gleiches gelte für gegenseitige Ausstellungen über die jeweils andere Stadt bzw. Region. Die Abgeordneten regten einen Jugendaustausch an.

Am 4. Mai führte die Delegation zunächst ein Gespräch mit Herrn Jean-Luc Basille, Direktor des regionalen Universitätsnetzwerks („Reseau universitaire Toulouse MidiPyrenees"). Herr Basille stellte der Delegation die vielfältige Hochschullandschaft von Toulouse vor, die einen Schwerpunkt auf den Ingenieurswissenschaften erkennen lasse. Toulouse sei mit fünf Universitäten, 13 polytechnischen Instituten und Ingenieurshochschulen, zwei Universitätskliniken sowie ca. 120 000 Studenten der zweitgrößte Hochschulstandort Frankreichs nach Paris. Toulouse habe eine besondere Anziehungskraft für Postgraduierte und Doktoranden. Das Netzwerk vertrete die Universitäten nach außen und kümmere sich um ausländische Studenten auch in sprachlicher Hinsicht, biete aber gleichzeitig Sprachförderung für eigene Studenten, Forscher und Wissenschaftler an, die von Frankreich aus ins Ausland gehen wollten. Man kooperiere besonders eng im Rahmen der bestehenden Städtepartnerschaften mit Tel Aviv, Atlanta und Chongqing in China sowie im Verbund der Euroregion PyreneesMediterranee, welche die französischen und spanischen Regionen Aragón, Katalonien, Balearen, Languedoc-Roussillon sowie Midi-Pyrenees umfasse. Für den Bereich der Luft- und Raumfahrt habe sich Toulouse zum wichtigsten Hochschulstandort Frankreichs entwickelt. So seien in Toulouse das nationale Zentrum für Raumfahrtstudien, zwei Luftfahrthochschulen sowie die die nationale Schule für die Pilotenausbildung (ENAC) beheimatet. Des Weiteren sei die INSA zu erwähnen, Hochschule für angewandte Wissenschaften und Ingenieursausbildung. Dort sei wie auch an anderen Hochschulen der Bologna-Prozess in Form des Bachelor-Master-Systems einschließlich ECTS (European Credit Transfer and Accumulation System) weitgehend umgesetzt worden. Zur Beziehung zwischen Staat und Universitäten befragt, erläuterte Herr Basille, dass letztere eine gewisse Autonomie besäßen. Die Universitätspräsidenten würden durch die Universität selbst bestimmt, während die Präsidenten der übrigen Hochschulen durch das zuständige Ministerium in Paris ernannt würden. Auf Nachfrage erklärte Herr Basille weiter, dass die Studiengebühren jedenfalls der öffentlichen bzw. staatlichen Universitäten und Hochschulen für Franzosen und EU-Ausländer gleich hoch seien. Zurzeit lägen sie bei etwa 550 Euro im Jahr. Abschließend merkten die Abgeordneten an, dass es entgegen der Zielsetzung des zwischen Hamburg und Midi-Pyrenees 2004 geschlossenen Abkommens, die Kooperation zwischen den Universitäten der Regionen zu stärken, kaum zu fruchtbaren Kontakten gekommen sei.

Dies hätten augenscheinlich auch die Bemühungen der TU Harburg nicht grundlegend ändern können. Herr Basille sagte zu, sich bei den Hochschulen nach dem Stand der Beziehungen zu erkundigen und Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten.

Der Folgetermin führte die Delegation zu Airbus France. Dort erhielt die Delegation zunächst eine eingehende Präsentation der Produktpalette und der Geschäftsentwicklung von Airbus. Das Unternehmen stehe zurzeit sehr gut am Markt und liege mit dem weltweit einzigen Wettbewerber Boeing Kopf an Kopf, so der Vice President Governmental Affairs, Herr Dr. Gerald Fock. Die Auftragsbücher von Airbus seien jedenfalls für einen Produktionszeitraum von fünf Jahren gefüllt. Zurzeit stelle man mit weltweit rund 55 000 Mitarbeitern etwa 34 Flugzeuge im Monat her. Die Produktion sei insbesondere durch die Herstellung des neuen Großraumflugzeugs A380 und den Bau von Militärtransportflugzeugen ausgelastet. Man müsse nun analysieren, wie den Bedürfnissen des Marktes entsprechend auch Kapazitäten für die Weiterentwicklung etwa des A350 freigesetzt werden könnten. Eine große Herausforderung bestehe in der Eroberung neuer Märkte in Russland, in China und insbesondere in Indien, dessen Wirtschaft sich in den letzten Jahren überraschend stark entwickelt habe. Dazu sei es erforderlich, die in diesen Ländern bestehenden und sich entwickelnden Kompetenzen im Luftfahrzeugbau einzubinden und aus der reinen Zuliefererrolle herauszuholen. So entstehe zurzeit eine Endmontagelinie in China, möglicherweise demnächst auch in Russland, welches z. B. in Fragen der Strömungstechnik weltweit führend sei. Zu dem von Boeing gegen Airbus angestrengten Klagverfahren wegen angeblicher unzulässiger Subventionierung des europäischen Flugzeugbauer hieß es, dass die vorgebrachten Gründe haltlos seien. Man sei im Gegenteil der Auffassung, dass Boeing seinerseits wesentlich stärker staatlich subventioniert werde, die finanziellen Strukturen aber weitaus intransparenter seien als bei Airbus. Auf weitere Nachfrage erklärte Herr Dr. Fock, dass die bevorstehende Verringerung der indirekten Beteiligung von Daimler-Chrysler an Airbus seiner Ansicht nach keine strategisch-politisch relevanten Auswirkungen haben werde.

Darauf folgend wurde auf Wunsch der Delegation die internationale Ausrichtung des internen Ausbildungssystems von Airbus ausführlich vorgestellt. Herr Eric Lauth, französischer leitender Angestellter der Personalabteilung erklärte, dass die Ausbildungssysteme in den Sitzstaaten von Airbus von jeher sehr unterschiedlich gewesen seien.

Zudem sei die Berufsausbildung in Frankreich nach wie vor vergleichsweise unterentwickelt. Andererseits habe Airbus France 2/3 derjenigen Jugendlichen ausgebildet, die das „Airbus private vocational college" durchlaufen haben. Bereits seit den siebziger Jahren gebe es eine deutsch-französische Ausbildungskooperation in Form des „Industrial Exchange Programms for Apprentices", an dem bis dato mehr als 800 Jugendliche teilgenommen hätten. Im Jahre 2001 sei erstmals ein neu konzipiertes interkulturelles Training für Auszubildende auf der Nordseeinsel Juist, zunächst mit Jugendlichen aus Deutschland und Frankreich, durchgeführt worden. Später habe Airbus das Programm auf Jugendliche aus Großbritannien und Spanien ausgedehnt.

Ziel des Programms sei ein Zusammenwachsen der Unternehmensbestandteile und ihrer Mitarbeiter durch die Förderung von Flexibilität und Mobilität, von Sprachkenntnissen, des gegenseitigen Verständnisses sowie der Sensibilität gegenüber anderen Kulturen. Das Programm gliedere sich in vier „steps" bzw. Stufen. Stufe eins beinhalte einen eintägigen Einsteigerkurs zu Aspekten interkultureller Zusammenarbeit für alle Auszubildenden („Basics"). Auf Stufe zwei nehme ein Teil der Auszubildenden an einem zweiwöchigen Austausch und/oder an einem interkulturellen Training, etwa auf Juist oder an anderen Standorten, teil („First international contacts"). Die Auswahl werde anhand von Sprachkenntnissen und fachlichen Leistungen getroffen. Im Rahmen des Austausches lebten die Jugendlichen in Gastfamilien und begleiteten einen ausländischen Kollegen zwei Wochen lang in dessen Betrieb. Mit Stufe drei sei ein „learning abroad" verbunden, d. h. ein vorübergehender Aufenthalt an einem Standort im Ausland für einen begrenzten Ausbildungsabschnitt. Diese Stufe sei erst im letzten Jahr in die Praxis umgesetzt worden. In diesem Rahmen besuchten junge Auszubildende aus dem Ausland auch regelmäßig den Standort Hamburg-Finkenwerder. Zusätzliches Auswahlkriterium sei die ernsthafte Bereitschaft, nach der Ausbildung auch im Ausland zu arbeiten. Stufe vier befinde sich hingegen noch in der Planungsphase.

In dieser Stufe sollten die Jugendlichen unmittelbar nach Beendigung ihrer Ausbildung im eigenen Land ihre erste Tätigkeit an einem ausländischen Standort des Unternehmens aufnehmen („Short term employment abroad"). Dieser erste Arbeitsplatz solle auf einen überschaubaren Zeitraum befristet und mit einer Rückkehrgarantie zum entsendenden Standort verbunden sein. Das Programm werde von Airbus unter Einbeziehung von Mitteln aus „Leonardo", Förderprogramm der EU für die Berufsbildung, sowie Hilfen der beteiligten Regionen finanziert. Schließlich wies der Referent auf ein weiteres Programm von Airbus zur Optimierung der fachlichen Fähigkeiten hin, welches einen Abgleich der in den verschiedenen Ländern im Rahmen der Berufsausbildung geforderten Kompetenzen vorsehe.