JVA

CDU-Senat setzt Möglichkeit der zwangsweisen Brechmittelvergabe aus

­ Wie wird trotzdem die Beweissicherung beim Verschlucken von Drogenpäckchen in jedem Fall sichergestellt?

Drogendealer versuchen sich häufig der strafrechtlichen Verfolgung zu entziehen, indem sie die verpackten Drogenverkaufsportionen im Mund transportieren und diese Päckchen bei einer drohenden Überprüfung durch die Polizei verschlucken. Dabei setzen sie sich erheblichen gesundheitlichen Risiken aus. Um eine Verurteilung wegen Drogenhandels zu erreichen, ist eine Sicherstellung der verschluckten Drogenpäckchen erforderlich. Hierzu wurde und wird in Hamburg seit Innensenator Olaf Scholz unter anderem Brechmittel eingesetzt. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu einer zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln in einem Einzelfall aus NRW hat die Justizbehörde angekündigt, bis zur Auswertung des Urteils auf mögliche Konsequenzen für Hamburg auf eine mögliche Zwangsverabreichung an Dealer in Hamburg zu verzichten. An der freiwilligen Brechmittelvergabe wird aber festgehalten. Im Falle der Weigerung der Einnahme von Brechmitteln soll die sog. Drogentoilette zum Einsatz kommen ­ die offenbar schon vor dieser Ankündigung mehrfach angewandt wurde, und das obwohl die CDU-Fraktion die Brechmittelvergabe immer als völlig „alternativlos" bezeichnet hatte.

Um sicherzustellen, dass auch in Fällen der Einnahmeverweigerung von Brechmitteln eine effektive Beweissicherung stattfindet, frage ich den Senat:

Der Senat beantwortet die Fragen unter anderem aufgrund von Angaben des Universitätsklinikums Eppendorf wie folgt:

1. Wo und seit wann gibt es eine sog. Drogentoilette in einer Hamburger JVA?

In der Untersuchungshaftanstalt (UHA) seit August 2003.

2. Wie stellt sich im Einzelnen das Verfahren der Beweissicherung mittels der sog. Drogentoilette dar? Wo wird die Untersuchung der Beweismittel durchgeführt, wie und durch wen erfolgt gegebenenfalls ein Transport?

Wie wird die medizinische Begleitung im Falle des Einsatzes der sog. Drogentoilette sichergestellt?

Die Drogentoilette, eine umgebaute übliche Chemietoilette, nimmt Ausscheidungen in einem austauschbaren Container auf. Ein Zugriff von außen ist nicht möglich. Die vom Beschuldigten ausgeschiedenen Exkremente werden durch die Fahrbereitschaft der Polizei zum Institut für Rechtsmedizin (IfR) gebracht, welches ausschließlich die Untersuchung der Beweismittel vornimmt. Gefangene, die in dem Haftraum mit Drogentoilette untergebracht sind, werden von einer/einem Anstaltsärztin/-arzt medizinisch betreut.

3. Gibt es bezüglich des Einsatzes der sog. Drogentoilette in der JVA/UHA eine Dienstanweisung/Verfügung? Wenn ja, welchen Inhalts? Wenn nein, warum nicht?

Die Verfügung der UHA regelt die organisatorischen Abläufe innerhalb der UHA. Sie enthält die Namen und Telefonnummern der zu benachrichtigenden Personen sowie Angaben zu den Informationen, die im Falle der Benutzung der Chemietoilette an das Institut für Rechtsmedizin, an das Landeskriminalamt und an die Anstaltsleitung der UHA weiterzuleiten sind.

4. In wie vielen und wie gelagerten Fällen kam es seit 2001 bis heute mit welchem Erfolg zur Nutzung der sog. Drogentoilette? Welche Gründe für die Anwendung der sog. Drogentoilette gab es jeweils? (Bitte soweit wie möglich für jeden Fall aufführen.)

Im Jahr 2003 wurde in neun Fällen die Nutzung der Drogentoilette angeordnet, weil der Beschuldigte beim vorangegangenen Brechmitteleinsatz kein Drogenbehältnis erbrochen hatte. In fünf Fällen hatte der Beschuldigte zunächst erbrochene Behältnisse wieder heruntergeschluckt. In drei Fällen wurden im Verdauungstrakt des Beschuldigten noch weitere Drogenbehältnisse vermutet. In weiteren drei Fällen stand kein Arzt für die Durchführung eines Brechmitteleinsatzes zur Verfügung, so dass gleich auf die Nutzung der Drogentoilette zurückgegriffen wurde. In einem Fall wurde die Nutzung der Drogentoilette nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch das Gericht angeordnet; die Gründe hierfür sind in der Akte nicht dokumentiert.

Im Jahr 2004 hatte der Beschuldigte in zehn Fällen beim Brechmitteleinsatz kein Drogenbehältnis erbrochen. In zwei Fällen wurden im Verdauungstrakt des Beschuldigten noch weitere Drogenbehältnisse vermutet. In einem Fall wurde der Einsatz nicht durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch das Gericht angeordnet, ohne dass die Gründe hierfür in der Akte dokumentiert worden sind.

Im Jahr 2005 hatte der Beschuldigte in sechs Fällen im Rahmen des Brechmitteleinsatzes kein Drogenbehältnis erbrochen. In je einem Fall war der Brechmitteleinsatz wegen Gegenwehr des Beschuldigten, aus medizinischen Gründen sowie aus Verhältnismäßigkeitsgründen unterblieben.

Im Jahr 2006 war die Nutzung der Drogentoilette in zwei Fällen angeordnet worden, weil der Beschuldigte beim Brechmitteleinsatz kein Drogenbehältnis erbrochen hatte.

In einem Fall konnte der Brechmitteleinsatz wegen Gegenwehr des Beschuldigten nicht durchgeführt werden.

7. Auf welcher Rechtsgrundlage handeln Staatsanwaltschaft und Gerichte bei der Anordnung der Benutzung der sog. Drogentoilette und der damit verbundenen Verbringung in die JVA/UHA? Welche Anordnungen und Maßnahmen sind im Einzelnen erforderlich?

Der jeweilige Beschuldigte wird nach § 127 StPO vorläufig festgenommen und sodann dem Haftrichter vorgeführt, der ggf. gemäß §§ 112 ff. StPO Haftbefehl erlässt und gem. § 119 Absätze 3 und 6 StPO die Verbringung zur Drogentoilette anordnet.

8. Wie lange war bei den Tatverdächtigen, für die eine Untersuchungshaft angeordnet wurde, die Verweildauer in Untersuchungshaft? Wahlperiode

9. Gab es Fälle, in denen die Beantragung eines Haftbefehls bzw. Antrag/Beschluss nach § 81 a StPO von der Staatsanwaltschaft oder der Erlass eines Haftbefehls von den Gerichten abgelehnt wurde? Wenn ja, wie häufig kam dies vor, und was waren die Gründe für die Ablehnung?

Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst.

Eine Einzelfallauswertung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu leisten.

10. Wie will der Senat ­ sollte es nun zu einem häufigeren Einsatz der sog. Drogentoilette kommen ­ die rechtliche und praktische Durchsetzung dieser Art der Beweissicherung gewährleisten ­ insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen Ablehnung der unter 9. genannten Anträge/Beschlüsse durch die Justiz?

11. Wie bewertet der Senat Effizienz und Eignung des Verfahrens der Beweissicherung bei Drogendelikten mit der sog. Drogentoilette als eine mögliche Alternative zu einem zwangsweisen Brechmitteleinsatz?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst.

12. Wie sind bzw. werden die beteiligten Stellen von Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten und JVA/UHA auf das Verfahren mittels der sog. Drogentoilette vorbereitet, und mit welchem personellen Aufwand kann es dort ­ im Vergleich zum Verfahren der Beweissicherung mittels Brechmitteleinsatz ­ vollzogen werden?

Die an der bereits seit 2003 eingesetzten Drogentoilette beteiligten Mitarbeiter des Strafvollzugs, der Staatsanwaltschaft, der Polizei und des IfR sind hinreichend erprobt.

Die Unterbringung von Gefangenen in dem Haftraum mit Drogentoilette erfordert weder eine besondere Vorbereitung des Personals der UHA noch den Einsatz zusätzlichen, über das regelmäßig vorgesehene Stationspersonal, hinausgehenden Personals.

13. Inwieweit, wann und mit welchem Ergebnis hat die zuständige Behörde die Vergabe des Brechmittels Apomorphin (ggf. unter Bereithaltung eines kreislaufstabilisierenden Mittels (Novadral)) unter notfallmedizinischer Aufsicht durch subkutane Injektion als Alternative zur zwangsweise Brechmittelvergabe mittels Magensonde geprüft? Wenn bislang kein Prüfergebnis vorliegt: Wird diese Variante im Rahmen der laufenden Prüfungen mit geprüft? Wenn nein, warum nicht?

Im Rahmen der Vorbereitung von in Hamburg erstmalig in 2001 erfolgter Brechmitteleinsätze wurde von den beteiligten Behörden und dem IfR auch die Vergabe des Brechmittels Apomorphin als geeignetes Vomitivmittel erörtert. Im Ergebnis wurde auf Anraten des IfR von der Anwendung dieses Medikaments jedoch Abstand genommen, da die Vergabe dieses Mittels im Vergleich zu dem eingesetzten Ipecacuanha-Sirup nach medizinischer Beurteilung des IfR mit einer höheren gesundheitlichen Belastung des Beschuldigten verbunden wäre.

14. Wie ist der Stand der Prüfung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch den Senat bzw. die zuständige Behörde? Bis wann soll ein Prüfergebnis vorliegen?

Die Prüfung wird nach Erhalt der amtlichen Übersetzung der Entscheidung abgeschlossen werden.