Hamburger Hafenbarkassen: Zwischen EU und Oberhafenamt

Betreff: „In 70 Jahren kein einziges Leck" Hamburger Hafenbarkassen: Zwischen EU und Oberhafenamt (2) Abgesehen von der aufgrund aktueller Ereignisse neu entbrannten Diskussion um die Sicherheit der Hamburger Hafenbarkassen plant die FHH offenbar seit längerem eine Verschärfung der Sicherheits- und sonstiger Vorschriften, die teilweise die Barkassen betreffen, teilweise aber auch nur auf sie angewandt werden sollen. Sie stellen die Barkassenbetreiber vor erhebliche finanzielle Probleme; die Sinnhaftigkeit der Neuerungen wird öffentlich angezweifelt.

Im Nachgang zur Drs. 18/4535 frage ich daher den Senat:

Aufgrund von Auskünften der Hamburg Port Authority (HPA) beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Es ist in der Antwort des Senats (Drs. 18/4535) nicht deutlich geworden, aus welchem Grund die Sicherheitsvorschriften einer noch nicht in Kraft getretenen EU-Richtlinie, die für Fahrgastschiffe über 25 m Länge gelten soll, angewandt bzw. umgesetzt werden soll, obgleich die Hamburger Hafenbarkassen grundsätzlich kleiner als 25 m Länge sind und nicht als Fahrgastschiffe gelten. Daher erneut die Frage:

Weshalb soll die Anwendung auf Hafenbarkassen erfolgen?

Ziel der vorgesehenen neuen Sicherheitsvorschriften ist es, die überwiegend zwischen 1920 und 1950 gebauten Barkassen unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit an ein höheres Sicherheitsniveau heranzuführen.

Ist es zutreffend, dass die Initiative zur Vorschrift der vorgesehenen Umbaumaßnahmen tatsächlich von Hamburg ausging?

Ja.

2. Weil auch diese Frage (vgl. Drs. 18/4535) nicht beantwortet wurde:

Aus welchen konkreten Erwägungen heraus ist der Senat der Ansicht, die Verbesserung der Schwimmfähigkeit sei bei den Hamburger Hafenbarkassen erforderlich, obwohl doch die EU-Richtlinie dies für Fahrgastschiffe unter 25 m gerade nicht fordert?

Die Barkassen weisen einen entscheidenden Konstruktionsmangel auf: sobald sie voll Wasser schlagen, sind sie weder schwimmstabil noch verbleibt das Fahrzeug lange genug an der Oberfläche, um Rettungs- bzw. Bergungsarbeiten zu ermöglichen.

Durch die hohe Gefährdungslage des stetig wachsenden Verkehrsaufkommens im

Hamburger Hafen und der Entwicklungen der Sicherheitsbestimmungen im Schiffbau ist der bisher geltende Sicherheitsstandard anzupassen.

3. In der Drs. 18/4535 hat der Senat die Barkassen-Unfälle mit Personenschäden in Hamburg seit dem Jahre 2001 aufgeführt. Es waren fünf Unfälle, die an den Barkassen selbst nur in zwei Fällen Schäden zur Folge hatten, und zwar die Folgenden: Farbabschürfungen, Dellen, Flaggenstock gebrochen.

Ist dem Senat überhaupt ein Unglücksfall einer Barkasse bekannt, bei der die Schwimmfähigkeit der Barkasse eine Rolle gespielt hat?

Nein. Jedoch wird mit den geltenden Vorschriften dem Gefahrenpotential in der Personenbeförderung nicht im ausreichenden Maß Rechnung getragen.

Inwieweit hätten Luftkammern, wie sie jetzt vorgesehen sein sollen, die Folgen der Unfälle der „Martina" (1984) bzw. der „Helios" (1986) abgemildert oder sogar verhindert? Was waren die Ursachen für die beiden Unfälle, wie deren Hergang?

Bei dem Unfall mit der Barkasse „Martina" wurde durch das Seeamt festgestellt: „eine Beurteilung, wie dieser Unfall bei besserer Sinksicherheit der Martina verlaufen wäre und ob weniger Menschen ums Leben gekommen wären, kann kaum gewagt werden." Diese Aussage trifft nach Auffassung der HPA auch auf den Unfall des Fahrzeugs „Helios" zu.

Ursache für beide Unfälle war menschliches Versagen. Der Schiffsführer der Barkasse „Martina" hat einen Schleppzug im Bereich des Vorhafens nicht erkannt mit der Folge, dass die „Martina" durch die geschleppte Schute unter Wasser gedrückt wurde.

Das Fahrzeug „Helios" kollidierte östlich der Rethehubbrücke mit einem Binnenschiff und sank unmittelbar danach.

Welche Veränderungen der Sicherheitsanforderungen für Barkassen hat es in den letzten 25 Jahren gegeben?

Der Schwerpunkt der Veränderung der Sicherheitsanforderungen in den letzten 25 Jahren hat im Bereich der Ausrüstung, Bemannung und Zulassung der Fahrzeuge sowie in der gesundheitlichen und fachlichen Eignung der Besatzung gelegen.

4. Bei den Barkassen handelt es sich offenbar um einen robusten Schiffstyp:

Wie sich inzwischen erwiesen hat, ist der Unfall der Barkasse „Peter II" am 07.07.2006 auf einen technischen Defekt zurückzuführen. Trotz der heftigen Kollision mit dem Schleusentor der Ellerholzschleuse entstand an der Barkasse nur geringer Sachschaden: Farbabschürfungen, Delle am Bug. Ganz offenbar spielte die Schwimmfähigkeit der Barkasse auch bei dieser heftigen Kollision erneut keine Rolle.

Wird durch den Einbau von Luftkammern die Schiffssicherheit tatsächlich nachhaltig erhöht? In welchem Maße?

Ja. Im Übrigen siehe Antwort zu 2.

5. Nach Auskunft des Senats (vgl. Drs. 18/4535) werden als Kosten für den Umbau (Einbau von Luftkammern) von der HPA auf Basis eines eingeholten Gutachtens ca. 30 000 Euro veranschlagt.

Wann ist dieses Gutachten erstellt worden?

März 2005.

Von wem?

Von einem privaten Gutachter.

Wie erklärt sich der Senat, dass kürzlich ein Barkassenbetreiber für seinen vorgenommenen entsprechenden Umbau mehr als das Doppelte bezahlte? Ist dem Senat dies überhaupt bekannt?

Es handelt sich um Durchschnittskosten, die im Einzelfall variieren können.

6. Offenbar handelt es sich um ein gesamtes Paket von vorgesehenen Änderungen der Rechtsvorschriften.

Abgesehen von dem Erfordernis zusätzlicher Luftkammern: Welche weiteren neuen Sicherheitsvorschriften sind geplant? Welche sonstigen, die Barkassen betreffenden Änderungen? Wie lautet im Einzelnen die Begründung? Wann sollen die Änderungen umgesetzt werden?

Weshalb sind insbesondere Verschärfungen bzw. Festlegungen hinsichtlich des Anteils des offenen Sitzraumes vorgesehen? Welche Umbaukosten sind hierfür kalkuliert? Welche Definition der „Pflicht" legt der Senat in diesem Zusammenhang zugrunde?

Der Senat hat sich hiermit bisher nicht befasst.

7. Die EU-Verordnung für Fahrgastschiffe ist noch nicht in Kraft getreten.

Sie stellt auf Fahrgastschiffe ab, nicht jedoch auf Barkassen, die nicht als Schlepper und nicht als Fahrgastschiffe gelten.

Ist es zutreffend, dass für Altfahrzeuge gemäß Binnenschiffsuntersuchungsordnung derzeit ein Bestandsschutz bis zum Jahr 2045 gilt?

Nein, für Barkassen gilt derzeit gemäß Binnenschiffsuntersuchungsordnung ein unbefristeter Besitzstandsschutz.

Ist es zutreffend, dass der Verordnungsgeber auf EU-Ebene den Mitgliedsstaaten in aller Regel bei der Umsetzung in nationales Recht großzügige Fristen einräumt?

Die EU räumt angemessene Fristen ein.

Ist es zutreffend, dass nach dem Wunsch der HPA die neuen Regeln bereits zum Jahre 2009 wirksam werden sollen?

Wenn ja: Hierbei handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in den Bestandsschutz. Inwieweit hat hier eine Abwägung stattgefunden? Zwischen welchen Positionen? Welche Entschädigungsregelungen und Härtefallklauseln sind vorgesehen?

Inwieweit verfügt der Senat über neue Erkenntnisse, die eine Änderung der Bestandsschutz-Regelungen begründen könnten?

Liegt zum jetzigen Zeitpunkt eine geänderte Rechtslage vor, die eine Änderung der Bestandsschutz-Regelungen begründen könnte?

Warum sollen auch nicht die bereits definierten Übergangsvorschriften, z. B. für Fahrgastschiffe bis zum Jahre 2015 mit fünfjähriger Verlängerungsoption, angewandt werden?

Der Senat hat sich hiermit bisher nicht befasst.