Videoüberwachung in den Polizeikommissariaten: Hat die Polizeiführung das neue Polizeirecht ausreichend bekannt gemacht?

Das novellierte Polizeirecht hat die Möglichkeiten der Videoüberwachung in den Polizeikommissariaten erweitert ­ hierüber gab es in den Polizeirechtsberatungen auch Einvernehmen zwischen CDU-Fraktion und SPD-Fraktion.

Nach § 8 Abs. 4 PolDVG darf die Polizei hiernach „...von Personen, die sich in amtlichem Gewahrsam befinden, durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen längstens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen Daten erheben, wenn dies zum Schutz der Betroffenen oder der Vollzugsbediensteten oder zur Verhütung von Straftaten in polizeilich genutzten Räumen erforderlich ist. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Eingriffe in ein durch Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53, 53 a der Strafprozessordnung sind unzulässig. Bild- und Tonaufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen, soweit sie nicht für Zwecke der Strafverfolgung benötigt werden."

Nun wurde bekannt, dass im Polizeikommissariat 25 offenbar wochenlang Dauer-Videoaufnahmen gefertigt und gespeichert wurden.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Nachdem durch die Novellierung des Polizeirechts im vergangenen Jahr eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung von Personen im polizeilichen Gewahrsam sowie für die Speicherung der in diesem Zusammenhang erhobenen Daten geschaffen wurde, hat die Polizei entschieden, die Polizeikommissariate (PK) sowie vergleichbare Dienststellen (Wasserschutzpolizeikommissariate, Erkennungsdienst) mit entsprechenden Videoüberwachungs- und Aufzeichnungsanlagen auszustatten. Die Umsetzung erfolgt sukzessive im Rahmen von Prioritätensetzungen und zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln. Eine Reihenfolge ist noch nicht festgelegt.

Mit Erstellung des Neubaus des PK 25 wurde dort eine entsprechende Technik installiert. Videokameras befinden sich in den Zellen, im Zellenflur, im Raum zur Sachenabnahme, auf dem Flur von und zur „sicheren Garage" sowie in der „sicheren Garage" selbst. Hierbei handelt es sich um die Bereiche, durch die Personen, die sich in amtlichem Gewahrsam befinden, regelhaft geführt werden bzw. in denen sie sich aufhalten.

Die Videokameras befinden sich deutlich sichtbar jeweils an den Decken der Räume.

Die aufgenommenen Bilder werden auf Bildschirme im Wachraum übertragen. Zudem erfolgt eine Aufzeichnung der Bilder in einem gesonderten Technikraum. Zugriff auf diese Aufzeichnungen haben nur einzelne Mitarbeiter der Landespolizeiverwaltung

(LPV). Die aufgezeichneten Daten werden nach Ablauf einer Zeitschleife automatisch überschrieben. Die Anlage ist technisch so ausgestattet, dass eine Speicherung für längstens 16 Tage möglich ist. Die Daten werden entsprechend der gesetzlichen Regelung gespeichert, um sie für Zwecke der Strafverfolgung nutzen zu können.

Die Anlage im PK 25 wurde am 24. April 2006 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Der Dienstbetrieb des neuen PK 25 wurde am 17. Mai 2006 aufgenommen. Bis zum 7. Juni 2006 war die Speicherdauer der Videoaufzeichnungsanlage auf 16 Tage voreingestellt. Die Anlage wurde an diesem Tag abgeschaltet. Am 9. Juni 2006, mit In-Kraft-Treten der durch den Polizeipräsidenten erlassenen Fachanweisung über die Videoüberwachung im amtlichen Gewahrsam, wurde die Anlage mit einer Speicherdauer von vier Tagen wieder in Betrieb genommen und sämtliche zuvor gespeicherten Daten von der LPV gelöscht. Die Festlegung der Speicherdauer auf vier Tage entspricht der Beurteilung der erforderlichen Zeit zur Prüfung für Zwecke der Strafverfolgung.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Inwieweit und nach welchen konkreten Maßgaben dürfen in den Polizeidienststellen Videoaufzeichnungen angefertigt werden? (Bitte nach Räumen und Rechtsgrundlagen differenzieren.)

2. Wie lange dürfen die in PKs angefertigten Videoaufzeichnungen gespeichert werden? Wann müssen sie gelöscht werden?

3. Inwieweit ist eine Dauervideoüberwachung und -aufzeichnung zulässig?

Oder hat sie anlassbezogen zu erfolgen?

Videoaufzeichnungen ­ also das Erheben und Speichern von Bildern ­ dürfen nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in allen polizeilich genutzten Räumen durchgeführt werden, sofern die Voraussetzungen des § 8 Absatz 4 des Gesetzes zur Datenverarbeitung durch die Polizei (PolDVG) vorliegen.

Im amtlichen Gewahrsam befindliche Personen dürfen längstens bis zum Ende des Tages nach ihrem Ergreifen videoüberwacht werden.

Die Daten müssen gemäß § 8 Absatz 4 PolDVG unverzüglich gelöscht werden, soweit sie nicht für Zwecke der Strafverfolgung benötigt werden.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

4. Inwieweit wird der Anforderung Rechnung getragen, dass die Videoüberwachung „offen" zu erfolgen hat? Wie ist auf die Aufzeichnung hinzuweisen?

Die deutliche Erkennbarkeit der installierten Videokameras erfüllt das Merkmal „offen".

Ein ausdrücklicher Hinweis ist nicht erforderlich.

5. Wie sieht bezogen auf Videoüberwachung in Polizeidienststellen die Anweisungs- bzw. Weisungslage innerhalb der Polizei aus? Was ist Inhalt der Anweisung? (Bitte der Antwort beifügen oder inhaltlich wiedergeben.)

Die Fachanweisung über die Videoüberwachung im amtlichen Gewahrsam verdeutlicht die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie legt die Dauer der Speicherfrist fest und regelt die polizeiinternen Zuständigkeiten und Abläufe für die Sicherung und Auswertung der aufgezeichneten Daten zu Zwecken der Strafverfolgung.

6. Wann und wie wurde diese Anweisungslage von wem bekannt gemacht?

Gab es insoweit eine Verzögerung der Bekanntmachung? Wenn ja, warum?

Die Fachanweisung wurde allen Organisationsbereichen der Polizei unverzüglich nach In-Kraft-Treten zur Umsetzung übermittelt. Zusätzlich erfolgte eine mit Hinweisen versehene Einstellung in das polizeiliche Intranet (Intrapol) durch die Dienststelle

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, um die Fachanweisung so allen Mitarbeitern unmittelbar zugänglich zu machen.

7. Inwieweit wird seit wann in welchen Polizeidienststellen von der Möglichkeit der Videoüberwachung Gebrauch gemacht? (Bitte nach Dienststellen differenzieren.)

Eine Videoüberwachung einschließlich der Speicherung der in diesem Zusammenhang erhobenen Daten nach § 8 Absatz 4 PolDVG erfolgt bislang nur am PK 25.

Eine Videoüberwachung nach § 8 Absatz 4 PolDVG, jedoch ohne Speicherung der Daten, erfolgt zudem an den Polizeikommissariaten 11, 12, 14, 15, 16, 22, 24, 34, 35, 38, 41, 44, 46, dem Wasserschutzpolizeikommissariat 1, dem Landeskriminalamt 14

(Erkennungsdienst) und 54 (Fachkommissariat Ausländerdelikte) zur Beobachtung/Überwachung von Räumen, durch die Personen, die sich in amtlichem Gewahrsam befinden, regelhaft geführt werden bzw. in denen sie sich aufhalten, in Abhängigkeit von dienststellenspezifischen Gegebenheiten.

8. Inwieweit sollen wann und wo die rechtlichen Möglichkeiten insoweit noch weiter ausgeschöpft werden? (Bitte Ausbauplanungen konkret benennen.)

Siehe Vorbemerkung.

9. Ist es zutreffend, dass im PK 25 wochenlang und heimlich eine Daueraufzeichnung und -speicherung des gesicherten Bereichs des PK stattfand?

Nein, siehe Vorbemerkung und Antwort zu 4.

10. Wann und hinsichtlich welcher konkreten Räumlichkeiten gab es längerfristige Aufzeichnungen, warum und wie lange? Wann wurden die Daten von wem gelöscht? Inwieweit war die Überwachung mit dem PolDVG und der entsprechenden Weisungslage vereinbar? (Bitte konkret ausführen.)

11. Wie stellt sich der erfragte Sachverhalt in Wahrheit konkret dar? Inwieweit war die Überwachung mit dem PolDVG und der entsprechenden Weisungslage vereinbar? (Bitte konkret ausführen.)

Siehe Vorbemerkung.

12. Welche Konsequenzen werden aus den Vorgängen am PK 25 gezogen?

Sieht die Polizei Nachholbedarf in der Bekanntmachung des novellierten Polizeirechts? Wenn ja, wie wird dem nachgekommen? Wenn nein, warum nicht?

Die Novellierung des Polizeirechts wurde durch umfangreiche Maßnahmen den Mitarbeitern der Polizei bekannt gemacht.

Neben den regelhaften Dienstunterrichten an den Dienststellen der Polizei hat die Landespolizeischule (LPS) bislang 56 Lehrgänge mit dem Schwerpunktthema „Gesetzesänderungen im SOG und PolDVG" durchgeführt. Durch das Medien- und Didaktikzentrum der LPS wurde in einer Auflage von mehr als 3000 Exemplaren eine Broschüre mit dem überarbeiteten Gesetzestext verteilt. Diese Broschüre steht zudem allen Mitarbeitern der Polizei als Download-Datei zur Verfügung.

Die Rechtsabteilung der Polizei hat die bestehende Broschüre „Fallbeispiele SOG/PolDVG" überarbeitet. Auch sie steht allen Mitarbeitern zur Verfügung und kann zum Beispiel über das Medienportal aufgerufen werden, wo interaktiv Fallbeispiele mit dem Gesetzestext verbunden sind.

Sämtliche mit der Polizeirechtsnovellierung im Zusammenhang stehenden Fachanweisungen wurden über das Intrapol allen Mitarbeitern der Polizei zugänglich gemacht. Nachholbedarfe bestehen insofern nicht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.