Sportwetten im Internet im Spannungsverhältnis zwischen EU-Gemeinschaftsrecht

Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Alexander-Martin Sardina (CDU) vom 11.07. und Antwort des Senats

Betreff: Sportwetten im Internet im Spannungsverhältnis zwischen EU-Gemeinschaftsrecht („Freizügigkeit von Dienstleistungen") und dem deutschen Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) als gefährliche Konkurrenz für den Pferdesport-Standort Horner Rennbahn in Hamburg?

Die Möglichkeit, auch über das Internet Wetten für Pferderennen abzuschließen, wird ­ im Vergleich zu Wetten, die herkömmlich in Papierform lokal auf der Rennbahn gespielt werden ­ immer mehr genutzt. Personen, die nur am Glücksspiel selbst, nicht aber am sportlichen Ereignis des Rennens interessiert sind, kommen als neue Kunden hinzu.

Auch steigt in Hamburg ­ wie schon in den Vorjahren in Berlin zu beobachten

­ die Anzahl immobiler Wettlokale für Internetwetten, obwohl die Wetteinsätze oftmals hierzulande gar nicht versteuert werden und eigentlich privatwirtschaftliche Sportwetten in Deutschland auch nicht erlaubt sind, bisher aber von Ladenschließungen durch die Behörden abgesehen wurde. Hierbei spielen vermutlich auch weiterhin bzw. in Hamburg gültige DDR-Lizenzen eine Rolle.

Zwar werden alle Online-Wetten ebenfalls an den Totalisator weitergeleitet, den alle Buchmacher verwenden, dennoch liegt die Vermutung nahe, dass virtuelle Wetten die Hauptursache für Wettumsatzverluste bei konventionellen Wetten sind. Insofern stellt sich die Frage, ob Internet-Wetten ­ und die damit verbundene Ableitung von Geldern in vereinsfremde Kanäle ­ als schleichende Gefahr vor allem für die Horner Rennbahn und die dortigen DerbyMeetings angesehen werden können. Im Jahr 2005 sank dort im Vergleich zum Vorjahr der Wettumsatz (laut Presseberichten) um ca. 525 000 Euro. Bei einer Umsetzung der Planungen, möglicherweise künftig Traber und Galopper auf der Horner Rennbahn zusammenzuführen, gewinnt die Frage der Konkurrenz durch Internetwetten nochmals an Bedeutung.

Den immanenten Vorteilen des Wettens im Internet (übersichtlicher interaktiver Wettschein, ortsunabhängige Wettmöglichkeit, vielfältige Zahlungsmethoden) stehen ganz klar das besondere Gemeinschaftsgefühl und Flair des authentischen Wettens auf Rennen gegenüber, das keinesfalls durch anonyme und vom Rennen selbst entfremdete Internetwetten vermittelt werden kann.

Zudem ist es auch eine Tatsache, dass der Dachverband des Deutschen Pferderennsports in Köln in den Anfangsjahren der Online-Wetten bemüht war, diese „Außenwetten" zu forcieren, um so die Umsätze insgesamt zu erhöhen. Gleichzeitig bleibt auch der Widerspruch, dass Internetwetten-Anbieter immer wieder als Hauptsponsoren bestimmter Rennen auftreten.

Ebenso ist in diesem Zusammenhang EU-Gemeinschaftsrecht über den Grundsatz der Freizügigkeit von Dienstleistungen berührt. Das „Gambelli

Urteil" aus dem Jahr 2003 (EuGH, Urteil vom 6. November 2003 ­ Aktenzeichen C-243/01) beschäftigte sich mit der Frage, ob die nationalen Monopole der EU-Mitgliedsstaaten für Sportwetten im Widerspruch zu den EUVorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit stehen. In der Sache ging es darum, dass der italienische Buchmacher Piergiorgio Gambelli (Ascoli Piceno) gemeinsam mit anderen über das Internet Wettdienstleistungen für einen englischen Buchmacher erbracht hatte. Der italienische Staat besaß das Spiel- und Wettmonopol und leitete daher ein Strafverfahren gegen Gambelli ein. Gambelli machte jedoch vor dem italienischen Gericht geltend, dass sich die italienischen Rechtsvorschriften im Widerspruch zu den Grundsätzen des EU-Rechts zum freien Dienstleistungsverkehr und zur Niederlassungsfreiheit befinden. Der Europäische Gerichtshof bestätigte mit seinem Urteil diese Einschätzung.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs könnten Beschränkungen gerechtfertigt sein, wenn sie für den Schutz der Konsumenten und der Sozialordnung erforderlich sind. Bei der Bewertung muss man die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft (z. B. Zunahme der Spielsucht) beachten. Darüber hinaus müsse der Hauptzweck der Beschränkungen ein überwiegendes Allgemeininteresse sein, beispielsweise das Interesse an einer Verringerung von Spieleinrichtungen. Die Beschränkungen dürften nicht über das Maß hinausgehen, das für die Wahrung des überwiegenden Allgemeininteresses notwendig ist, und sie dürfen nicht diskriminierend angewendet werden.

Gewinne aus Pferdewetten unterliegen dem Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) von 1922 (zuletzt geringfügig geändert 2002), einem Bundessteuergesetz, dessen Verwaltung den Bundesländern ­ hier also der Freien und Hansestadt Hamburg ­ obliegt, denen auch die Einnahmen zustehen (Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg).

Dies vorausgeschickt frage ich den Senat:

Die Durchführung öffentlicher Pferderennen wird von den Rennvereinen in Deutschland überwiegend über den amtlich zugelassenen Wettbetrieb (Totalisator) finanziert.

Wer als Buchmacher gewerbsmäßig Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde abschließt oder vermittelt, benötigt dazu eine Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde. Diese ist ihm nach Maßgabe des Rennwett- und Lotteriegesetzes von 1922 und den dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen des Bundes zu erteilen.

Das Bundesgesetz enthält keine spezifischen Regelungen zur Vermittlung von Wetten über das Internet.

Anders als der für die Zulässigkeit von Sportwetten maßgebliche Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland enthält dieses Gesetz keine Regelung zu einem Staatsmonopol und ist in seiner Wirksamkeit demgemäss weder von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 noch vom so genannten „Gambelli-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2003 direkt betroffen.

Die Totalisatorumsätze der Rennvereine sind seit Jahren rückgängig und damit verbunden auch die Totalisatorsteuer. Ebenso ist das den Ländern aus dem Buchmachergeschäft zustehende Rennwettsteueraufkommen kontinuierlich zurückgegangen.

Grund hierfür ist, dass die meisten deutschen Buchmacher dazu übergegangen sind, Pferdewetten nicht mehr selbst abzuschließen, sondern an ausländische Wettunternehmer zu vermitteln. Wetteinsätze für ins Ausland vermittelte Pferdewetten unterliegen weder der Besteuerung durch das Rennwett- und Lotteriegesetz noch durch das Umsatzsteuerrecht. Eine ähnliche Entwicklung hat sich bundesweit durch zahlreiche illegale Angebote im Bereich der Sportwetten ergeben.

Aufgrund der derzeitigen Rechtslage kann weder die wirtschaftliche Beeinträchtigung der Rennvereine vermieden, noch die Vermittlung von Pferdewetten ins Ausland erfasst werden. Der Bundesrat hat deshalb mit Beschluss vom 24. September 2004 die Bundesregierung aufgefordert, eine Harmonisierung der Rennwett- und Lotteriesteuer herbeizuführen, die es erlaubt, wirksam die Umgehung der deutschen Besteuerung durch Wettvermittlungen ins Ausland zu verhindern.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Liegen dem Senat konkrete Zahlen vor, wie sich Online-Wetten im Vergleich zu konventionellen lokal gespielten Wetten bei Pferderennen in Hamburg auf der Horner Rennbahn in den Jahren 2003, 2004 und 2005 entwickelt haben? Wenn ja, welche? (Bitte detailliert aufschlüsseln.)

Hierzu liegen der zuständigen Behörde keine konkreten Zahlen vor.

2. Aufgrund welcher rechtlichen Bestimmungen können in Hamburg immobile Wettlokale, die unter anderem auch Online-Sportwetten anbieten, betrieben werden und inwiefern gelten in diesem Zusammenhang DDRLizenzen weiterhin bzw. in ganz Deutschland und damit auch in Hamburg?

Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit von Sportwetten gleich welcher Art (dazu zählen nicht die Pferdewetten, siehe Vorbemerkung) ist der am 1. Juli 2004 in Kraft getretene „Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland". Danach dürfen Sportwetten in Hamburg nur in Form der durch Nordwest Lotto und Toto Hamburg veranstalteten Oddset-Sportwette angeboten werden. DDR-Lizenzen gelten in Hamburg nicht.

3. Wurden behördlich angeordnete Schließungen von immobilen Wettlokalen, die Internet-Wetten für Pferderennen anbieten, in den Jahren 2003 bis 2006 durchgesetzt? Wenn ja, wie viele waren dies, auf welcher rechtlichen Grundlage und in welchen Stadtteilen bzw. Bezirken befanden sich diese? Wenn nein, warum nicht?

Die für die Durchführung des Rennwett- und Lotteriegesetzes zuständige Behörde hat keine Schließungen von Wettlokalen, die Wetten für Pferderennen anbieten, angeordnet.

Die für die Durchführung des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland zuständige Behörde hat in einer Reihe von Fällen ausschließlich das Angebot und die Vermittlung von Sportwetten (siehe Antwort zu 2.) untersagt.

Soweit Bezirksämter seit 2003 Spielhallen geschlossen haben, hatte dies seinen Grund ausschließlich im Gewerbe- und Spielrecht. Ob diese Spielhallen auch InternetWetten für Pferderennen angeboten haben kann im Nachhinein mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht mehr ermittelt werden.

4. Welche Möglichkeiten stehen dem Senat zur Verfügung, um die Vermittlung von Pferderenn-Wetten über das Internet in bekannte „Steueroasen" wie beispielsweise Malta, bestimmten Karibik-Inseln, Gibraltar, der Isle of Man und anderen Gebietskörperschaften dieser Art zu unterbinden bzw. welche Instrumente stehen dem Senat zur Verfügung, um eine Versteuerung von Wetteinsätzen in der Freien und Hansestadt Hamburg zu gewährleisten und wie wurden diese bisher angewendet?

5. Welche Möglichkeiten stehen dem Senat zur Verfügung, um die Zunahme von Pferderennwetten im Internet als Hauptursache für die lokalen konventionellen Wettumsatzverluste auf der Horner Rennbahn zu regulieren?

6. Hat das „Gambelli"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs Einfluss auf Pferderennwetten in Hamburg? Wenn ja, welchen bzw. hat der Senat deswegen Änderungen an den Vorschriften zur Anwendung des Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) vorgenommen bzw. wird der Senat welche konkreten Änderungen an diesen zu welchem Zeitpunkt durchsetzen? Wenn nein, warum nicht?

Siehe Vorbemerkung.

7. Wie haben sich die Einnahmen aus dem Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) in den Jahren 2003, 2004 und 2005 für die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg entwickelt? (Bitte detailliert aufschlüsseln.)

Vom Aufkommen der Totalisatorsteuer erhalten die Rennvereine 96 v. H. erstattet; sie haben die Beträge zu Zwecken der öffentlichen Leistungsprüfung für Pferde zu verwenden (§ 16 Rennwett- und Lotteriegesetz)

8. Inwieweit liegen dem Senat Erkenntnisse vor, dass die Möglichkeit des virtuellen Wettens im Internet zu einer Zunahme von Spielsucht führt?

Welche Hilfen stehen in Hamburg für die davon betroffenen Personen zur Verfügung?

Untersuchungen der Universität Bremen belegen den Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit der Angebote, der Spielfrequenz und der Höhe des Spieleinsatzes. Danach ist davon auszugehen, dass die leichte Zugänglichkeit von Wettangeboten im Internet, gepaart mit der Möglichkeit, in einer sehr schnellen Spielfrequenz hohe Beträge zu setzen, zu einer erhöhten Gefährdung führt.

Mit der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft „Verbesserung des Schutzes vor pathologischem Spielen/Spielsucht" (Drs. 18/1575) hat der Senat im Jahr 2005 ausführlich über die Weiterentwicklung des Hilfeangebots informiert. Die Bürgerschaft hat den Haushaltsansatz beim Titel 3670.684.61 „Zuschüsse an Vereine und dgl". in diesem Zusammenhang ab dem Haushaltsjahr 2005 für die Beratung von Glücksspielern um jährlich 70 000 Euro und ab 2006 um weitere 50 000 Euro (siehe Drs. 18/3419) aufgestockt.