Das Alfred-Wegener-Institut (AWI) als Zentrum der deutschen Polar- und Meeresforschung

Die Fraktionen der SPD und der CDU haben unter Drucksache 15/621 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet.

Der Senat beantwortet die Große Anfrage wie folgt: Historischer Rückblick Ende der siebziger Jahre hatte sich die Bundesrepublik Deutschland zum Ziel gesetzt, bei der weiteren Erforschung, Nutzung und Verwaltung der Antarktis und beim antarktischen Umweltschutz mitreden zu können und strebte daher 1978 ein Mitspracherecht im Antarktis Vertrag an. Kontinuierliche Forschungsleistungen in der Antarktis und ein Heimatinstitut waren die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Konsultativrunde der Antarktis-Vertragsstaaten. Die damalige Bundesregierung beschloss daher die Einrichtung eines Polarforschungsinstituts, den Bau eines eisbrechenden Polarforschungs- und Versorgungsschiffes und den Bau einer permanent besetzten Antarktisforschungsstation. Nachdem die Bundesregierung beschlossen hatte, das Polarforschungsinstitut in Bremerhaven zu errichten, wurde zu Beginn der achtziger Jahre zunächst das Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung (AWI) in Bremerhaven gegründet, die Georg-von-Neumayer-Station auf dem antarktischen Schelfeis errichtet und das Forschungsschiff Polarstern in Dienst gestellt sowie zwei Polarforschungsflugzeuge beschafft. Die damaligen Planungen sahen für das AWI eine personelle Stärke von 130 Mitarbeitern (Wissenschaft, Technik, Logistik und Verwaltung) vor. Dabei war zunächst daran gedacht, dass das AWI vorwiegend die technischen und logistischen Voraussetzungen für die bundesrepublikanische Polarforschung, die zu diesem Zeitpunkt bereits von Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten betrieben wurde, bereit stellt und nur in geringem Umfang eigene wissenschaftliche Arbeiten durchführt (es war zunächst an 20 Wissenschaftler gedacht). Der parallele Aufbau der Meeres- und Polarforschung an der Universität Bremen durch die Freie Hansestadt Bremen komplementär zu den wissenschaftlichen Kapazitäten des AWI, sowohl in enger Abstimmung mit dem AWI, als auch dem Bundesforschungsministerium, wurde in Bonn als Chance gesehen, in Bremerhaven und Bremen eine starke Polarund Meeresforschung zur Verfügung zu haben und führte in der Konsequenz zu einem weiteren Ausbau der Forschungskapazitäten des AWI.

Schon bei der Gründung des AWI wurde in Erwägung gezogen, das Institut für Meeresforschung Bremerhaven, mit dem AWI zusammenzuführen. Es dauerte dann - auch aufgrund der intensiven Aufbauarbeit am AWI - bis 1984, bis Gespräche zwischen Bund und Bremen in dieser Sache aufgenommen wurden.

Zum 1. Januar 1986 wurde das mit ca. 60 Mitarbeitern in das AWI eingegliedert. In der Folge wurde der Finanzierungsschlüssel des seinerzeitigen Blaue (50 zu 50 = Bund/Land) sukzessive in den Finanzierungsschlüssel für Großforschungseinrichtungen (90 zu 10 = Bund/Land) umgestellt und die Einrichtung in Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung umbenannt.

Nach der Wiedervereinigung empfahl die vom Wissenschaftsrat eingesetzte Arbeitsgruppe zur Evaluierung der Wissenschaftseinrichtungen der ehemaligen DDR, die auf mehrere Arbeitsgruppen verteilte DDR-Polarforschung mit dem AWI zu vereinigen. In der Umsetzung dieser Empfehlung wurde auf dem Telegraphenberg in Potsdam eine Forschungsstelle des AWI mit ca. 35 Mitarbeitern gegründet, deren Arbeiten an die der DDR anknüpften. Im März 1992 wurde die Forschungsstelle Potsdam des AWI, deren wissenschaftliche Tätigkeit auf die polaren Landregionen ausgerichtet ist, eröffnet.

Den letzten großen Zuwachs erhielt das AWI zum 1. Januar 1998 mit der Angliederung der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH). Zu Beginn der neunziger Jahre hatte der Wissenschaftsrat im Rahmen einer Evaluierung zur Entwicklung der BAH diese Möglichkeit mit zweiter Priorität empfohlen, nachdem das Bundesforschungsministerium entschieden hatte, die BAH nicht weiter als nachgeordnete Dienststelle des BMBF zu führen. Dabei sprach der Wissenschaftsrat auch die Empfehlung aus, die Inselstationen auf Helgoland und in List auf Sylt zu erhalten und auszubauen und nur die Zentrale in Hamburg aufzulösen und das Personal an das AWI zu verlegen. Diesen Empfehlungen wurde seitens des Bundes und Bremens gefolgt und in den vergangenen drei Jahren die Inselstationen konsolidiert und ausgebaut sowie die Hamburger Zentrale aufgelöst; deren ca. 60 Mitarbeiter wurden dem AWI in Bremerhaven zugeordnet.

Im AWI sind heute über 700 Mitarbeiter beschäftigt. Vergleicht man die früheren Planungen mit dem heutigen Status, kann festgestellt werden, dass das jetzt Erreichte die Erwartungen aus der Gründungsphase um ein Vielfaches übertrifft.

Im Zuge der Gründung der Forschungsstelle Potsdam und der Angliederung der BAH an das AWI unter Aufrechterhaltung der Inselstationen traten die Länder Brandenburg und Schleswig-Holstein dem zwischen dem Bund und Bremen geschlossenen Konsortialvertrag bei und beteiligen sich seither mit je 1% an der Finanzierung des AWI, so dass Bremen nicht - wie für Großforschungseinrichtungen üblich - 10 %, sondern lediglich 8 % der Kosten für das AWI zahlt.

Das AWI hat im laufenden Jahr einen Etat von rund 185 Mio. DM.

Der Senat hat die Entwicklung des AWI mit großer Aufmerksamkeit begleitet und alle Chancen zum Ausbau und zur weiteren Entwicklung des AWI genutzt; er wird diese Strategie auch in der Zukunft weiter verfolgen.

1. Welche Gründe haben dazu geführt, dass sich das AWI in den letzten Jahren zu einer solchen Spitzenstellung entwickeln konnte?

Das AWI wurde im Jahre 1980 als Forschungsinstitut mit einem klaren Forschungsprofil gegründet. Mit der Polarstern, einem der modernsten Forschungseisbrecher, erhielt das AWI eine weltweit beachtete Forschungsplattform, mit deren Hilfe von Beginn an die Einbindung des AWI in große internationale Forschungsprogramme gelang und somit die internationale Präsenz des AWI vorangetrieben werden konnte. Das AWI konnte seine im Vergleich zu anderen Großforschungseinrichtungen späte Gründung insofern vorteilhaft nutzen, als es sich unmittelbar auf die für eine zeitgemäße Umweltforschung erforderliche Multidisziplinarität ausrichtete. Dieser sehr weitsichtige Auf- und Ausbau des Instituts ist insbesondere dem Gründungsdirektor, Herrn Prof. Dr. Hempel, zu verdanken und wurde von seinen Nachfolgern mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen konsequent weiter verfolgt. Damit wurden günstige Voraussetzungen geschaffen, physikalische, chemische, biologische und geologische Zusammenhänge in den Polargebieten (in der Arktis und in der Antarktis) mit hinreichender Fachkompetenz zu untersuchen. Zu dem Erfolg beigetragen hat die Tatsache, dass es gelang, für die Besetzung der Seniorwissenschaftlerstellen international renommierte Wissenschaftler zu gewinnen, die gemeinsam mit der Universität Bremen berufen wurden.

Dadurch wurde und wird den am AWI tätigen Professoren die Möglichkeit eröffnet, Studierende für die wissenschaftlichen Arbeiten des AWI zu interessieren und Nachwuchswissenschaftler für das Institut zu gewinnen. Dem AWI ist es hervorragend gelungen, die verschiedenen Disziplinen im Rahmen der eigenen Forschungsprogramme auf gemeinsame komplexe Themen auszurichten. Die enge Kooperation zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Fächern hat auch beachtliche methodische Fortschritte gezeitigt, indem neu gewonnene Kenntnisse einer Disziplin auf andere übertragen wurden. Eine derartige Bündelung der wissenschaftlichen Kompetenzen sowie die Verfügbarkeit der benötigten technischen Infrastruktur führte dazu, dass sich das AWI rasch zu einem internationalen Kompetenzzentrum für Polar- und Meeresforschung etablierte. Durch die Öffnung der ehemaligen Sowjetunion ergaben sich neue Möglichkeiten, mit russischen Forschungsinstituten zu kooperieren, um so auch Zugang zu der ausgedehnten russischen Arktis zu erhalten. Das AWI hat diese Kooperationen offensiv entwickelt und damit den Grundstein für die umfangreichen Arbeiten im Nordpolarmeer und in Sibirien gelegt.

2. Welche Bedeutung hat aus Sicht der Landesregierung das AWI für das Land Bremen, besonders aber für Bremerhaven?

Das AWI ist integraler Bestandteil des Wissenschaftsstandorts Bremen und für das wissenschaftliche Profil Bremerhavens prägend. Das Land Bremen ist bundesweit der bedeutendste Standort für Meeresforschung, welche einerseits von der Universität Bremen - die Meeresforschung ist der größte Forschungsschwerpunkt der Universität --, andererseits von verschiedenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie dem Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, dem Zentrum für Marine Tropenökologie und dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung getragen wird. Durch seine umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten, seine vielfältigen Kooperationen mit Instituten in Bremen, der Bundesrepublik Deutschland und weltweit trägt das AWI entscheidend zu dieser Führungsrolle Bremens bei.

Das AWI beschäftigt heute mehr als 700 Mitarbeiter und ist damit ein großer Arbeitgeber mit überwiegend hochqualifizierten Arbeitsplätzen in Bremerhaven. Viele Mitarbeiter und ihre Familien wohnen in Bremerhaven, insofern ist das AWI auch ein wichtiger, die Finanz- und Wirtschaftskraft steigernder Wirtschaftsfaktor in Bremerhaven. Durch seine internationale Bedeutung und vielfache Beachtung in den Medien ist das AWI außerdem ein ausgezeichneter Imageträger für die Seestadt.

3. Welche neuen zusätzlichen Perspektiven sieht der Senat für das AWI und welche Auswirkungen sind damit für die Stadt Bremerhaven und das Land Bremen verbunden?

Seit seiner Gründung unterhält das AWI intensive Beziehungen zu verschiedenen norddeutschen Universitäten, insbesondere der Universität Bremen. Diese fruchtbaren Beziehungen werden in Zukunft weiter ausgebaut und engere Kooperationen werden etabliert. Mit der Gründung der International University Bremen entsteht in Bremen ein neuer Kooperationspartner. Die schon jetzt entwickelten gemeinsamen Konzepte für zukünftige Forschungsaktivitäten werden schrittweise realisiert.

Der Umzug des Instituts für Fischereiökologie der Bundesanstalt für Fischerei nach Bremerhaven bedeutet eine weitere Stärkung der Meeresforschung am Standort Bremerhaven. Neue Kooperationsansätze durch direkte Kommunikation und Zusammenarbeit und damit verbundene Synergieeffekte (z. B. durch gemeinsame Nutzung technischer Einrichtungen) werden das wissenschaftliche Umfeld in Bremerhaven erweitern. Ergänzt wird diese Entwicklung durch den Bau des Gewerbe-, Gründer- und Entwicklungszentrums für biotechnologische Anwendungen in der Lebensmittelwirtschaft (Biotechnologiezentrum) und damit die Weiterentwicklung des Bremerhavener Instituts für Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik (BILB) sichergestellt. Die angestrebte Intensivierung des Austausches zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ermöglicht den Transfer vorhandener Wissenschafts- und Forschungspotenziale in die Unternehmen, stärkt deren Wettbewerbsfähigkeit und wird sich auch positiv auf die Aktivitäten des AWI auswirken.

Im wissenschaftlichen Profil des AWI wird zukünftig die Küstenforschung gestärkt werden. Die erfolgreichen Arbeiten der Wattenmeerstation Sylt werden mit Arbeiten an den Küsten polarer Ozeane in einen gemeinsamen Rahmen gesetzt. Die begonnenen Arbeiten auf dem Gebiet der marinen Naturstoffe werden insbesondere durch die Berufung eines C4-Professors, der diese Arbeitsgruppe leiten soll, weiter gestärkt und ausgebaut.

Der Institutsneubau für das AWI, der derzeitig für rund 91 Mio. DM Am Handelshafen realisiert wird, wird Arbeitsgruppen, die derzeitig provisorisch untergebracht sind, neue Arbeitsmöglichkeiten eröffnen, insbesondere aber auch weitere Drittmitteleinwerbungen bei der DFG, dem BMBF und der EU und damit verbunden auch einen weiteren personellen Ausbau des Instituts ermöglichen.

4. Welche Auswirkungen würden sich für das AWI durch die Umstellung der institutionellen Förderung auf projektbezogene Förderung ergeben?

Die Auswirkungen des Übergangs von einer bisher institutionellen Förderung zu einer programmorientierten Förderung der Institute der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) sind für den Senat zurzeit noch nicht abzu