Polizeirecht

11. Gibt es bezogen auf die Neuerungen nach dem neuen Polizeirecht insoweit bereits ausführende Dienstvorschriften o. Ä.? Wenn ja, seit wann und mit welchem Inhalt? Wenn nein, warum nicht?

Die Anwendung des § 12 b Abs. 2 SOG ist in zwei internen Dienstanweisungen der Polizei geregelt. In der einen Anweisung vom 29. Juni 2005 wird unter anderem die Anwendung des Aufenthaltsverbotes zur Bekämpfung öffentlich wahrnehmbarer Drogenkriminalität innerhalb der ausgewiesenen Gefahrengebiete bzw. -orte geregelt.

Darüber hinaus regelt eine Fachanweisung vom Mai 2006 die Anwendung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der allgemeinen Verhütung von Straftaten. Diese Anweisung ersetzt seit In-Kraft-Treten die vorläufige Fachanweisung zu dieser Thematik aus dem Juli 2005.

12. Hat es im Hinblick auf die Anwendung von § 12 b Abs. 2 SOG Beschwerden, Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren gegeben? Wenn ja, wann, welchen Inhalts und mit welchem Ergebnis?

Im Erhebungszeitraum vom 30. Juni 2005 bis zum 30. Juni 2006 gab es insgesamt sechs Widerspruchsverfahren gegen längerfristige Aufenthaltsverbote. Ziel der Widersprüche war die Überprüfung der jeweiligen Maßnahmen auf Rechtmäßigkeit und Dauer des AV. Im Ergebnis wurden vier Aufenthaltsverbote in vollem Umfang aufrechterhalten und zwei zeitlich verkürzt.

Widersprüche gegen kurzfristige Aufenthaltsverbote unter 24 Stunden Dauer wurden nicht erfasst.

Zwei Anträge gemäß § 80 Verwaltungsgerichtsordnung auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen ein Aufenthaltsverbot nach § 12 b Abs. 2 SOG wurden nach Erkenntnissen der Polizei im Erhebungszeitraum an das Verwaltungsgericht Hamburg gestellt. In einem Verfahren erfolgte die Ablehnung des Antrags, das andere Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Beschwerden im Sinne der Fragestellung sind der zentralen Beschwerdestelle der Polizei nicht bekannt. Im Übrigen siehe Antwort zu I. 5.

II. Praxis des Unterbindungsgewahrsams

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) kann die Polizei Personen in Gewahrsam nehmen, wenn diese Maßnahme unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Durch die Gesetzesnovelle ist die gesetzliche Maximaldauer der Ingewahrsamnahme von 48 Stunden in den Fällen der § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 4 SOG auf zwei Wochen heraufgesetzt worden.

1. Wie viele Ingewahrsamnahmen nach § 13 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 4 SOG wurden seit Juli 2005 vorgenommen? (Bitte monatsweise und bezogen auf jede Rechtsgrundlage auflisten.)

2. Wie lange haben diese Ingewahrsamnahmen jeweils gedauert?

Es können nur die Ingewahrsamnahmen angegeben werden, die zur Bekämpfung der öffentlich wahrnehmbaren Drogenkriminalität durchgeführt wurden (siehe nachfolgende Tabelle) sowie Ingewahrsamnahmen ­ unabhängig vom Anlass ­ die über das Ende des folgenden Tages hinausgegangen sind/-gehen sollten (so genannte „Längerfristige Ingewahrsamnahmen").

3. Wie häufig und bei welchen Anlässen wurde die gesetzliche Maximaldauer von zwei Wochen beantragt, wie häufig angeordnet (§ 13 c Abs. 1 Nr. 3 SOG)? (Bitte auflisten.) Wie häufig wurde ein Unterbindungsgewahrsam von einer Woche oder mehr beantragt, wie häufig angeordnet?

4. Was waren die wesentlichen Anordnungsgründe? (Bitte so konkret wie möglich auflisten.)

Nach Erkenntnissen der Polizei wurden zwei Ingewahrsamnahmen mit der gesetzlichen Maximaldauer beantragt, und zwar eine Ingewahrsamnahme zur Verhinderung von Beziehungsgewalt, die vom Amtsgericht nicht bestätigt wurde und eine weitere Ingewahrsamnahme wegen des Verstoßes gegen eine Aufenthaltsverbotsverfügung.

Das Amtsgericht Hamburg bestätigte diese Ingewahrsamnahme für die Dauer von vier Tagen. Anlass war die Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Begehung weiterer Straftaten.

Ingewahrsamnahmen von einer Woche oder mehr wurden in drei Fällen beantragt.

Davon wurde eine Ingewahrsamnahme gerichtlich für drei Tage bestätigt. In zwei Fällen wurde die Ingewahrsamnahme nicht bestätigt.

Die Begründung für die bestätigte Maßnahme stellte darauf ab, dass der Betroffene bei bestehendem Betretungsverbot ­ trotz zwischenzeitlicher Ingewahrsamnahme ­ hartnäckig die Wohnung der Geschädigten aufsuchte. Im Übrigen siehe Antwort zu

5. Wie häufig und mit welchem Ergebnis wurde in den Fällen der § 13 Abs. 1 Nrn. 2 bzw. 4 SOG die richterliche Entscheidung eingeholt? Inwieweit wurde die Ingewahrsamnahme und die vorgeschlagene Befristung bestätigt? Inwieweit wurde die Ingewahrsamnahme mit welcher Begründung aufgehoben oder verkürzt oder sonst modifiziert?

Für alle 16 in der Antwort zu II. 1. und II. 2. genannten längerfristigen Ingewahrsamnahmen wurden richterliche Anordnungen eingeholt. Die jeweils vorgeschlagene Befristung wurde in zwölf Fällen bestätigt.

In vier Fällen wurde sie verkürzt, wobei in einem dieser Fälle das Gericht bei der Bemessung der Dauer berücksichtigt hat, dass gegen den Betroffenen in diesem Fall erstmals eine längerfristige Ingewahrsamnahme ausgesprochen wurde. In einem weiteren Fall hat das Gericht befunden, dass eine Ingewahrsamnahme für die Zeitdauer von vier statt der beantragten zehn Tage ausreichend ist, um auf den Betroffenen einzuwirken, das Betretungsverbot einzuhalten. In zwei Fällen ist die Begründung für die Verkürzung nicht bekannt. Im Übrigen siehe Antwort zu I. 5.

6. Ist es zutreffend, dass es eine Überprüfung der Anwendungspraxis bzw. der betreffenden Fälle durch die zuständige Abteilung der Polizei gegeben hat? Erfolgte diese Prüfung aufgrund häufiger Ablehnung der richterlichen Bestätigung? Was war Anlass der Prüfung, was wurde mit welchem Ergebnis von wem geprüft? Sind Medienberichte aus dem Februar 2006 zutreffend, nach dem von 15 beantragten längerfristigen Ingewahrsamnahmen nur zwölf richterlich bestätigt wurden?

Die Polizei überprüft ständig ihre Praxis bei der Anwendung der Rechtsgrundlagen.

Sie berücksichtigt dabei auch eine unterschiedliche Spruchpraxis der Gerichte. Ein Anlass für eine Veränderung der polizeilichen Praxis besteht zurzeit jedoch nicht. Im Übrigen sieht der Senat davon ab, zu Medienberichten Stellung zu nehmen.

7. Inwieweit hat die Polizei mit welchem Ergebnis welche einzelnen Rechtsmittel gegen ablehnende richterliche Entscheidungen eingelegt?

(Bitte alle Fälle einzeln nennen, begründen und Ergebnis ausführen.)

1. Beschwerde der Polizei gegen die Ablehnung der Ingewahrsamnahme eines gewalttätigen Ehepartners, der gegen ein ihm erteiltes Betretungsverbot verstoßen hatte und die Geschädigte weiterhin bedrohte (§ 12 b Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG). Eine Ingewahrsamnahme wurde durch das Amtsgericht (AG) Hamburg abgelehnt. Das Landgericht (LG) Hamburg bestätigte die Rechtsauffassung der Polizei, hielt jedoch eine Ingewahrsamnahmedauer von maximal drei Tagen (beantragt waren zehn Tage) zunächst für ausreichend.

2. Fünf Beschwerden gegen fünf Beschlüsse des Amtsgerichts, mit denen mehrtägige Ingewahrsamnahmen des Betroffenen, der fortlaufend gegen ein mehrmonatiges Aufenthaltsverbot zur Verhinderung von Gewalttaten anlässlich seines Aufenthaltes in der Drogenszene verstoßen hatte, abgelehnt wurden (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG).

Das LG bestätigte die Geeignetheit der Maßnahme, erachtete jedoch nur mehrstündige Ingewahrsamnahmen für verhältnismäßig. Gegen diese Entscheidungen wurde hinsichtlich der Dauer der Maßnahmen sofortige weitere Beschwerde beim Hanseatischen Oberlandesgericht (HansOLG) eingelegt. Das HansOLG bestätigte mit fünf Beschlüssen die Rechtsauffassung des LG.

3. Drei Beschwerden der Polizei gegen drei Beschlüsse des AG, mit denen Ingewahrsamnahmen eines Drogendealers, der gegen ein ihm erteiltes Betretungsverbot verstoßen hatte und sich weiterhin im Verbotsgebiet aufhielt (§ 12 b Abs. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG), abgelehnt wurden. Die Entscheidungen des LG stehen noch aus.