Zwischen EU und Oberhafenamt
Betreff: Hamburger Hafenbarkassen: Zwischen EU und Oberhafenamt
Die traditionellen Hamburger Hafenbarkassen sind in Unruhe. Eine noch nicht in Kraft getretenen EU-Richtlinie sieht vor, dass für Fahrgastschiffe über 25 m Länge demnächst schärfere Sicherheitsvorschriften gelten, die unter anderem verlangen, dass in die meist offenen Schiffe zusätzliche Luftkammern eingebaut werden, damit sie im Unglücksfall möglichst schwimmfähig bleiben.
Offenbar steht in Rede, diese Richtlinie auch auf die überwiegend weit kleineren Hamburger Hafenbarkassen anzuwenden.
Ich frage daher den Senat:
Aufgrund von Auskünften der Hamburg Port Authority (HPA) beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:
1. Ist es zutreffend, dass die Hamburger Hafenbarkassen grundsätzlich kleiner als 25 m Länge sind? Wenn ja, warum sollen die Sicherheitsvorschriften der EU-Richtlinie dennoch angewandt werden?
Gemäß § 2 Nr. 3 Hafenfahrzeugverordnung sind Barkassen für die Beförderung von Personen und/oder zum Schleppen gebaute und eingerichtete Hafenfahrzeuge ohne durchlaufendes festes Deck mit einer Länge bis zu 25 m. Sie gelten nicht als Schlepper und nicht als Fahrgastschiff.
Im Hamburger Hafen sind 86 Barkassen für die entgeltliche Personenbeförderung zugelassen, von denen derzeit nur zwei den heute geltenden Anforderungen im Bereich der Sinksicherheit im Leckfall entsprechen. Diese Fahrzeuge wurden überwiegend im Zeitraum zwischen 1920 und 1950 gebaut und unterliegen daher den technischen Anforderungen für Binnenschiffe aus dieser Zeit.
Daneben werden im Hafen Fahrgastschiffe überwiegend mit einer Länge von über 25 m für die entgeltliche Personenbeförderung eingesetzt.
2. Welche Kosten verursacht in etwa ein Umbau der traditionellen („Schalen"-)Barkassen, wenn an Bug und Heck wasserdichte Luftkammern eingebaut werden?
3. Welche Auswirkungen hat das Einschweißen der Stahlschotts auf Gewicht, Freibord, transportierbare Fahrgastzahl der Barkassen (vorher/nachher)?
4. Wie stellen sich die Kosten eines Umbaus gegenüber einem Neubau dar?
Wie stellt sich aus Sicht des Senats die Wirtschaftlichkeit des Umbaus der betroffenen Barkassen dar?
Nach Kenntnis der HPA belaufen sich die Kosten für einen Neubau nach dem heutigen Stand der Technik und Sicherheitsstandard zwischen 300 000 und 500 000 Euro.
Als Kosten für den Umbau werden von der HPA auf Basis eines eingeholten Gutachtens ca. 30 000 Euro veranschlagt.
Fahrzeugbedingt kann es bei einer entsprechenden Sicherheitsnachrüstung zu Einschränkungen bei der zugelassenen Personenzahl kommen. Bei den Altfahrzeugen wurde bei der Ermittlung der zugelassenen Personenzahl ein anderer Maßstab angesetzt als bei heutigen Neufahrzeugen. Mögliche Einschränkungen sind im Verhältnis zur Erhöhung der Sicherheit nach Auffassung der HPA im Regelfall vertretbar.
5. Wie viele Hamburger Hafenbarkassen wären betroffen?
84, im Übrigen siehe Antwort zu 1.
6. Ist dem Senat bekannt, dass viele kleine Barkassenbetriebe nach einem Generationenvertrag arbeiten, wobei die Barkasse des aktuellen Betreibers die Rente des Vorgängers sichert? Wie bewertet vor diesem Hintergrund der Senat die Gefahr des Aufgebenmüssens solcher Betriebe, wenn sich der Umbau als Unwirtschaftlich herausstellt und ein Neubau die Möglichkeiten der Einzelunternehmer übersteigt?
Siehe Antwort zu 2. bis 4.
7. Bis wann wird seitens der Stadt die Umsetzung der Richtlinie angestrebt?
Welche Umsetzungsfristen ergäben sich aus der Binnenschiffsuntersuchungsordnung?
Die Umsetzung entsprechender Richtlinien liegt in der Zuständigkeit des Bundes.
8. Aus welchen konkreten Erwägungen heraus ist der Senat der Ansicht, die Verbesserung der Schwimmfähigkeit sei bei den Hamburger Hafenbarkassen erforderlich, obwohl doch die EU-Richtlinie dies für Fahrgastschiffe unter 25 m nicht fordert?
Siehe Antwort zu 2. bis 4.
9. Wie viele Unfälle mit Personenschäden hat es bei Hamburger Hafenbarkassen seit 1960 gegeben? Wann und mit welchen Schäden im Einzelnen? Inwieweit hätte eine bessere Schwimmfähigkeit der Barkassen zu anderen Unfallfolgen geführt?
Die für die Beantwortung der Frage erforderlichen statistischen Daten liegen der zuständigen Behörde für den Zeitraum vor 2001 nicht mehr vor, da die Aufbewahrungsfrist fünf Jahre beträgt.
Anzahl der Unfälle mit Personenschäden bei Hamburger Hafenbarkassen:
Darüber hinaus sind der HPA zwei Barkassenunfälle mit insgesamt 22 Toten bekannt:
· Untergang der Barkasse „Martina" am 2. Oktober 1984 (19 Tote)
· Untergang der Barkasse „Helios" am 4. April 1986 (3 Tote).
Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.
10. Ist es zutreffend, dass bei den beiden Unfälle mit Todesfällen („Martina", 1984, sowie „Orion", 1985) die Schwimmfähigkeit der Barkassen keine Rolle gespielt hat, weil es sich jeweils um das Überlaufen einer kleinen Einheit durch eine große gehandelt hat?
Nein; das mit den Unfallursachen befasste zuständige Seeamt hat dies so nicht festgestellt. Im Übrigen ist der HPA ein Unfall mit einer Barkasse „Orion" in 1985 nicht bekannt.